Die Neumünsteraner Fundamentalismus-Connection

Seite 2: Eine Kandidatin der FDP

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die FDP stellt sie in Neumünster im Wahlkreis "Vicelinviertel" als Kandidatin auf, einem sogenannten sozialen Brennpunkt, der offensichtlich von der Politik nicht mehr erreicht wird, das ist zumindest der SHZ vom 5.2.2012 zu entnehmen. Ein Viertel, in dem Anfang der 1970er Jahre die ersten Migranten, "Gastarbeiter", angesiedelt wurden, das dadurch stark geprägt ist, 2011 betrug ihr Anteil 19%, und das Ende der 1990er Jahre zum Sanierungsgebiet erklärt wurde.

Wie den Kieler Nachrichten vom 19.6.2014 zu entnehmen ist, geht die Sanierung allerdings eher schleppend voran. Laut SHZ vom 14.3.2017 leben 42% der Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers vom Bezug von ALG II.

Frau Kiliç unterhält ein Facebook-Profil, das sie 2014 einrichtete, und der erste Beitrag, der dort öffentlich einsehbar war, der erste Beitrag, nachdem sie ihr Titelbild hochgeladen hatte, war ein Link zu einem Video von einer Veranstaltung mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, wie er vor einer Menschenmenge in Istanbul sprach.

Angeblich sollen 2 Millionen Menschen, größtenteils Mitglieder und Sympathisanten der Regierungspartei AKP (Partei für Aufschwung und Gerechtigkeit) nach Istanbul gepilgert sein, um ihn dort sprechen zu hören. Der Eintrag ist, wie vieles andere, mittlerweile gelöscht.

Politische Likes

Außerdem hat sie das Facebook-Profil von Dr. Fatma Betül Sayan Kaya mit "gefällt mir" bedacht. Dr. Kaya, ihres Zeichens Familien- und Sozialministerin im Kabinett Erdoğan, fiel in Europa unangenehm auf, weil sie illegal in die Niederlande einreiste, nachdem ihr dort ein öffentlicher Auftritt im Rahmen des Wahlkampfs für das Präsidial-Referendum verwehrt worden war.

Nun ist es das gute Recht von Frau Kiliç, mit Herrn Erdogan, dessen Partei und seiner Regierung zu sympathisieren. Doch schon das hinterlässt einige Fragezeichen, was die Kompatibilität einer Frau mit einer nationalistischen, fundamental-islamischen Ideologie auf dem - und vor allem - im Kopf mit einer Partei angeht, die sich Liberalität auf die Fahnen geschrieben hat. Und vor allem, was sie befähigt, Mitglied eines - wenn auch kommunalen - Parlamentes eines demokratischen Staats zu werden.

Im Juli 2014 kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der radikal-islamischen Hamas und den israelischen Streitkräften IDF. Frau Kiliç lässt auf ihrem Facebook-Profil keinen Zweifel daran, auf wessen Seite sie steht. Der Eintrag auf ihrer Facebookseite vom 25.Juli 2014 ist mittlerweile gelöscht. Er verweist auf ein Interview Erdogans, wo er Israel mit Terrorismus ("Terörist Israil") gleichsetzt.

Es ist ihr gutes Recht, solche Beiträge zu verlinken. Aber deren Urheber sind mehr als fragwürdig. Sie verlinkt den rechtslastigen Kopp-Verlag genauso wie Jürgen Todenhöfer oder Tariq Ramadan, eine der schillerndsten Figuren der "Muslimbruderschaft" in Europa, der aktuell in Frankreich inhaftiert ist wegen des Vorwurfs der sexuellen Gewalt gegen mehrere Frauen. Das konnte sie natürlich 2014 noch nicht ahnen. Dass sie wusste, dass Herr Ramadan exponierter Vertreter der "Muslimbruderschaft" ist, davon ist jedoch auszugehen.

Auf ihrem inzwischen offenbar gelöschten Facebook-Profil erklärte sie sich zu den Vorwürfen und beteuerte, dass sie "Beiträge oft noch nicht einmal gelesen" hab, so dass sie Mitteilungen geteilt habe, die ihrer politischen Auffassung "widersprechen und widersprachen". Es sei ihr erst später klar geworden, "welche Wirkung dies nach außen haben kann". Sie sei mit Facebook nicht richtig vertraut. Auch die Beiträge, die sich mit Israel beschäftigen, "sind weder heute noch damals meine Meinung". Sie bedaure sehr, "diese ungelesen geteilt zu haben".

Eine türkisch-sprachige Bekannte kommentierte diesen Beitrag mit Hinblick auf "Terrörist Israil" trocken: "Sie hat es schneller geteilt, als sie es lesen konnte … "

Als ob das alles noch nicht reichen würde, verlinkte sie auch noch einen Beitrag, in dem der Verfasser, ein Mann namens Mehmet Akif Ersoy, was vermutlich nicht sein richtiger Name ist - so heißt der Verfasser der türkischen Nationalhymne - seinem Judenhass freien Lauf lässt, und das an der Sprache ausmacht.

Das Facebook-Profil von Frau Kiliç bestand in erster Linie aus Bildchen mit frommen Sprüchen, Blumen, Landschaften, Links zu Seiten zu Haushaltsfragen und zu pädagogischen Themen, u.a. Familienerziehung, was im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit im Kindergarten seltsam anmutet.

Zu finden waren sehr wenige politische Bezüge, aber die hatten es dann in sich: U.a. Argumente gegen das Impfen, Beiträge wie "Fasten ist gut gegen Krebs", Schweineblut in Zigaretten, Alkohol-Rückstände in "Kinder"-Schokolade, Halal scheint insgesamt ein Thema zu sein, das sie umtreibt.

Ansonsten lässt sie den "Tag des Sieges", gemeint ist der Krieg der Türken gegen die Griechen 1919-1922, nicht unerwähnt. Grundlage dieses Krieges war abgrundtiefer rassistisch motivierter Hass auf beiden Seiten. Der Sieg wird in der Türkei mit einem offiziellen Feiertag mit militärischen Ehren gefeiert. Auch das ist ihr gutes Recht, lässt aber den Rückschluss auf ein zutiefst nationalistisches Weltbild zu.

Und wieder stellt sich die Frage, inwiefern dieses mit den Zielen der FDP und einem demokratischen Parlament vereinbar ist?

Nachdem am 11. Juni 2014 5 kurdische Jugendliche eine türkische Flagge vom Fahnenmast an der Kaserne des 2. Luftwaffenkommandos in Diyarbakir entfernten, postete sie einen Link, der eine Gruppe mit roten Unhängen zeigte, zus ehen war nur der Rücken. Das Bild hatte die Amutung eines Aufmarsches von Ku-Klux-Klan nur in Rot. Auf dem Bild steht: "Sie würden sich fragen, wie stark wir sind. 'Like', damit sie sehen, was Stärke bedeutet."

Frau Kiliç kommentiert: "Selbst wenn sie Kinder sind, sollen sie wissen, was es heißt, eine Flagge einfach so runterzuholen."

Die fünf Jugendlichen waren 16 Jahre alt, sie wurden vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen, dabei wurde auf sie geschossen. Vier von ihnen wurden anschließend wieder frei gelassen, einer wurde der Strafjustiz überstellt. Ihm wurde "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" (PKK) und die "Verletzung der Souveränität des Staates"/"Verletzung des Ansehens der Türkei" vorgeworfen.

Darauf steht bis zu 25 Jahren Haft. Mit ihrem Statement legitimiert Frau Kiliç die Gefährdung des Lebens der Jugendlichen während der Festnahme sowie die drakonische Strafe, die zumindest einem von ihnen drohte. Auffallend ist, dass auf dem Facebook-Profil der FDP-Kandidatin, die seit vier Jahren Mitglieder der Partei ist, kein einziger Beitrag dieser Partei oder einer FDP-Politikerin/eines FDP-Politikers zu finden ist. Mit Ausnahme des kürzlich veröffentlichten Fotos des Wahlplakats.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.