Die Neumünsteraner Fundamentalismus-Connection

Seite 3: Zweifelhafte Vermittlung zwischen den Kulturen

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2014, der Zeit, in der sie ihr Facebook-Profil mit antisemitischen Beiträgen füllte, wurde sie offenbar gemeinsam mit Herrn Ibrahim Ortaçer zur Vorsitzenden des von der Stadt Neumünster initiierten "Forum der Vielfalt" gewählt.

In dieser Funktion eröffnete sie am 20.9.2014 ein Kulturfest im Rahmen der ebenfalls von der Stadt organisierten "interkulturellen Woche". Laut Werbeplakat war an der interkulturellen Woche auch die UETD beteiligt. Das ist sozusagen die Auslandsorganisation der türkischen Regierungspartei AKP, die sowohl den Wahlkampf als auch das Referendum für Herrn Erdoğan sowie Wahlkampfauftritt von AKP-Politikerinnen wie Familienministerin Kaya in Deutschland organisierte.

Das ist eine Organisation, die offen für die Machtkonzentration in den Händen von Herrn Erdoğan eintritt. Was, unabhängig von dessen Person, jeder Vorstellung von Demokratie, Toleranz und vor allem Vielfalt diametral entgegensteht.

Außerdem war an dem Kulturfest, das Frau Kiliç in ihrer Funktion als Ko-Vorsitzende des "Forum der Vielfalt" eröffnete, die "Türk Federasyon" mit einem Infostand beteiligt. Bei der "Türk Federasyon", landläufig auch "Graue Wölfe" genannt, handelt es sich um eine rechtsextreme Organisation, der in der Türkei viele Verbrechen zur Last gelegt wird, u.a. wird vermutet, dass die Ermordung des armenischen Publizisten Hrant Dink von Angehörigen dieser Organisation in Auftrag gegeben wurde.

Die Aufgabe der "Türk Federasyon" ist es dem Politikwissenschaftler Ismail Küpeli zufolge, u.a. Jugendliche an die rechtsextreme Ideologie heranzuführen:

Der größte Akteur der türkischen Rechten ist die "Milliyetçi Hareket Partisi" (MHP, Partei der Nationalistischen Bewegung) und die ihr angeschlossenen Vereine und Verbände. In der Türkei bezeichnen sich Anhänger der MHP als "Ülkücü" (Idealist), seltener wird dagegen der in Deutschland bekannte Eigenname "Bozkurt" (Grauer Wolf) verwendet. Die MHP ist traditionell keine parlamentarische Partei, sondern eine faschistische und gewaltorientierte Bewegung.

So waren die "Grauen Wölfe" in den 1990er Jahren im "tiefen Staat" der Türkei - neben staatlich organisierten Paramilitärs und islamistische Terrororganisationen - für eine Vielzahl von politischen Morden verantwortlich.

Nach dem Tod des langjährigen Parteiführers Alparslan Türkeş 1997 gab sich die MHP unter Devlet Bahçeli ein moderateres Auftreten und erreichte so auch eine größere Anhängerschaft in der Türkei. Die Wahlergebnisse liegen derzeit bei 16% der Stimmen. In ihrem ideologischen Selbstverständnis ist die MHP eine konsequent nationalistische Partei, die auf die Stärke der türkischen Nation setzt und mit Staatsfeinden lieber offen kämpft als zu verhandeln. Dies zeigt sich beispielsweise in antikurdischen und antiarmenischen, aber auch antisemitischen Positionen, die von Anhängern der "Grauen Wölfe" vertreten werden.

In Deutschland organisieren sich die Mitglieder der MHP im Dachverband "Türk Federasyon" (Türkische Föderation), in dem neben Moscheevereinen auch die "Ülkü Ocakları" (wörtlich "Idealistenherde", oft mit "Idealistenclubs" übersetzt) organisiert sind. Die "Ülkü Ocakları" sind sozio-politische Zentren der MHP-Anhänger, insbesondere für die Jugend. Hier werden junge "Graue Wölfe", noch intensiver als in den Moscheevereinen, ideologisch geschult und in die Partei- und Verbandsstrukturen eingebunden. Bundesweit hat die Türk Federasyon etwa 7.000 Mitglieder und ist damit die stärkste rechtsextreme Organisation in Deutschland - noch vor der NPD mit 5000 Mitgliedern.

Die "Grauen Wölfe" konzentrieren sich darauf, die "eigenen" Stadtteile sichtbar zu dominieren und gerade linke Konkurrenz einzuschüchtern. Auf kommunaler Ebene schaffen es MHP-Kandidaten immer wieder in Ausländerbeiräte und beeinflussen damit auch kommunale Politik. Auf landesweiter und bundesweiter Ebene sind "Ülkücüler" auch in der Parteipolitik - insbesondere als Mitglieder der CDU - anzutreffen, wo sie in begrenztem Maße Einfluss nehmen.

Ismail Küpeli

Auf der Facebook-Seite des "Almanya Türk Federasion Neumünster Ülkü Ocaği" findet sich gleich vorneweg eine Hommage an Alparslan Türkeş , den Gründer der faschistischen MHP.

Deren Beteiligung bei dem Kulturfest ist vergleichbar damit, dass 2014 der geschlossene Neonazi-Szeneladen "Club 88" einen Bierwagen beim Stadtfest betrieben hätte.

Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass Frau Kiliç die Ansichten der "Türk Federasyon" teilt. Aber in ihrer Funktion als Ko-Vorsitzende des "Forum der Vielfalt" war sie sozusagen die Integrationsbeauftragte der Stadt Neumünster, wenn auch ehrenamtlich.

Die offizielle städtische Mittlerin zwischen den Kulturen. Ihre Aufgabe wäre es gewesen, im Vorfeld des Kulturfestes über die Hintergründe in Bezug auf die "Türk Federasyon" hinzuweisen, und deren Teilnahme zu verhindern. Andernfalls selbst die Teilnahme zu verweigern.

Allerdings kommen leichte Zweifel auf, ob die Weltsicht der "Türk Federasyon" wirklich so weit von der der Aygül Kiliç entfernt ist, wenn sie die Facebook-Seite "Kurz & Klar" mit "gefällt mir" bedenkt und auch einen Post von dieser Seite teil. Die Seite wird ganz offensichtlich von einem Anhänger der "Grauen Wölfe" betrieben.

Insgesamt lässt das Facebook-Profil von Frau Kiliç Rückschlüsse zu auf ein esoterisch angehauchtes, ultranationalistisches, fundamental-islamisches, antisemitisches Weltbild. Da stellt sich nicht nur die Frage, inwiefern sie als Kandidatin einer Partei akzeptabel ist, die sich Liberalität auf die Fahnen geschrieben hat, sondern auch, inwiefern sie als Mitarbeiterin in einer KiTa und als Angehörige eines demokratisch gewählten Parlaments tragbar ist.

Diese Frage stellte ich schriftlich sowohl der Stadt Neumünster als auch der CDU und der SPD sowie dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden. Sie alle ignorierten meine Anfrage. Die FDP berief sich in einer Mail auf die Religionsfreiheit, die zu schützen ein hohes Gut sei. Zu meinen Recherchen bezüglich des fragwürdigen Weltbilds von Frau Kiliç schwieg sie sich aus.

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