Die Klimakatastrophe macht bei Krieg keine Pause

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Die Energie- und Klimawochenschau: Fragwürdige Investitionsentscheidungen der Bundesregierung und irreversible Schäden beim Überschreiten der 1.5-Grad-Grenze

Als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine verschiebt die Bundesregierung derzeit ihren politischen Kompass. Das betrifft in erster Linie die Rüstungspolitik, aber auch in Sachen Energiepolitik könnten Entscheidungen fallen, die die Energiewende erheblich behindern.

Nebenbei darf bemerkt werden, dass Aufrüstung alles andere als nachhaltig für den Planeten ist, den Ressourcen- und Energieverbrauch steigert und ebendiese Ressourcen vielfach aus Konfliktregionen bezogen werden. Russland war im Übrigen im Jahr 2020 der fünftgrößte Produzent von Rohstahl. Stahl, der ja in der Produktion sehr energieintensiv ist, kann in vielen auch für die Energiewende sinnvollen Dingen verbaut werden, zum Beispiel Windrädern, statt in Panzern und Raketen.

LNG-Terminals, "Freiheitsenergien" und Kohle und Strom

Weiterhin möchte Bundeskanzler Olaf Scholz schnell LNG-Terminals in Deutschland bauen, was ja zuvor auch schon Wirtschaftsminister Robert Habeck befürwortet hatte. Als Standorte werden nach wie vor Brunsbüttel, Wilhelmshaven oder Stade diskutiert.

Kurzfristige Engpässe in der Erdgasversorgung können mit den Terminals angesichts der Bauzeiten wohl kaum gelöst werden und so ließen sich in der Zeit besser Anlagen zur erneuerbaren Stromerzeugung und Herstellungskapazitäten für grünen Wasserstoff aufbauen.

Und mit 100 Milliarden Euro, die nun in die Bundeswehr gepumpt werden sollen, ließe sich so einiges anfangen. Sie könnten auch für Schäden und Verluste durch den Klimawandel an arme Länder gezahlt werden, die schon heute stärker unter dem Klimawandel leiden als die Verursacher der Emissionen und denen laut neuester Veröffentlichung des Weltklimarats erhebliches Leid droht.

Sicher, die Frage nach einer sicheren Versorgung mit Strom und Wärme muss gestellt werden. Hier war es nun ausgerechnet Finanzminister Christian Lindner, der auf der Bundestagssitzung zur Ukraine am Sonntag erneuerbare Energien als "Freiheitsenergien" entdeckte.

Dann gibt es noch diejenigen, die nun doch noch eine Chance für Kohle und Atom sehen. Und auch hier gibt sich der Grüne Habeck recht verhalten in seiner Ablehnung, wie aus einem Bericht der Tagesschau hervorgeht. Allerdings bestünden gegen eine Verlängerung der Laufzeiten der letzten drei laufenden Atomkraftwerke Sicherheitsbedenken, die Vorbereitungen für die Abschaltung seien schon zu weit vorangeschritten.

Der am Montag, dem 28. Februar, veröffentlichte 2. Teil des IPCC-Reports lässt keinen Zweifel: Es muss sofort alles getan werden, um die globale Erwärmung doch noch auf 1,5 Grad zu begrenzen. Alles andere führt zu Zerstörung und großem Leid für Milliarden von Menschen.

Die Bundesregierung wurde vom Verfassungsgericht zu schärferem Klimaschutz verpflichtet. Diese Verpflichtung gilt auch für die aktuelle Bundesregierung. "Aufschub bedeutet Tod", formulierte es UN-Generalsekretär Antonio Guterres drastisch und das gilt auch in Kriegs- und Krisenzeiten.

IPCC-Bericht zu Folgen des Klimawandels und Anpassung

Überschattet vom Geschehen in Europa erlebt der Osten Australiens gerade schwere Überschwemmungen, Zehntausende Menschen mussten aus ihren Häusern fliehen, andere sitzen noch auf ihren Dächern fest. Nach einem Bericht des Spiegel sollen sich 300.000 Menschen für eine mögliche Evakuierung bereit machen.

Bislang wurde von zehn Todesopfern berichtet. An manchen Orten hat es in den letzten Tagen so viel geregnet wie sonst im ganzen Jahr. Nach einer verheerenden Brandsaison aufgrund von Hitze und Dürre 2019/2020 ist der Kontinent damit erneut von einem vernichtenden Extremwetter gezeichnet. Solche Extreme werden heftiger und häufiger, wie der Weltklimarat mit seiner jüngsten Veröffentlichung erneut deutlich macht.

Das Fazit des am Montag veröffentlichten 2. Teil des Sachstandsberichts des Weltklimarats ist eindeutig: Die Extremereignisse durch die Erwärmung und die Risiken für Menschen und Natur nehmen zu, Anpassung ist ebenso wichtig wie die Erwärmung schnell zu stoppen. Denn werden bestimmte Temperaturschwellen überschritten, ist eine Anpassung nicht mehr möglich.

Der zweite Teil des 6. Berichts des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) trägt den Titel: "Klimwandel 2022: Folgen, Anpassung und Vulnerabilität". 270 Autor:innen aus 67 Ländern haben für den Bericht über 34.000 wissenschaftliche Veröffentlichungen ausgewertet. Die Sprache des Berichts ist erstaunlich deutlich, noch deutlicher die Vorstellung der Ergebnisse in der Pressekonferenz.

"Die Einschläge werden härter und kommen schneller", erklärt die Generalsekretärin des UN-Umweltprogramms (UNEP), Inger Andersen. "Wir sind in einer Notlage und bewegen uns in Richtung Katastrophe.

"Unsere Atmosphäre ist auf Steroiden, gedopt mit fossilen Brennstoffen. Das führt bereits zu stärkeren, längeren und häufigeren Extremwetterereignissen. (…) Mehr als 4 von 10 Menschen leben in Kontexten, die besonders vom Klimawandel gefährdet sind", sagt Petteri Taalas, Generalsekretär der Weltorganisation für Meteorologie (WMO).

Und UN-Generalsekretär Antonio Guterres prangerte an, dass Verpflichtungen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen nicht nachgekommen wird:

Die weltgrößten Emittenten sind verantwortlich für Brandstiftung an unserem Globalen Haus.

Und nicht nur in Bezug auf die Emissionen kritisierte der UN-Generalsekretär die Industrieländer, sondern auch in Bezug auf finanzielle Unterstützung der armen Länder bei der Anpassung an die Klimawandel. "Die in Glasgow gemachten Zusagen bei der Finanzierung für die Klimaanpassung sind nicht ausreichend", so Guterres.

Wie bereits berichtet, lautet eine der dringlichsten Botschaften, mit der die Zusammenfassung für Entscheidungsträger:innen endet:

Die gesammelten wissenschaftlichen Beweise sind eindeutig. Der Klimawandel ist eine Bedrohung für das Wohl der Menschen und die Gesundheit des Planeten. Mit jedem Aufschub gemeinschaftlichen globalen Handelns verpassen wir das kurze und sich schnell schließende Zeitfenster, um eine lebenswerte Zukunft zu sichern.

Stürme, Überflutungen, immer größere Wald- und Buschbrände, weniger verfügbares Trinkwasser, zunehmende Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung – das sind unter anderem die Risiken, denen die Menschheit in den nächsten Dekaden aufgrund der Klimaerwärmung zu begegnen hat. Zudem überlagern sich die Extremereignisse, was es noch schwieriger macht, die Krisen zu bewältigen.

Beispielsweise der kombinierte Einfluss von Hitzewellen und Dürre auf Pflanzenwachstum genauso wie auf die Arbeitsfähigkeit von Menschen in der Landwirtschaft, sinkende Erträge, Armut und steigende Lebensmittelpreise wären die Folge. Extremwetter werden in Zukunft noch mehr Tote fordern und die Leben und Lebensbedingungen von Milliarden von Menschen beeinträchtigen.

3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen lebten in besonders vulnerablen Hotspots des Planeten. Dazu zählen große Teile Afrikas, Südasiens, Zentral- und Südamerika, kleine Inseln und die Arktis. Aber der Klimawandel kann nicht alleine betrachtet werden.

"Der Klimawandel geschieht kombiniert mit einer nicht nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen, Zerstörung von Lebensräumen, Entwaldung, zunehmender Verstädterung sowie mit Ungleichheit und Marginalisierung", sagt Debra Roberts, Ko-Vorsitzende der Arbeitsgruppe II des IPCC.

Nicht nur die Leben der Menschen sind immer stärker durch die Klimakrise beeinträchtigt und gefährdet, auch die Folgen für Arten und Ökosysteme werden immer gravierender. Dabei führt ein stärkerer Anstieg der Temperatur zu einem höheren Verlust von Biodiversität.

"Arten werden aussterben und ganze Ökosysteme verloren gehen, etwa auf Berggipfeln, tropische Korallenriffe und Küstenfeuchtgebiete, selbst wenn wir eine Erwärmung von 1,5 Grad nur für wenige Dekaden überschreiten", sagt Hans-Otto Pörtner, ebenfalls Ko-Vorsitzender der Arbeitsgruppe II.

Der Artenverlust könne sich zwischen einer Erwärmung um 1,5 Grad und um 3 Grad verzehnfachen. Dabei ist die Menschheit abhängig von den Dienstleistungen der Natur, von der Bestäubung über Küstenschutz, Gesundheit, sauberem Trinkwasser und sauberer Luft.

"Der Verlust von Ökosystemen und deren Dienstleistungen hat langfristige und Kaskadeneffekte auf Menschen auf der ganzen Welt und besonders für Indigene und lokale Gemeinschaften, die direkt von Ökosystemen abhängig sind", so Pörtner.

Anpassung an den Klimawandel bedeute, stärker auf naturbasierte Lösungen zu setzen, betont Debra Roberts. Agroforstsysteme und eine Diversifizierung in der Landwirtschaft könnten widerstandsfähigere Wege der Nahrungsmittelproduktion sein. Und auch die Städte müssen auf natürliche Lösungen setzen, etwa Kühlungseffekte durch mehr Stadtgrün und Wasser in der Stadt. Ökosysteme müssen in großem Maßstab wiederhergestellt werden.

Wirksame Klimapolitik und Anpassung bedeute, dass diese auf allen politischen Ebenen betrieben werden muss und unter Beteiligung der Bevölkerung. Bildung in Bezug auf den Klimawandel sei essentiell.

Neben detaillierteren Erkenntnissen zum Ausmaß der Klimakrise und der Dringlichkeit des Handelns, ist laut IPCC-Vorsitzendem Hoesung Lee eine wichtige wissenschaftliche Erkenntnis des Berichts, dass auch das kurzzeitige Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze irreversible Schäden anrichtet, selbst wenn das Temperaturniveau sich zum Ende des Jahrhunderts wieder bei 1,5 Grad über vorindustriellem Niveau stabilisieren würde.