Die Piraterie der Urheberrechtsabgaben in Griechenland

Gründung der Vereinigung Asma 450+ am Montag. Bild: W. Aswestopoulos

Eine private, im Familienbesitz befindliche Aktiengesellschaft ist mit den Abgaben für das öffentliche Aufführen von Musik reich geworden, die Vorstandsgehälter sind höher als die Einnahmen

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In Athen wurde am Montag die Vereinigung Asma 450+ gegründet. Es handelt sich um die Vereinigung von mehr als 500 Komponisten, Songtextern und deren Erben. Ziel der Vereinigung, der fast alle lebenden Legenden der griechischen Musik angehören, ist es, die im Land eingetriebenen Urheberrechtsabgaben denen zukommen zu lassen, welche das für die Abgaben maßgebliche Werk geschaffen haben. Denn bislang verdient eine private, im Familienbesitz befindliche Aktiengesellschaft, die AEPI, den Löwenanteil an den Abgaben für das öffentliche Aufführen von Musik.

Asma 450+ verlangt von der Regierung die Umsetzung des EU-Rechts hinsichtlich der Urheberrechtsabgaben, so wie sie in der EU-Richtlinie 2014/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 verankert ist. Die Vereinigung möchte das Kontrollrecht über die seit Anfang des 20. Jahrhunderts von der Familie Xanthopoulos betriebenen AEPI erlangen oder aber alternativ in Selbstverwaltung das Eintreiben der Urheberrechtsabgabe betreiben. Die AEPI ist selbst in einen Finanzskandal verwickelt.

Die auf Englisch in der Selbstbezeichnung Hellenic Society for the Protection of Intellectual Property heißende Gesellschaft wurde bereits 1930 gegründet. Sie ist mit 126 gleichartigen Gesellschaften in 191 Ländern vernetzt. Nach eigenen Angaben vertritt die AEPI mehr als 14.590 griechische oder ausländische Urheber mit direkter Mitgliedschaft, sowie knapp 2.200.000 Mitglieder der Partnergesellschaften.

Am 31.3.2016 beschloss die Versammlung der Aktionäre einstimmig die Verlegung des Firmensitzes nach Zypern. Es wurde gemunkelt, dass die AEPI damit einer Inspektion der Steuerfahndung ausweichen wollte, aber auch einer Umsetzung des EU-Rechts, welches im griechischen Parlament diskutiert wurde, aus dem Weg gehen wollte.

Gründung der Vereinigung Asma 450+ am Montag. Bild: W. Aswestopoulos

Das Chaos wurde komplett, als das griechische Kulturministerium am 21.10.2016 attestierte, dass die AEPI nicht mehr existiert. Zwischenzeitlich hatte die Familie Xanthopoulos einen geradezu unglaublichen Plan gefunden, um die AEPI in Griechenland wieder zu legalisieren. Die Familie klagte gegen sich selbst. Es fand sich tatsächlich ein Richter, der diesen Klageweg und damit die schizophren begründete Rückkehr nach Hellas ermöglichte.

Der frühere Kulturminister Nikos Xidakis ordnete im vergangenen September eine Buchprüfung der AEPI für die Jahre 2011 bis 2014 an. Nach deren Bekanntgabe entschloss sich die amtierende Kulturministerin Lydia Koniordou, auch die Jahre 2015 und 2016 überprüfen zu lassen. Die vereidigten Buchprüfer brachten unglaubliche Ergebnisse zu Tage. Demnach hat die AEPI ein negatives Kapital von 19,9 Millionen Euro. Der gesamte Kapitalbesitz ist geringer als die Schulden. Reich wurde dagegen die Besitzerfamilie.

Den weitaus größten Posten der Schulden haben offenbar die Vorstandsgehälter verursacht. Die Betriebsausgaben der Gesellschaft sind höher als die gesamten Einnahmen. Allein in den Jahren 2011 bis 2014 gab es ein Minus von 11,3 Millionen Euro, während die Vorstände und ihre ebenfalls bei der AEPI beschäftigten Verwandten in der gleichen Zeit 7,4 Millionen Euro in die Tasche steckten. Für technische Unterstützung durch eine mit der AEPI verbundene Firma wurden 7,2 Millionen Euro gezahlt, Rechtsanwälte erhielten 6,7 Millionen Euro.

Allein der Vorstandschef verfügte über ein Jahresgehalt von 635.565 Euro, während eine Verwandte von ihm im Vorstand für die Auslands- und Pressevertretung der Belange der AEPI 466.266 per Anno erhielt. Bei Vorstandssitzungen gab es offenbar ein üppiges Sitzungsgeld von 4000 Euro. Der Vorstand war privat zusatzversichert, was neben anderen Boni noch einmal 6000 bis 38.000 Euro pro Person kostete. Es gab zudem - nach griechischem Firmenrecht nicht erlaubte - Kredite mit Vorzugszinsen von zwei Prozent für Mitglieder des Vorstands.

Die AEPI, die ein zweites Gebäude in Griechenland gebaut hat, hat Immobilien im Wert von neun Millionen Euro. Allerdings erhielten die Buchprüfer nicht alle Rechnungen zu den Immobilien, obwohl sie darauf bestanden hatten. Die Buchprüfer monierten, dass zahlreiche Rechnungsbelege "verschwunden sind".

Die Teilnehmer der ASMA 450+ Gründungsinitiative bestätigten, dass ihre Einnahmen aus Urheberrechten 2016 im Vergleich zu 2008 im Schnitt um mehr als 70 Prozent zurückgegangen waren. Die AEPI war dagegen in der Durchsetzung ihrer Rechte rigoros. Sie kassierte Abgaben auch in Bäckereien, bei denen im Arbeitsraum ein im Verkaufsraum hörbares Radio dudelte. Die AEPI ließ zudem Künstler festnehmen, die während eines Benefizkonzerts zwar eine eigentlich copyrightfrei traditionelle Melodie der Roma spielten, die Urheberrechtsabgabe aber für eine auf Griechisch gesungene Strophe hätten abführen müssen.

In anderen Punkten war die Familie Xanthopoulos weniger pingelig, sofern sie für die AEPI und damit sich selbst schnelles Geld kassieren konnte. So bevorzugte sie, dass Musikalben in Griechenland über Zeitungen verteilt werden. Hier konnten pro Wochenende mehrere zehntausend CDs als Beigabe verteilt werden. Dafür mussten die Zeitungen nur einige Prozent der für den normalen CD-Verkauf fälligen Abgabe, diese jedoch auf einen Schlag entrichten. In der Folge brach der Geschäftszweig des konventionellen CD-Verkaufs in Griechenland komplett zusammen. Wer zahlt schon zehn Euro für eine CD, wenn es das gleiche Produkt als Gimmick einer Sonntagszeitung zusammen mit übrigen Beigaben für 4,50 Euro gibt?

Bei der ASMA 450+ Gründung wurden zudem Vorwürfe laut, dass die Familie auch an dem Verkauf von abgabenfreien Musikrepertoires an Bars und Clubs beteiligt gewesen sei. Für einen Deal mit YouTube, wie es die GEMA machte, hat sich die AEPI dagegen nicht interessiert. Wie es mit der geschäftstüchtigen Familie und den Musikschaffenden weiter geht, darüber muss die griechische Justiz entscheiden. Die Rahmenbedingungen müssen von der Politik geschaffen werden.