Die Polizei, Dein Freund und Feind

Seite 4: Auf Demokratie schwören und rechtsextrem sein - geht das?

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Das gilt offenbar auch für rechtsextremistische Einstellungen: Offiziell untersagt, trotzdem in manchen Dienststellen vorhanden. In den letzten Jahren treten sie vermehrt zutage. Daten von Persönlichkeiten aus Politik, Justiz, Medien und Kultur wurden von Polizisten aus Polizei-Computern abgerufen. Und diese benutzten Absender mit der Unterschrift "NSU 2.0" für Drohbriefe - rassistischen, antisemitischen, frauenverachtenden und neonazistischen Inhalts.3

Aufsehen erregten außerdem Chat-Protokolle auf den Mobiltelefonen von insgesamt 30 Polizistinnen und Polizisten in Nordrhein-Westfalen.

Bei den Nachforschungen gegen eine komplette Dienstgruppe der Polizei in Mülheim an der Ruhr wurden (NRW-Innenminister) Reul zufolge Bilddateien entdeckt, die unter anderem Bilder des Naziführers Adolf Hitler und von Hakenkreuzen, Reichskriegsflaggen sowie eine fiktive Darstellung eines Geflüchteten in der Gaskammer eines Konzentrationslagers beinhalten. Eine der Chatgruppen sei wahrscheinlich bereits im Jahr 2013 gegründet worden, wird vermutet, spätestens jedoch im Mai 2015.

Katja Thorwarth, Polizeiskandal in NRW - Rechtsextreme Chatgruppe teilt Hitlerbilder und Hakenkreuze

"Das Ende der Fahnenstange ist lange nicht erreicht", erklärte NRW-Innenminister Reul angesichts von weiter bekannt gewordenen Fällen. Wie kann das sein? Polizisten leisten bei Ihrer Einstellung schließlich einen Eid nach § 64 Bundesbeamtengesetz: "Ich schwöre, das Grundgesetz und alle in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Gesetze zu wahren und meine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe."

Das schließt Weltanschauungen aus, die den demokratisch verfassten deutschen Staat ablehnen und bekämpfen. Was unmittelbar einleuchtet: Leute, die das Recht des Staats durchsetzen sollen, müssen auch dieses Recht akzeptieren. Für Links- wie Rechtsextreme ist damit in der Polizei kein Platz. Beide Anschauungen lehnen ja die Demokratie ab - allerdings aus sehr unterschiedlichen Gründen. Von linksextremen Äußerungen oder Taten von Polizisten hat man allerdings bisher wenig bis gar nichts gehört, von rechtsextremen umso mehr. Offenbar ist es für diese Polizisten kein unaushaltbarer Widerspruch, trotz ihrer demokratiefeindlichen Haltung ihrem Job nachzugehen.

Und das geht, wie ein Beispiel des Polizei-Forschers Rafael Behr zeigt:

Michel Friedman, der damalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, wurde seinerzeit von zwei Personenschützern der Frankfurter Polizei bewacht. Irgendwann durchsuchten Ermittler die Spinde dieser beiden Beamten, weil sie annahmen, dass diese Belege falsch abgerechnet hatten. Sie fanden Totenköpfe, lange Mäntel, Nazi-Devotionalien. Die beiden Männer waren Rechte, vielleicht Nazis, und Friedman hat nichts gemerkt. Friedman hat in Interviews später gesagt, die Beamten hätten ihren Job bis zu ihrer Entdeckung wunderbar gemacht.

Rafael Behr, Zeit online

"Dienst nach Vorschrift" oder sogar demonstrative Verachtung Friedman gegenüber kamen offenbar nicht in Frage.

Das geht! Man sollte sich nur nicht erwischen lassen

Tatsächlich fallen Rechtsextreme in den Reihen der Polizei auch nicht dadurch auf, dass sie ihre Aufgaben vernachlässigen, eher im Gegenteil. Sondern es sind meist zufällige Entdeckungen, die dann für ungläubiges Staunen und Entsetzen bei den Verantwortlichen sorgen. Auch darüber, dass Kollegen, die von den rechtsextremistischen Gedanken wussten, nichts an höhere Stellen meldeten. Von falsch verstandenem Korpsgeist ist dann sofort die Rede. Leicht gesagt, aber wer verrät schon Kollegen im Wissen darum, dass das für den Betreffenden die fristlose Kündigung bedeutet? Und man als Denunziant nicht nur von gemeinsamen Grillabenden ausgeschlossen würde. Noch dazu, wenn es vor allem im Alltag praktisch keine Probleme gibt?

Könnte es vielleicht so sein, dass der Polizei-Job auch und gerade für Leute interessant ist, die sich bei den Bürgern an deren Eigennutz und mangelhaftem Respekt dem Staat gegenüber stören? Die den Staat für generell zu schwach halten und es nicht gut finden, dass die Leute tagein tagaus nur an sich denken und nicht daran, was sie für den Staat tun sollten? Die deshalb die Tour in der Demokratie, um das Herrschaftspersonal konkurrieren zu lassen, für eine Schwäche halten?

Denn da wetteifern doch wieder nur Interessenvertreter, und am Ende kommen faule Kompromisse heraus! Zum Beispiel von der Sorte, dass die Polizisten schlecht ausgerüstet und schlicht zu wenige sind für alle die Probleme, die sie lösen sollen - weil es die Politiker nicht hinkriegen. Und dann hagelt es von denen Kritik, wenn die Ordnungshüter einfach nur ihren Job machen! Kommt bekannt vor, nicht wahr? Das klingt ganz nach dem zitierten Facebook-Kommentar vom Anfang dieses Artikels. Mit solchen Gedanken kann man seinen Dienst auch erledigen: Die Leute denken nur an sich, haben zu wenig Respekt und nutzen jede Schwäche des Staates aus. Umso wichtiger, dass die Polizei dem entschieden entgegentritt und die staatlichen Regeln gegen alle Widerstände durchsetzt! Regeln, die den Lauf der Geschäfte zuverlässig ermöglichen und die Bedürfnisse des Staates befriedigen - nach einem gehorsamen Volk voll fleißiger Steuerzahler, Wähler und Verteidiger des Vaterlands.

Es gibt noch einen weiteren gemeinsamen Ausgangspunkt mit rechtsextremen Anschauungen: Diese kritisieren die deutsche Demokratie unter anderem wegen ihrer vermeintlich zu laxen Haltung gegenüber Ausländern und Kriminellen. Das können auch Leute teilen, die nicht einer neonazistischen Ideologie anhängen. Wer bei der Polizeiarbeit zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen unterscheidet, ist kein Faschist; sondern praktiziert genau die Trennung, die der Staat vorgibt. Dabei, und das ist das Entscheidende, hat sich der Polizist aber präzise an die Gesetze zu halten - und nicht eigenmächtig darüber hinaus zu schießen.

So verhält es sich ebenfalls bei der rechten Kritik um Umgang mit Verbrechern: Polizisten hadern schon mal mit ihrer Aufgabe, wenn sich der Erfolg nicht einstellt - weil beispielsweise der Festgenommene kurze Zeit später wieder freikommt oder er im Prozess eine zu geringe oder gar keine Strafe erhält. Da treffen sie sich mit Vorwürfen von Rechts gegenüber der Justiz. Wichtig hier genauso, dies zu erdulden und nicht das Recht in die eigene Hand zu nehmen.