Die NPD und der Peniskuchen

In der rechtsextremen Szene häufen sich Rücktritte von Parteiämtern wegen verschiedener Sex-Skandale und einer ehemaligen Pornodarstellerin

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wer hätte das gedacht? Nicht Dieter Bohlen, nicht Daniela Katzenberger oder eines jener Pop-Girlies, die in Hotpants und BHs über die Bühnen tänzeln, bescheren uns Überschriften mit dem Begriff "Peniskuchen" in der seriösen Medien- und Agenturlandschaft. Nein, es ist die auf Ruhm und Ehre sowie einem völkischen Familienbild bauende NPD. Ausgerechnet deren Generalsekretär Peter Marx musste am Sonntag wegen einer "Peniskuchen-Affäre" und einer anrüchigen Fotobekanntschaft auf einer noch anrüchigeren Party zurücktreten.

Doch für die NPD, die sich eigentlich auf den "Rechtskampf" gegen das Verbotsverfahren (NPD will ihr Verbot verbieten lassen) kümmern müsste, ist das nicht der erste Rücktritt in den letzten Monaten wegen eines Art Sex-Skandals. Holger Apfel, ehemaliger NPD-Führer, verließ Ende 2013 resigniert seine Partei. Es kursierten Vorwürfe, er habe zwei junge "Kameraden" sexuell belästigt (Vaterland ist ausgebrannt). Am Sonntag gab nun Marx in einer Vorstandssitzung sein Amt ab.

Gegenüber Medienvertretern bestätigte demnach ein Parteisprecher einen entsprechenden Bericht von Spiegel Online. Marx habe demnach seinen Posten "wegen der anhaltenden Debatte über ihn" aufgegeben, sagte der Sprecher. Auslöser für Rücktrittsforderungen gegenüber Marx und Streitereien innerhalb der NPD waren auch die im Internet verbreiteten anzüglichen Bilder einer privaten Party mit NPD-Kadern, Parteisympathisanten, rechtsradikalen Hooligans und Rockern in Saarbrücken. Auf einigen der Fotos war auch Marx zu sehen – ebenso wie etwa ein Geburtstagskuchen in Penisform, eine Stripperin sowie eine frühere Pornodarstellerin und ehemalige Sexarbeiterin.

Streng genommen ist die "Peniskuchen-Affäre" keine solche, sondern eine Affäre rund um besagte junge Frau, die der NPD seit Wochen national wie international negative Schlagzeilen beschert. Die Ex-Porno-Aktrice und ehemalige Sexarbeiterin Ina G. tummelt sich seit Monaten munter in Teilen der NPD-, Neonazi- und rechtsradikalen Hooligan-Welt, posierte etwa für Fotos mit Apfels Vorgänger Udo Voigt und eben mit NPD-Generalsekretär Peter Marx. "Nationalismus darf auch sexy sein" – diesen Slogan verbreitete Ina G. seit Ende 2013 via Facebook. Ironisch versuchte G. ihr altes Gewerbe hinter sich zu lassen, indem sie mitteilte, sie "prostituiere" sich "wieder". Der "Escortservice" heiße jedoch nun "Deutschland".

Im Internet tobt deswegen seit Wochen ein unverkennbar brauner Shitstorm. Mancher Neonazi vermutete dabei gar, Fotos mit Parteigranden wie Voigt oder Marx seien ein Honorarjob und würden in kommenden Wahlkämpfen medial ausgeschlachtet. G., so Kommentatoren, sei "geschickt" worden – von den Medien, den Demokraten, dem Verfassungsschutz. Das mögen klassische Verschwörungstheorien der extremen Rechten sein, allerdings ist nicht von der Hand zu weisen, dass G. durch ihr Engagement in der rechtsextremen Szene für erhebliche Spannungen und Spaltungen sorgt. Statt sich für "Deutschland" zu "prostituieren", zerlegt sie galant mit ihrem gut gemeinten Engagement den "Nationalen Widerstand".

"Hochverrat an ihrem Volk und Blut"

G. war bis zirka Mitte 2013 eher bekannt unter ihrem Schauspiel-Namen "Kitty Blair" oder dem Dienstleisterinnen-Alias "Miss Blair". Als "Kitty Blair" hat die junge Frau in teils sehr extremen Pornofilmen mitgewirkt und ihre Dienste als "Erotik-Model" angepriesen. Als solche oder "Miss Blair" hat G. zudem für Agenturen und Sex-Clubs gearbeitet, die Gruppensex-Parties organisieren und den Mangel an Frauen dabei durch eigenes Personal aufstocken. Zudem soll G. teilweise im Domina-Gewerbe gejobbt haben sowie Männer mit einem Fetisch bezüglich allerlei körperlicher Ausscheidungen befriedigt haben. Als "Kitty Blair" wirkte G. auch in einer Folge der RTL2-Serie "Frauentausch" mit.

Erstmals für Aufsehen sorgte G. in der rechten Szene, als die NPD in Duisburg mit der jungen Frau im knappen Dress und Lederstiefeln als "Weihnachtsfrau" verkleidet am 4. Adventssonntag auf dem Weihnachtsmarkt warb. Zu den beiden "freundlichen Weihnachtsfrauen" (NPD-Selbstdarstellung) in Duisburg gehörte auch G., deren Vergangenheit als Pornodarstellerin von der NPD in einem entsprechenden Bericht nicht erwähnt wurde. "Das von den Medien verzerrte Bild der NPD konnte auch an diesem Tage wieder erfolgreich verbessert werden", teilte die NPD indes zu der Weihnachtsmarkt-Aktion mit. Heute klingt ein solcher Satz wie eine Realsatire, die bekanntlich alles darf.

In Neonazi-Foren und sozialen Netzwerken wurde die NPD-Propagandaaktion mit "Kitty Blair" hämisch bis hasserfüllt kommentiert. Besonders problematisch schien es dabei für die "Kameraden" zu sein, dass die junge Frau auch in Pornofilmen Sex mit schwarzen Männern gehabt hat. "Deutsche, die mit Baumwollpflückern auf sexueller Grundlage verkehren, müssen geistesgestört sein", kommentierte einer. "Diese Frau hat Hochverrat an ihrem Volk und Blut begangen!" ein anderer. Die steigenden Aktivitäten in rechten Kreisen, zweifelhafte Posen bei Fotoaktionen durch G. sorgten für weiteren Unmut.

Kommentarschreiber warfen G. vor, eine "Scheisse fressende Niggerhure" und "Menschenmüll" zu sein. Ein Forenuser fand, wer "diese verkommene NPD-Porno-Sau" ein "Mädel" nenne, beleidige das historische Vorbild, nämlich den "Bund deutscher Mädel" (BDM). In einem kritischen Bericht einer Neonazi-Gruppe nannte man G. einen "Minusmenschen", der in der "jüngeren Vergangenheit eine moralisch zweifelhafte Tätigkeit" ausgeübt habe "und darüber hinaus auch noch öffentlich und ohne Reue Rassenschande" betrieben habe.

Unerwünschte Person

NPD-Geschäftsführer Jens Pühse sah sich Anfang März angesichts der heftigen Debatten denn auch dazu gemüßigt, via Facebook klarzustellen, Ina G. "war und ist KEIN Mitglied" der NPD. Einer seit dem 20. März im Internet verbreiteten Stellungnahme zufolge erklärte das NPD-Parteipräsidium Ina G. dann zur "unerwünschten Person". Sie dürfe künftig "in keinem Fall zu NPD-Veranstaltungen und sonstigen Aktivitäten aller Art zugelassen werden", hieß es in der kurzen Stellungnahme weiter. Unterzeichnet war diese von Frank Schwerdt, dem "Amtsleiter Recht" der NPD.

G. wendete sich daraufhin deutlich düpiert von der NPD ab – es folgte ein Aufnahmeantrag bei dem rheinland-pfälzischen Landesverband der neonazistischen Splitterpartei "Die Rechte" (DR) (Seriöser Neonationalsozialismus?). Während der Paradiesvogel-Neonazi und DR-Landeschef Oliver Kulik laut Parteisatzung davon ausging, G. sei nun Mitglied, weil er dem Antrag zugestimmt hatte, konterte DR-Bundesparteichef Christian Worch – einst ein Mitstreiter des bekannten Neonazis Michael Kühnen –, G. müsse erst auf einem Bundesparteitag angehört werden und dann solle die Partei über die Mitgliedschaft abstimmen.

Kulik trat daraufhin von seinem Amt zurück, "Blick nach Rechts" titelte: "Porno-Streit zerlegt 'Die Rechte'". Mutmaßlich Parteichef Worch selbst hatte kurz vor diesen Schritt von Kulik noch über die NPD sowie den drohenden Rücktritt von Marx gelästert und dabei zwar den "Kuchen [...], der ungefähr die Form eines männlichen Gliedes hatte" erwähnt, nicht aber Ina G. und deren Rolle innerhalb der DR. Laut Altermedia hatte Kulik zu jenem Zeitpunkt, als Worch seine eher hämischen Zeilen über die NPD und Marx publizierte, schon seine Rücktrittserklärung geschrieben.

"Sexy Deutschland"

G. selbst hat unterdessen einem Neonaziportal ein Interview gegeben, in dem sie unter anderem ausführt, "bei der Familienplanung [sollte] der Erhalt des deutschen Erbgutes und damit auch kultureller sowie traditioneller Vererbung eine Priorität verliehen werden". Als Forennutzer kommentiert ein Rechtsextremist dies folgendermaßen: "Als mehrfacher Familienvater der versucht seinen Kindern halbwegs Werte zu vermitteln muss ich zudem etwas schmunzeln wenn eine kinderlose Ex-Hure und Pornodarstellerin von der Weitergabe deutschen Erbgutes, kultureller Vererbung usw. schwadroniert."

Für Unruhe in der Neonazi-Szene dürfte zudem ein älterer, indes neu aufgelegter Pornofilm sorgen. So bewirbt ein Pornofilm-Unternehmen derzeit den Film "Drei Nymphen im Fickrausch", in dem G. mitspielte, als Neuproduktion mit der "Porno-Nazi-Braut". Dass besagter Film schon seit 2013 in Tauschbörsen kursiert und demnach vor G.s Annäherung zur rechten Szene produziert wurde, bleibt unerwähnt. Vielmehr heißt es in einem Werbetext, dass die "ehemalige NPD-Aktivistin" sich "für den Wahlerfolg der rechtsextremen Partei als auch für die Mitarbeit am 'sexy Deutschland' verpflichtet" habe. Dabei sei "auch der ein oder andere 'Volksfremde' in die urdeutsche Maid hineingeraten."