Die Polizei, Dein Freund und Feind

Seite 5: Und wenn es keine Einzelfälle sind...?

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Genau diesem gilt die Sorge der Politik: Dass es insgeheim viele Beamte mit rechtsextremem Gedankengut gibt. Man also nicht weiß, in welcher Zahl sie vorzufinden sind. Und dass sie die Demokratie unter allen Umständen verteidigen, sollten die Verantwortlichen auch nicht annehmen. Entsprechend rigoros äußern sich die Politiker, beispielsweise NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) im ZDF: "Jeder, der erwischt wird, fliegt raus (…) Ein Polizist hat eine Verantwortung, das ist nicht ein normaler Beruf."

Er wolle nicht zulassen, dass ein paar wenige die gesamte Mannschaft der Polizei in Misskredit brächten.

Darum dreht sich auch die Debatte um Untersuchungen zu Rassismus und Rechtsextremismus in der Polizei. Wie sehr ist es bereits ein Eingeständnis, dass unsere Ordnungshüter ein spezielles Problem haben, wenn Studien dazu in Auftrag gegeben werden? Erleidet die Polizei nicht gerade so einen Imageschaden? Andererseits: Erst wenn der Umfang des Problems klar wird, kann man richtig aufräumen.

Aus der Welt schaffen wird man das Problem aber nicht, so oder so. Denn warum seit längerem nicht wenige Polizisten rassistisch und rechtsextrem unterwegs sind, wo die Schnittmengen zu ihrer Aufgabe und dem ganz normalen nationalen Gedankengut liegen, wird sicher nicht erörtert werden. Die Gründe für die verbotenen Einstellungen fallen nicht weg: Die Kritik daran, wie mit Ausländern beziehungsweise solchen, die irgendwie so aussehen, und wie mit Kriminellen umgegangen wird - nämlich angeblich zu nachsichtig und zu wenig konsequent.

Fazit: All Cops Are Berufsfähig!

Nein, die Polizisten sind nicht "berufsunfähig", wie es die taz-Kolumnistin Hengameh Yaghoobifarah im Juni dieses Jahres schrieb. Sie versehen täglich erfolgreich ihren Dienst. Denn sie setzen die staatlichen Regeln mit ihren Gewaltmitteln durch, führen Rechtsbrecher aller Art der Justiz zu, als verdächtig eingeschätzte Personen auch mal vorsorglich. Sie schützen bedrohte Personen, kommen auf Notruf. Und wenn es die Zeit erlaubt und sich die Gelegenheit ergibt, helfen sie gern in kleinen Dingen des Alltags.

Bei ihrem Job schaffen sie sich so mehr Feinde als Freunde. Es gibt eben in dieser Gesellschaft einen Haufen Gründe, warum die staatlich definierte Freiheit des "Wollen-Dürfens" auf Widerstand stößt. Weil das grundsätzlich so ist, hören die Vergehen nicht auf. Das fängt beim Ladendiebstahl an und endet noch lange nicht bei Betrug, Erpressung, Schwarzhandel, Drogen, Raub und Mord. Immer geht es dabei ums Geld, das hierzulande die Leute sehr sorgfältig in Gewinner und Verlierer scheidet.

Aber nicht alle akzeptieren dies. Und wenn es nicht nur darum geht, schlagen Eifersucht und Fanatismus zu: die Enttäuschung über das Ausbleiben wenigstens privaten Glücks oder der Ärger über die Niederlagen des geliebten Vereins. Auch im Dauer-Programm: die Kontrolle von Demonstrationen und das Verfolgen von politisch motivierten Straftaten.

Nicht wenige Polizisten frustriert ihre Sisyphos-Arbeit.4. Wie sie sich die ständige Wiederkehr der Rechtsbrüche erklären, wird in der Öffentlichkeit nicht bekannt, entsprechend auch nicht diskutiert. Eine Ahnung hat Polizei-Forscher Rafael Behr, der auf den Begriff "Dominanzkultur" der Psychologin Birgit Rommelspacher verweist:

"Bei vielen Polizistinnen und Polizisten gibt es die klare Vorstellung: Wir sind die Guten, die für das Richtige kämpfen, dort draußen sind die Feinde. Es gibt auch die Denke: Wir vertreten die Herrschaft, Ihr seid die Herrschaftsunterworfenen."

Die "Feinde draußen" und die "Herrschaft" über sie und alle anderen haben den Charakter von unumstößlichen Gegebenheiten. Es ist halt so: Hier der Staat, gleichbedeutend mit "das Richtige", dort die Feinde, die offenbar "das Falsche" wollen. Warum das Richtige zuverlässig das Falsche provoziert, wird nicht hinterfragt.

Wenn es allerdings ständig zu viele Falsche sind, derer man nicht habhaft wird beziehungsweise die wieder frei kommen, werden Polizisten kritisch: Klagen über zu wenig Personal und Mittel folgen, und Zweifel an der richtigen Rechtsprechung werden laut. Übergänge zu rechtsextremer Kritik am "schwachen Staat" liegen nahe. Weitere Andockstellen bilden der ganz normale Nationalismus der "Bürger in Uniform", der Ausländern mit den ganz normalen Vorbehalten begegnet und dies mit den Ermittlungserfahrungen zu einem Muster gestaltet: "racial profiling".

In ihrer heftig kritisierten Kolumne hatte die taz-Autorin Yaghoobifarah überlegt, was wohl mit Polizisten anzufangen wäre, wenn sie ihre staatstragende Aufgabe nicht mehr hätten. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wenn es die Gesellschaft nicht mehr gibt, die eine solche Polizei braucht - das wäre was.