Die Parade der größten Klimasünder

Webseite veröffentlicht die größten Treibhausgas-Verursacher im Energiesektor

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Der Carbon-Footprint, im Deutschen entweder wörtlich als Kohlenstoff-Fußabdruck wiedergegeben oder auch freier, zugleich aber moralisch zwingender umschrieben mit „Einfluss, den ein jeder auf die Umwelt hat“, scheint aktuell das globale Maß aller Umweltbelange. Schon vor dem CO2-Fußabdruck ist der CO2-Ausstoß zur internationalen Formel geworden, um Umweltbelastungen zu beziffern. Eine Webseite vergleicht nun die CO2-Emissionen der größten Kraftwerke weltweit, nennt die Betreiber und listet die weltweiten Energieversorger am Grad ihrer Kohlendioxidsünden auf – eine Art Hitparade der schlimmsten globalen Verschmutzer.

Mit der interaktiven Datenbank "Carbon Monitoring for Action" wird erstmals detailliert und weltweit auf Karten und Listen dargestellt, wer weltweit am meisten CO2-Emissionen ausstößt – und auch, wer am "grünsten" ist. Neben den Ländern wurden bislang 4.000 Energiekonzerne und 50.000 Kraftwerke eingearbeitet. Der Anspruch ist, so David Wheeler vom Center for Global Development, "vollständige und abgeglichene Informationen" zu bieten. Mit der Verwendung von Filtern lassen sich auch die Angaben für Kraftwerke in einzelnen Städten oder Landkreisen oder für die eines Unternehmens darstellen. Es sei, so werben die Anbieter, der "weltbeste Ort für den Kraftwerksvoyeurismus", bezweckt ist wohl eine Art von globalem Online-Pranger für Klimasünder.

An der Spitze befinden sich, geht man nach den Ländern, noch immer die USA. Hier werden fast 2,8 Milliarden Tonnen CO2 von Kraftwerken emittiert (2000 waren es noch 2,5 Milliarden). Dicht darauf folgen China mit 2,7 Milliarden (2000: 1,2), in größerem Abstand Russland (660 Millionen), Indien (580 Millionen), Japan (400 Millionen) und dann bereits Deutschland (360 Millionen), das damit in Europa an der Spitze liegt. China plant den Bau oder die Erweiterung von fast 200 Kohlekraftwerken in den nächsten Jahren, die USA wollen 83 bauen, in Deutschland sind 26 geplant. Obgleich China die USA bald überholen wird, sind, umgerechnet auf den Pro-Kopf-Ausstoß, die Australier die größten Verursacher von CO2-Emissionen von Kraftwerken. Pro Kopf emittieren sie 11 Tonnen, US-Amerikaner 9 Tonnen und die Chinesen 2 Tonnen.

„Informiertsein führt zum Handeln“, so lautet die grundlegende Arbeitshypthese von David Wheeler für das Veröffentlichen solcher CO2-Listen, auf denen Länder und Betreiber von Kraftwerken oft nicht so gut wegkommen, wie sie es möchten.

Wo stehen die größten Treibhausgas-Verursacher, wie viel schädliche Gase emittieren sie und wem gehören sie? Solche Fragen sollen die Online-Datenbanken, die von David Wheeler und Mitarbeitern für das Center for Global Development (CGD) zusammengestellt wurden, auf der CARMA-Webseite beantworten.

Wir erwarten, dass Investoren, egal ob Privatmenschen oder Institutionen, Versicherer, Kreditgeber, Umweltschutzgruppen, Verbrauchergruppen und individuelle Aktivisten die CARMA-Daten benutzen, um Energieversorger dazu zu bewegen, weniger Kohle und Öl zu verbrennen und stattdessen auf erneuerbare Energien, wie Wind-oder Sonnenenergie umzusteigen.

David Wheeler

Die Daten für den Ausstoß der Kraftwerke sollen von Regierungsberichten stammen bzw. „oft“ von den Kraftwerken selbst. Wo solche Daten fehlen, habe man geschätzt, so CARMA, „mit 90prozentiger Zuverlässigkeit“, auf einem statistischen Modell aufbauend, das Typus und Art, Baujahr und verwendeten Kraftstoff und die produzierte Energie berücksichtigt. Insgesamt sind demnach Energie-Kraftwerke für ein Viertel der gesamten CO2-Emissionen weltweit verantwortlich: 10 Milliarden Tonnen Kohlendioxid pro Jahr.

Die drei „schmutzigsten“ Kraftwerke weltweit stehen gemäß der CARMA-Datenbanken in Asien: Taichung in Taiwan, Poryong in Südkorea und Castle Peak in Hong-Kong. Das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde in Brandenburg, betrieben von Vattenfall, rangiert auf Platz zehn, was angesichts früherer Listen nicht sonderlich überrascht. Auf der Google-Map-Karte, die auf dem Jänschwalde-Eintrag bei CARMA zu sehen ist, lassen sich die 27,4 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß mit den Werten anderer Kraftwerke in der Region vergleichen.

In China befinden sich der Konzern, der weltweit am meisten CO2 ausstößt. Jährlich 292 Millionen Tonnen emittieren die Kraftwerke des chinesischen Konzerns Huaneng Power International. An zweiter Stelle liegt Eskom aus Südafrika, gefolgt von NTPC aus Indien. An sechster und siebter Stelle kommen Southern und die American Electric Power nach zwei weiteren chinesischen Energiekonzernen. Auf Platz 8 findet sich bereits mit 144 Millionen Tonnen der Oligopolist E.on, der sich gerne das Image der sauberen Energiegewinnung gibt. 90 Prozent des Stroms wird mit fossiler und nuklearer Energie produziert; allerdings ist E.on mit einer Leistung von 251 Millionen MW/h effizienter als die auf der negativen Hitliste vor ihm platzierten. Deswegen erhält er auch ein mittlerers Gelb, während die anderen mit Ausnahme von Southern mit einer Orange-Markierung tief rot als Sündenböcke kenntlich sind. Auf Platz 10 liegt RWE, ebenfalls orange, ein Konzern, der in der Werbung gerne suggeriert, dass er mit besonders fortschrittlichen Methoden arbeite.

Die Kraftwerke, die am wenigsten CO2 ausstoßen und am meisten Strom produzieren, sind allerdings aus anderen Gesichtspunkten nicht unbedingt auch die umweltfreundlichsten. An der Spitze stehen hier Kraftwerke, für die Flüsse gestaut wurden: an erster Stelle Itaipu in Brasilien, gefolgt vom Kraftwerk am Drei-Schluchten-Damm in China oder Raul Leoni in Venezuela. Gut wegkommen natürlich auch Atomkraftwerke. Deswegen sind nach den zwei "schmutzigen" Kraftwerken Janschalde und Niederaussem in Deutschland die nächsten großen die CO2-sauberen Atomkraftwerke Grundremmingen, Biblis, Isar und Co.

Abgesehen von Wasserkraft haben die übrigen erneuerbaren Energien weltweit noch einen verschwindenden Anteil. In Europa, das hier vor Lateinamerika knapp führend ist, sind es gerade einmal 4,5 Prozent. Aus Wasserkraft stammen 14 Prozent, in Lateinamerika 76 Prozent. Der Anteil der erneuerbaren Energie, abgesehen von Wasserkraft, liegt in Deutschland bei 7 Prozent, in Island bei 34 Prozent, in Portugal bei 22 Prozent oder Dänemark an dritter Stelle bei 18 Prozent. In Europa haben Weißrussland, Moldawien, Estland und Polen den größten Anteil an fossilen Brennstoffen mit 97 Prozent und mehr bei der Stromerzeugung.