Die Macht in Pakistan: Was passiert am 8. Februar 2024?

Seite 2: Die Situation Imran Khans

Seit 6. August 2023 sitzt Imran Khan im Gefängnis. Daran wird sich in naher Zukunft nichts ändern. Das kann man sogar in Pakistan ziemlich sicher sagen. Verurteilt wurde er zu drei Jahren im Fall Toshakhana wegen illegalen Verkaufs von Staatsgeschenken (im konkreten Fall Armbanduhren), die er als Premierminister erhalten hatte.

Diese Strafe bedeutet automatisch den Ausschluss von öffentlichen Ämtern für fünf Jahre. Khan ist mit einer Flut von Korruptionsverfahren konfrontiert, die ihm viele weitere Jahre Haft einbringen könnten. Im Cipher case einem Fall von Hochverrat, droht ihm potenziell sogar die Todesstrafe.

Unter ähnlich starken Druck kamen auch die Mitglieder seiner PTI. Zu ihrer Verfolgung zog der ISI praktisch alle Register, von anonymen Drohanrufen über tage- und wochenlanges Verschwinden lassen bis zur Tötung von Teilnehmern an PTI-Demos.

Tausende Mitglieder aller Ebenen verließen darauf die Partei. Zum radikalen Schritt, die PTI zu verbieten, haben sich die Männer in Khaki und ihre Helfershelfer in den schwarzen Richterroben noch nicht durchgerungen, dieser große Hammer blieb bis dato hängen.

Destabilisierung

Diese Maßnahmen könnten das Land in ungekanntem Maße destabilisieren, denn Imran Khan bleibt trotz – und/oder wegen – seiner Haft und Widerstand der populärste Politiker. Und seiner Partei gehen keinesfalls Mitglieder und Führungskräfte aus. Einen herben Rückschlag erlitt die PTI erst vor wenigen Tagen.

Das Oberste Gericht bestätigte die Entscheidung der Wahlkommission, der PTI wegen ausgebliebener interner Kandidatenwahlen (die für sie aktuell undurchführbar sind) das Parteisymbol, den Kricket-Schläger, zu entziehen.

In einem Land mit so vielen Analphabeten, die auf dem Stimmzettel nicht den Namen ihrer Partei sondern deren Symbol suchen und da ihren Daumenabdruck hinterlassen, ein echtes Manko.

Die PTI beschloss, alle ihre Kandidaten als Unabhängige unter dem jeweils eigenen Symbol antreten zu lassen. Das wird ihre Aussichten reduzieren. Wie sehr kann man erst nach dem 8. Februar sagen. "Gewinnen" wird das, was von der PTI momentan übrig ist, mit Sicherheit nicht, dafür werden ISI & Co auf alle Fälle sorgen.

Teilerfolg wäre richtiges Problem für die Armee

Doch auch ein Teilerfolg wäre ein richtiges Problem für die Armee und selbst die anderen Parteien. Imran Khan hat seit seiner Amtsenthebung die Rhetorik nicht geändert.

Die Medien sind zwar gezwungen, ihn zu ignorieren und totzuschweigen und allein in den vergangenen zwölf Monaten wurden mehrere drastische Gesetze erlassen, die die Verbreitung seiner Ansichten über die sozialen Medien als Verbrechen bis hin zum Hochverrat ahnden.

Trotzdem ist bestens bekannt, was er denkt und er lenkt auch weiter seine Partei. Es ist so gut wie ausgeschlossen, doch Khans Comeback hätte heftigere Folgen für Pakistan als die Wiederwahl Donald Trumps in den USA.

Bilawal Bhutto und Pakistan People's Party

Die PPP unter Bilawal Bhutto(-Zardari) und seinem Vater Asif Ali Zardari ging im September 2020 die Allianz mit den Rivalen der PML-N und mehreren Kleinparteien unter dem Banner des PDM (Pakistan Democratic Movement) nur ein, um den gemeinsamen Gegner Imran Khan zu stürzen.

Als Shahbaz Sharif am 9. August 2023 das Parlament auflöste und der konstitutionell vorgesehene Übergangspremier Kakar die Macht bis zu den Wahlen übernahm, war es selbstverständlich auch mit der PDM vorbei und jede Partei arbeitet wieder auf eigene Rechnung.

Bilawal drängt mit den Jahren seinen höchst unpopulären Vater immer weiter in den Hintergrund, doch das schlägt sich bisher nicht in den Umfragen nieder. Die PPP ist nach PTI und PML-N abgeschlagen drittstärkste Kraft und nicht mehr als eine Regionalpartei aus Sindh, wo die Latifundien der Bhuttos und Zardaris liegen und sie auf die unerschütterliche Unterstützung ihrer Landarbeiter zählen können.

Die Frage ist nur, wie sich die PTI-Wähler verhalten, wenn ihr Führer hinter Gittern sitzt und die Partei nicht mehr auf dem Stimmzettel zu finden ist. Imran Khans bête noir sind die Sharifs, nicht die Bhutto-Zardaris, es könnte geschehen, dass ein Anteil PTI-Stammwähler sich dieses Mal für die PPP entscheidet.

Ganz sicher hat die Armee bei der PPP sowenig einen Stein im Brett wie bei PTI und PML-N, und das schon viel länger. Seit Militärdiktator Zia-ul Haq den von ihm gestürzten Premierminister Zulfiqar Ali Bhutto, den Großvater Bilawals, 1979 hängen ließ, ist das Band zwischen der Partei aus Sindh und den Leuten in Khaki zerschnitten, ziemlich irreparabel.

Der radikale Schmuck und Zünglein an der Waage: Kleinparteien

Auf nationaler Ebene spielen praktisch nur Kleinparteien mit religiöser Agenda eine wenn auch geringe Rolle. Die wichtigste darunter ist die JUI-F (Jamiat Ulema-e Islam-Fazl, Versammlung der islamischen Gelehrten-Fazl) unter Fazl-ur Rehman, der – ein formaler Posten – während ihrer Existenz den Vorsitz der PDM innehatte.

Dazu kommt noch die recht neue TLP (Tehreek-e Labbaiq Pakistan, Bewegung "Hier bin ich"), die in den Zeiten vor Corona Furore mit Anti-Blasphemie Demos und langen Straßenblockaden machte. Allerdings starb ihr Führer Khadim Hussain Rizvi 2020 (unter nicht gänzlich geklärten Umständen) und mittlerweile gilt die Bewegung als pures ISI-Konstrukt, was beides die Chancen reduziert.

Normalerweise sind die Kleinparteien offen für alle Bündnisse und können in der zersplitterten Parteienlandschaft, wo auf allen Ebenen selten eine absolute Mehrheit erreicht wird, das Zünglein an der Waage spielen.

Der radikale Schmuck

Das von den Briten geerbte absolute Wahlrecht, welches in einem Wahlkreis außer dem Sieger alle leer ausgehen lässt, ermunterte ebenfalls zu den unwahrscheinlichsten Allianzen. Zusätzlich "schmücken" sich die größeren Parteien gern mit einem Bündnis mit religiösen, um nicht zu sagen, radikalen Parteien, um bei den konservativen Wählern zu punkten.

Anders sieht es regional aus. Die Parlamente aller vier Provinzen – Punjab, Sindh, Khyber-Pakhtunkhwa (KPK) und Balochistan – werden am 8. Februar ebenfalls gewählt. Ausgerechnet in Balochistan, welches mittlerweile den Eliten in Islamabad und den Leuten GHQ und ISI mehr Kopfzerbrechen bereitet als KPK, sind nationalistische Kleinparteien und Unabhängige besonders stark.

Fortsetzung der Stammespolitik mit moderneren Methoden

Im Prinzip ist dies die Fortsetzung der Stammespolitik mit moderneren Methoden. Von allen Beteiligten besitzen sie am wenigsten, was man ein Programm oder eine Agenda nennen kann, sie interessieren sich nicht für Ideologie oder Nation, nur für das Wohlergehen ihres Stammes – was allerdings auch den Ausgleich mit anderen Stämmen einschließt.

Reden kann man mit den Führern dieser Parteien bis auf wenige Ausnahmen über alles, verlassen sollte man sich auf sie weniger. Um aber überhaupt in Balochistan einen Fuß auf den Boden zu bekommen, müssen sich die Parteien aus "Restpakistan" sich mit ihnen einlassen.