Die Stunde der Xenoarchäologen

Seite 2: Artefakte im Okular

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Außerirdische Artefakte mit einem Superteleskop auflösen und fotografieren würde auch Antoine Labeyrie gerne, der sich als Spezialist für optische Fragen in der beobachtenden Astronomie einen Namen gemacht hat, entwickelte er doch die Speckle-Interferometrie, ein Verfahren, das atmosphärische Störungen ausgleicht und die Qualität von Bildern erdgebundener Teleskope erheblich steigert.

Außerirdisch ist dieses Reptil artige Gebilde in jeder Hinsicht. Bei ihm handelt es jedoch nicht um eine Artefakt ähnliche Struktur, sondern um eine sechs Kilometer lange Sanddüne auf dem Mars. Bild: NASA/JPL-Caltech/ASU

Das Hyperteleskop, das ihm vorschwebt, trägt den vorläufigen Namen Exo Earth Imager (EEI) und soll einmal als überdimensional großes Interferometer-Teleskop in der Erdumlaufbahn seine Kreise ziehen, wo es auch zusammengesetzt werden soll. Basierend auf Kalkulationen und Simulationen traut Labeyrie seinem Traumteleskop zu, einen 30 Lichtjahre entfernten Exoplaneten aufzuspüren und detaillierte Strukturen auf dem Zielplaneten auszumachen, möglicherweise sogar Artefakte.

Auf dem Zeichenbrett Labeyries hat der Exo Earth Imager schon anschauliche Formen angenommen. So sieht sein jüngster Entwurf eine Flotte von 10.000 Drei-Meter-Spiegeln vor, die sich in einer sphärischen Blase verteilen, die einen Durchmesser von sage und schreibe 400 Kilometern hat. Alle Teilspiegel werden im Orbit dergestalt geschickt zueinander positioniert, dass sich das gesammelte Licht in einem Brennpunkt bündelt. Die einzelnen Teleskope verschmelzen dabei zu einem gigantischen Spiegel, der ein Gebiet von 8.000 Quadratkilometern abdeckt.

Auch der italienische SETI-Astronom Claudio Maccone denkt an ein futuristisches Objekt, das in ferner Zukunft einmal drei Lichttage von der Erde entfernt im All schweben und nach intelligenten fernen Kulturen und deren Artefakte Ausschau halten soll. Was spräche dagegen, fragte sich Maccone, am Rande des Sonnensystems eine mit Teleskopen bestückte Raumsonde zu stationieren, die unter Anwendung des Gravitationslinseneffekts astronomische Observationen von kaum vorstellbarer Präzision erlaubt? Dahin, wo der Brennpunkt der Sonne liegt, hinein in jenes Niemandsland abseits des Sonnensystems, wo die solare Gravitationslinse dank der Schwerkraft der Sonne die von anderen Sternen eintreffende elektromagnetische Strahlung inklusive aller Radiowellen bündelt, konzentriert und vor allem verstärkt - ähnlich einer optischen Linse.

82 Milliarden Kilometer von unserer Sonne entfernt befinden sich die Brennpunkte unserer Sonne. Würde man dorthin ein sensibles astronomisches Gerät verfrachten, könnte es laut Maccone Städte und technische Details, sprich Artekfakte ausfindig machen. Bild: NASA/ESA

Drei Lichttage von der Erde entfernt, aber immer noch erheblich näher als der erdnächste Stern Proxima Centauri, befindet sich eine ganze Sphäre von Brennpunkten, die zahllose Bilder von Sternen und Galaxien generieren. Die von unserem Heimatstern am Sonnenrand abgelenkten Strahlen fokussieren sich hier in einem Raumbereich, dessen Form am ehesten mit einer Kugelschale beschrieben werden kann, der jedoch weit außerhalb unseres Sonnensystems liegt - 82 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt: 14 mal weiter entfernt als Pluto von der Sonne. Alle observierten kosmischen Objekte, ob Planeten, Sterne oder Galaxien, sind in puncto Auflösung kraft der solaren Linse eine Million Mal schärfer als die Bilder aller optischen Teleskope auf der Erde zusammen.

Einmal im 82 Milliarden Kilometer entfernten Zielgebiet angekommen, würden die Teleskope in Aktion treten und nahezu alle wichtigen Bereiche des elektromagnetischen Spektrums abtasten und analysieren. Dann wären einige kleinere astronomische Revolutionen programmiert. Maccone weist darauf hin, dass es infolge der unglaublichen optischen Auflösung von FOCAL durchaus möglich sei, Städte auf erdnahen extrasolaren Planeten auszumachen, aber auch größere Details wie Fahrzeuge - also Artefakte par excellence.

SAAM

Aber warum in die weite Ferne schweifen und den Mars, ja in Zukunft sogar ferne Planeten mit Sonden und Teleskopen observieren, wenn die künstlichen Objekte der Begierde sozusagen vor unserer planetaren Haustüre liegen, wenn außerirdische Artefakte dereinst auf dem Mond verstaut wurden. Beseelt und angetrieben von diesem Gedanken rief der ukrainische Radioastronom Alexey V. Arkhipov 1992 das privat organisierte SAAM-Projekt ins Leben, das gewissermaßen ein Teilbereich des SETA-Programms ist und unter der Federführung des "Research Institute on Anomalous Phenomena" (RIAP) steht, dem wiederum Arkhipov vorsteht.

SAAM ist das Akronym für "Search for Alien Artifacts on the Moon". Der Name ist Programm. Um auf der Suche nach lunaren extraterrestrischen Artefakten wissenschaftlich fundierte Daten zu sammeln, etablierte das RIAP-Institut ein Netzwerk, dem Wissenschaftler in Belarus (Weißrussland) und Astronomen der American Lunar Society sowie der ALPO, der Association of Lunar&Planetary Observers am Department of Planetary Sciences an der University of Arizona in Tucson (USA) angehören. Es ist eine bunte Forscher-Truppe, die den Mond mit den unterschiedlichsten Teleskopen permanent observiert und auch alte Satellitendaten von Mondorbitern akribisch auswertet.

Schwerpunktmäßig richtet sich ihr Fokus dabei auf bislang unbekannte temporäre Leuchterscheinungen auf der Mondoberfläche, die sich in Form von lokalen Helligkeits- oder Farbveränderungen zeigen und von denen schätzungsweise 1.500 registriert wurden. Mondsüchtige beobachteten diese Ereignisse in erster Linie in den großen Mondkratern Aristarchus, Gassendi, Furnerius und Stevinus.

Der Aristarchus Krater - aufgenommen vom NASA-Mondorbiter Lunar Reconnaissance Orbiter. Der Krater hat einen Durchmesser von 40 Kilometer und eine Tiefe von 3,5 Kilometer. Bild: NASA/GSFC/Arizona State University

Was die Herkunft und wahre Natur dieses Phänomens angelangt, existiert bis heute kein einheitliches Erklärungsmodell. Ob solche LTPs (Lunar Transient Phenomena) durch Restvulkanismus, lunare Gasausbrüche, elektrische Entladungen oder Meteoriteneinschläge hervorgerufen werden, diskutieren Wissenschaftler weltweit kontrovers. Arkhipov indes hat eine andere Erklärung parat.

Die sternähnlichen Phänomene auf der lunaren Oberfläche, die 20 bis 60 Minuten dauern, könnten möglicherweise Artefakte auf dem Mond sein. Ein auf dem Mond installierter Spiegel würde das Licht der Sonne auf diese Weise reflektieren.

Laut Arkhipov mehren sich auch Berichte von nächtlichen Lichtpunkt-Phänomenen auf dem Mond, die sich über einen Zeitraum von 15 Minuten bis zwei Stunden erstrecken. Da die ungewöhnliche Länge dieser LTP-Phänomene mit den bisherigen Erklärungsmodellen nicht in Einklang zu bringen ist, könnten einige dieser Erscheinungen nach Ansicht des ukrainischen Astronomen durchaus künstlichen Ursprungs sein.

Lunare Anomalien

Es liegt in der Natur der Sache, dass derjenige, der nach Anomalien sucht, die selbigen auch finden wird. So verwundert es nicht, dass vornehmlich Präastronautik-Fans immer wieder auf lunare Anomalien hinweisen, die mit keinem bekannten Naturphänomen korrespondieren. So verweist der bekennende Paläo-SETI-Anhänger und Mond-Verschwörungstheoretiker Gernot L. Geise auf ruinenähnliche Formationen und quasi-rechteckige Muster von Einsenkungen ("recdeps"). Rund 69 Prozent aller ruinenähnlichen Objekte, so der Autor, zählen zu diesem Typus. Ferner bestünden 30 Prozent der ruinenähnlichen Strukturen aus quasi-rechteckigen Liniengitter ("reclats"), einem "Komplex von verflochtenen, gebrochenen Gebirgskämmen oder Furchen".

Auch am Rande des auf der Rückseite des Mondes gelegenen Kraters Lobachevsky fotografierten Astronomen vor knapp 50 Jahren ein Gebilde, dass sich möglicherweise bewegt - vom oberen Wallrand zum Kraterboden hin. Ein Meteoriteneinschlag könne nicht der Grund dieses Phänomens sein, da offenbar eine Spur zum oberen Kraterrand führe. Geise macht darüber hinaus auf ein Video aus Japan aufmerksam, das mit einem Teleskop aufgenommen wurde. Auf ihm ist ein so genannter Fastwalker zu sehen. Auch dieses unbekannte Objekt scheint sich ebenfalls über der Mondoberfläche zu bewegen. Auf das Problem der "Fast Moving Objects" (FMO) geht sogar Arkhipov in einem weiteren Fachaufsatz ein. Hierbei handelt es sich anscheinend um Objekte, die sich entweder auf oder etliche Meter über der Mondoberfläche schnell bewegen. Maximal eine Minute dauert ein FMO, hinter dem der ukrainische Wissenschaftler gleichwohl ein natürliches Phänomen vermutet.

Ein andere auffallende Anomalie sind laut Giese die "Domes", kuppelartige, runde Gebilde von unterschiedlicher Größe, die sich über den Mond erstrecken und von denen inzwischen Hunderte bekannt sind. Giese erwähnt zudem auch nochmals die von dem US-Forscher Steven Wingate 1997 in die Diskussion gebrachte Anomalie, die auf einem Bild zu sehen ist, das während der Apollo-16-Mission auf der Rückseite des Mondes aufgenommen wurde. Hier wurde angeblich ein unbekanntes, im Wall des Kraters Lobachevsky befindliches Objekt in einer kleinen Vertiefung fotografiert (siehe Bild).

Ob auf diesem Apollo-16-Bild wirklich eine Anomalie zu sehen ist, wie viele annehmen, liegt im Auge des Betrachters. Bild: NASA

Die seinerzeit angeführte Erklärung des Piloten der Kommandokapsel von Apollo 16, Ken Mattingly, wonach das Objekt möglicherweise nichts anderes als ein dunklerer Lavafluss sei, hält Giese für unzureichend:

Es ist allerdings fraglich, wie in einen Kraterwall flüssige Lava hinein kommen soll. Für diese "Anomalie" gibt es bisher keine Erklärung. Vergleiche mit neueren Aufnahmen der Mondsonde Clementine zeigen, dass das Objekt heute ganz anders aussieht. Kein Wunder, liegen doch zwischen den Bildern rund fünfundzwanzig Jahre. Welches (bewegliche) Objekt verharrt so lange auf der Stelle? Vergleicht man die Bilder, so sieht das Objekt auf den Clementine-Bildern aus wie eine Art Stolleneingang.

Gieses Begeisterung für SETA in Ehren - sich bei vermeintlichen Anomalien mit vorschnellen Interpretationen in Zurückhaltung zu üben, scheint in Anbetracht des heiklen Sujets angebracht und ratsam. Es liegt nämlich in der delikaten Natur des Themas, dass hierzu im Internet unzählige unsinnige Foto-Interpretationen und teilweise auch bewusste Fälschungen kursieren, die amateurhafte, bestenfalls semi-professionelle Züge haben.

Dieses Bild wurde von Mars Global Surveyor (MGS) mit seiner hochsensiblen Kamera MOC am 21. Mai 1999 aufgenommen. Was wie eine Ansammlung kleiner Felsmonolithen aussieht, sind in Wahrheit nur Marsdünen, die für ihre bizarren Strukturen bekannt sind. Bild: NASA

Selbst ernannte Experten oder Amateur-Wissenschaftler nehmen undeutliche Pixel und auf den ersten Blick bizarr aussehende Strukturen eben anderes wahr als professionell und wissenschaftlich geschulte Beobachter. So geschehen 1966, als vermeintlich pyramidenförmige und turmartige Strukturen (Blair Cuspids) auf dem Mond entdeckt wurden. Seinerzeit war die Aufregung groß. Inzwischen jedoch besagen wissenschaftliche Studien, dass es sich hierbei um ganz normales, gleichwohl relativ großes Vulkangestein handelt, das einst von einem Krater im Nordosten ausgeworfen wurde.