"Die Trommelschläge des Kriegs müssen Worten des Friedens weichen"
Seite 2: Wie ist ein gerechter und dauerhafter Frieden in der Ukraine zu erreichen?
- "Die Trommelschläge des Kriegs müssen Worten des Friedens weichen"
- Wie ist ein gerechter und dauerhafter Frieden in der Ukraine zu erreichen?
- Warum die Einwände gegen Friedensverhandlungen nicht greifen
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Erklärung der Teilnehmer der Studiengruppe Wissenschaft und Ethik des Glücks; Treffen in der Casina Pio IV, Vatikanstadt, 6. bis 7. Juni 2022
"Jesus lehrte die Welt, dass Friedensstifter gesegnet sind, denn sie sind Kinder Gottes. Während der Krieg in der Ukraine tobt, braucht die Welt Friedensstifter, die den Kriegsparteien helfen, statt eines anhaltenden Konflikts den Frieden zu wählen. Die USA, die Europäische Union, die Türkei, China und andere Länder sollten den beiden Seiten helfen, sich mit einem ausgehandelten Friedensabkommen sicher zu fühlen.
Für die Ukraine bedeutet Sicherheit, dass auf ein Friedensabkommen keine erneuten russischen Drohungen oder Übergriffe folgen werden. Für Russland bedeutet Sicherheit, dass ihrem Rückzug aus der Ukraine nicht die Osterweiterung der Nato und schwere Bewaffnung der Ukraine folgen werden. Kurz gesagt bedeutet Frieden eine neutrale Ukraine, deren Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität gesichert ist.
Papst Franziskus hat sein Plädoyer für Frieden klar und kraftvoll formuliert: "Ich erneuere meinen Appell an die Regierenden der Nationen: Führt die Menschheit nicht in den Ruin. Bitte! Führt die Menschheit nicht in den Ruin!"
Seine Allheiligkeit, der ökumenische Patriarch Bartholomäus, hat erklärt: "Wir rufen alle beteiligten Parteien auf, diesen Weg des Dialogs und der Achtung des Völkerrechts fortzusetzen, um den Konflikt zu beenden und allen Ukrainern ein harmonisches Leben zu ermöglichen. Waffen sind nicht die Lösung."
Ziel der Friedensstiftung in der Ukraine ist nicht nur ein negativer Frieden – ein Frieden ohne Gerechtigkeit –, sondern ein positiver Frieden, der entschieden auf den vier Säulen der moralischen Beziehungen zwischen den Staaten beruht, die der heilige Johannes XXIII. in seinem maßgeblichen "Pacem in Terris" anerkannt hat: Wahrheit, Gerechtigkeit, bereitwillige Zusammenarbeit und Freiheit (Paragraf 80). Derartige moralische Beziehungen sind nicht nur zwischen Russland und der Ukraine notwendig, sondern auch zwischen Russland, den USA und der Europäischen Union.
Russlands Invasion der Ukraine ist zweifellos eine abscheuliche Verletzung der UN-Charta und des Völkerrechts. Russlands Differenzen mit der Ukraine hätten sicherlich durch vom UN-Sicherheitsrat unterstützte Verhandlungen unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen aller Länder beigelegt werden müssen.
Nun sollten die düsteren Gegebenheiten der andauernden Schlacht, bei der wahrscheinlich keine Seite einen entscheidenden militärischen Sieg erringen wird, beide Seiten so schnell wie möglich an den Verhandlungstisch bringen, um die Verlängerung des Kriegs zu verhindern und einen Frieden mit Gerechtigkeit zu erreichen.
Der Krieg in der Ukraine wird sich wahrscheinlich zu einem Zermürbungskrieg entwickeln und statt als offener Sieg einer Seite über die andere als eingefrorener Konflikt oder als ausgehandelter Frieden enden. Ein ausgehandelter Frieden wäre ein besseres Ergebnis als die Opfer eines Zermürbungskriegs und eines eingefrorenen Konflikts sowohl für die Völker als auch für die Regierungen der Ukraine, Russlands, der USA und der EU und des Rests der Welt.
Wenn der Krieg als eingefrorener Konflikt endet, besetzte Russland weiterhin einen beträchtlichen Teil der Ost- und Südukraine, während die westlichen Sanktionen gegen Russland in Kraft blieben. Handel und Investitionen zwischen Russland und dem Westen blieben blockiert, was zu einem allgemeinen Rückgang des Welthandels und der Entwicklung führte. Waffen und Militärpersonal würden auch weiterhin aus externen Quellen in die Ukraine fließen.
Sollte der Krieg stattdessen in einem ausgehandelten Frieden enden, würden weitere schwere Verluste unter der Zivilbevölkerung der Ukraine und den Militärs beider Seiten vermieden und die Existenz und Unabhängigkeit des ukrainischen Staats könnte gegen äußere Umsturzversuche gesichert werden.
Die meisten der von Russland besetzten Regionen kehrten unter ukrainische Staatshoheit zurück, bestimmte Regionen könnten besonderen Vorschriften unterliegen, das russische Militär würde abgezogen und die westlichen Sanktionen würden aufgehoben, was den Wiederaufbau und ein höheres Sicherheitsniveaus für alle Akteure in der ukrainischen Gesellschaft und den Nachbarländern ermöglichen würde.
Die Basis für ein mögliches Friedensabkommen wurden in der zweiten Märzhälfte skizziert, als bei Verhandlungen beide Seiten gute Fortschritte meldeten, sowie in jüngster Zeit in Italiens Vorschlag eines vierteiligen Friedensplans Ende Mai. In den Verhandlungen in der zweiten Märzhälfte schlug die Ukraine vier Punkte für eine Friedensregelung vor: Neutralität; internationale Sicherheitsgarantien für die Ukraine; einen ausgedehnten Zeitrahmen, um den Status der Krim abschließend festzulegen; und Verhandlungen über "die komplexen Fragen des Donbass".
Auch Italiens Friedensplan hat vier Punkte: Waffenstillstand; Neutralität der Ukraine; laufende Verhandlungen über die Krim und den Donbass; und multilaterale Verhandlungen innerhalb der OSZE sowie zwischen Russland und der Nato über regionale Sicherheitsvereinbarungen.
Während wir uns auf die praktische Weisheit (Phronese) der gesegneten Friedensstifter stützen, basierend auf den feststellbaren Wurzeln des Konflikts, den Verhandlungen im März und den bisherigen Friedensinitiativen, schlagen wir die folgenden Richtgrößen für einen Waffenstillstand und ein positives Friedensabkommen vor:
Neutralität der Ukraine, das heißt der Verzicht auf den staatlichen Ehrgeiz, der Nato beizutreten, bei gleichzeitiger Anerkennung der Freiheit der Ukraine, Abkommen mit der Europäischen Union und anderen abzuschließen;
- Sicherheitsgarantien für Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine durch die fünf ständigen Mitglieder der Vereinten Nationen (P-5: China, Frankreich, Russland, Großbritannien und Vereinigte Staaten) sowie der Europäischen Union und der Türkei, was militärische Transparenz und Beschränkungen der Stationierung von Militär und groß angelegter Übungen in Grenzgebieten unter internationaler Beobachtung im Zusammenhang mit der Aufhebung von Wirtschaftssanktionen beinhalten könnte;
- Russische De-facto-Kontrolle der Krim für einen Zeitraum von Jahren, danach würden die Parteien auf diplomatischem Weg eine dauerhafte De-jure-Lösung anstreben, die den erleichterten Zugang für lokale Gemeinschaften sowohl zur Ukraine als auch zu Russland, eine liberale Grenzübergangspolitik für Personen und Handel, die Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte und finanzielle Entschädigungen einschließen könnte; Autonomie der Regionen Lugansk und Donezk innerhalb der Ukraine, die wirtschaftliche, politische und kulturelle Aspekte einschließen könnte, die kurzfristig genauer festgelegt werden;
- Garantierter wirtschaftlicher Zugang sowohl der Ukraine als auch Russlands zu den Schwarzmeerhäfen beider Länder;
- Die schrittweise Aufhebung der westlichen Sanktionen gegen Russland verknüpft mit dem Rückzug des russischen Militärs gemäß dem Abkommen;
- Einen multilateralen Fonds für Wiederaufbau und Entwicklung der vom Krieg gezeichneten Regionen der Ukraine – an dem auch Russland beteiligt ist – und sofortigen Zugang für humanitäre Hilfe;
- Eine Resolution des UN-Sicherheitsrats zur Bereitstellung internationaler Überwachungsmechanismen zur Unterstützung des Friedensabkommens.