Die Linke: Der eigentliche Verlierer in Sachsen und Brandenburg
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Und warum sie eher von Rosa Luxemburg als von Robert Misik lernen sollte
Drei Tage nach den Wahlen in Brandenburg und Sachsen sind diese weitgehend von den ersten Seiten der Medien verschwunden. Schließlich ist ja die AfD nirgends stärkste Partei geworden und schon kann man sagen, dass man noch einmal mit dem blauen Auge davongekommen ist. Wer eigentlich? Die Bundesregierung, die jeweiligen Landesministerpräsidenten und ihre Parteien?
Diese Frage bleibt bewusst unbeantwortet. Hat man doch vor allen in linken und linksliberalen Kreisen an einem Bild gezeichnet, nach dem im Kampf gegen die AfD oder die Rechten Parteien keine Rolle mehr spielen. Eine solche angebliche antirechte Volksgemeinschaft der Guten kennt nur einen Verlierer: Initiativen und Menschen, denen es um politische Inhalte geht. Die Initiative Zukunft Sachsen war da ganz ehrlich und warb für die Wahl der CDU, vorgeblich um ein Mitregieren der AfD zu verhindern.
Die bürgerliche Mehrheit, die nicht benannt werden darf
Da reibt man sich verwundert die Augen, wenn sich der MDR dafür entschuldigt, dass eine MDR-Moderation von einem fiktiven Bündnis aus CDU und AfD als bürgerliche Koalition gesprochen hat. Natürlich ist auch dieser Begriff ideologisch besetzt und wird von den unterschiedlichen Parteien für ihre Interessen genutzt.
Die AfD nutzt ihn seit den letzten Wahlen, um den Vorwurf zu entgegen, sie bewege sich am rechten Rand. Der CDU-Vorstand hat damit aktuell ein Problem, weil Partei weiß, dass viele ihrer Mitglieder in Sachsen und anderen Bundesländern gerne diese bürgerliche Mehrheit ausnutzen wollen, um Machtoptionen gegenüber den Linken und Grünen zu haben.
In vielen Kommunen und kleinen Städten klappt die Zusammenarbeit von CDU und AfD sehr gut. Nur muss die Führung der Regierungspartei einer Exportnation andere Kriterien für die Koalitionsfähigkeit anlegen, als ein CDU-Kreisverband in einer sächsischen oder brandenburgischen Gemeinde. Das Problem der CDU-Führung besteht gerade darin, diese unterschiedlichen Interessen in einer Partei zusammenzubringen.
Schließlich kann die CDU-Basis mit Recht darauf verweisen, dass nicht wenige Mandatsträger der AfD vor wenigen Jahren noch bei der CDU waren und dass die Parteien in vielen gesellschaftlichen Fragen zu Ehe, Familie, Minderheitenpolitik gar nicht so unterschiedlich ticken. Dieser Widerspruch, als Regierungspartei die Anforderungen einer modernen kapitalistischen Exportnation zusammenzubringen mit Ortsvereinen, die ihre bürgerliche Welt möglichst genau davor bewahren wollen, wird innerhalb der bürgerlichen Klasse ausgetragen. Daher ist ein ideologischer Kampf um den Begriff entbrannt.
Doch eine andere Sache ist es, wenn eine Linke außerhalb der CDU nun ihrerseits der AfD die Bürgerlichkeit abspricht. Dann hat eine Linke sich schon in vorauseilenden Gehorsam an die bürgerliche Gesellschaft gekettet. Das hat der Wiener Publizist Robert Misik in einem Taz-Beitrag sehr prägnant ausgedrückt:
Es gab einmal eine Zeit, in der ein erheblicher Teil der Linken der Bundesrepublik ablehnend gegenüberstand. Einfach so, in gewohnheitsmäßiger Antihaltung. Das Land wurde entweder als verstockt autoritär angesehen oder einfach als bürgerlicher Staat, dessen Zweck nun einmal die Absicherung von Klassenherrschaft sei. Aber irgendwann begannen die meisten Linken die robuste pluralistische Demokratie zu schätzen. Auch ehemalige Linksradikale akzeptierten ihre Spielregeln - und gingen wie selbstverständlich davon aus, dass die andere Seite dies auch tat.
Robert Misik, Taz
Man könnte es auch so formulieren: Misik beschreibt, wie eine staatskritische Linke ihre eigenen historischen und gesellschaftlichen Erkenntnisse über Bord oder ins hinterste Eck des Bücherregals verbannt hat, weil man ja irgendwie mitmischen oder mitregieren wollte. Und dann reagieren Staat und Kapital so, wie es in den Schriften und Theorien steht, von denen man sich gerade verabschiedet hat. Da kann man diese wieder hervorholen und analysieren, was davon heute noch brauchbar ist.
Oder man kann Staat, Politik und Kapital moralisch vorwerfen, sie würden nicht fair spielen. Genau in dieser Situation befindet sich ein Großteil der Linken, wenn sie der AfD partout nicht zugestehen will, eine bürgerliche Partei zu sein. Man hat sich so in das Wunschbild verliebt, das man sich von der bürgerlichen Gesellschaft macht, und hat versäumt, diese zu analysieren und genau diesen Gewaltapparat, der von Zeit zu Zeit auch zu Kriegen treibt, kenntlich zu machen, der die bürgerliche Gesellschaft von Anfang an war.
So sieht sie aus, die bürgerliche Gesellschaft
Nun ist das von Misik beschriebene Dilemma einer Linken, die sich selber dümmer macht, als sie ist, viel älter. Damit hat sich bereits Rosa Luxemburg in ihrer Schrift Die Krise der Sozialdemokratie vor mehr als 100 Jahren befasst: Dort rechnete sie mit einer SPD ab, die viele ihrer staatskritischen Grundsätze über Bord geworfen und als Endpunkt den Kriegskrediten zugestimmt hat. Luxemburg hat in dem Text mit analytischer und sprachlicher Schärfe die bürgerliche Gesellschaft ihrer Zeit beschrieben.
Geschändet, entehrt, im Blute watend, von Schmutz triefend - so steht die bürgerliche Gesellschaft da, so ist sie. Nicht wenn sie, geleckt und sittsam, Kultur, Philosophie und Ethik, Ordnung, Frieden und Rechtsstaat mimt, als reißende Bestie, als Hexensabbat der Anarchie, als Pesthauch für Kultur und Menschheit -, so zeigt sie sich in ihrer wahren, nackten Gestalt.
Rosa Luxemburg, Die Krise der Sozialdemokratie
Luxemburg wendet sich in den Text auch an ihre Ex-Genossen, die sich eben die bürgerliche Gesellschaft schöngeredet, viel von Demokratie und Rechtsstaat geredet haben, um die Zustimmung zum Krieg zu rechtfertigen. Sie gingen bekanntlich ihren Weg weiter und waren dann nach der von der SPD gehassten Novemberrevolution bereitet, die Anhänger einer Räteherrschaft mit Massenmorden niederzuschlagen.
Das ist nur ein Beispiel dafür, wohin es führt, wenn Linke nicht mehr vom bürgerlichen Staat und der ihm innewohnenden Tendenz zu Kriegen und zu faschistischen Lösungen reden und statt dessen die "robuste pluralistische Demokratie" ihre Diversität und Nachhaltigkeit feierten.