Die US-Regierung im Kampf mit den Medien

Nachdem der (Kreuz)Zug nach Bagdad nicht so schnell wie erwartet ging, gerät die US-Regierung in Erklärungsnöte

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Die US-Regierung gerät offenbar schon nach wenigen Tagen des Krieges in Nöten. Der Vormarsch auf Bagdad traf auf anscheinend unerwartete Hindernisse, die Bombardements der Städte führen zu zahlreichen Toten und Verletzten unter den Zivilisten, noch ist wenig vom Jubel der befreiten Iraker zu sehen, anders als in Afghanistan steigt die Zahl der Opfer bei den eigenen Truppen und die Medienöffentlichkeit ist trotz aller Vorbereitungen und zahmen amerikanischen Medien nicht richtig in den Griff zu bekommen.

Satellitenbild von Bagdad, aufgenommen am 27. März. In der Nähe einer Raffinerie brennt Öl in Gräben. Bild: DigitalGlobe

Deutlich ist geworden, dass man sich im Pentagon die Invasion doch sehr anders vorgestellt haben muss. Vermutlich dachte man, dass im Land kein nennenswerter Widerstand zu erwarten ist, die Menschen begeistert die Truppen aufnehmen, die Armee überläuft und größere Schwierigkeiten höchstens im Stadtkampf in Bagdad zu erwarten seien. Die große Hoffnung, die den schnellen Start des Angriffs erklärt, bestand darin, Saddam und die Spitze des Regimes gleich mit den ersten Raketen zu treffen und so das Land zu "enthaupten". Jetzt sollen Sonder- oder Killerkommandos des CIA unterwegs sein, um die Elite des Regimes zu eliminieren.

Verschont hat man zunächst selbst die Sendeanlagen der irakischen Medien, die man vermutlich gleich übernehmen wollte. Auch wenn die Regierungsmitglieder natürlich sich nie öffentlich auf einen Zeitplan festlegten und auch sagten, dass man nicht wisse, wie lange ein Krieg werden könne, wurde doch die Erwartung geschürt, dass mit der gewaltigen Überlegenheit der Koalitionstruppen der durch die Bombardierung 1991 und das folgende Embargo geschwächte Gegner in einem Blitzkrieg aus dem Sattel geschossen werden könnte.

Doch die Schwierigkeiten begannen schon im Vorfeld damit, dass man sich im Sicherheitsrat nicht durchsetzen konnte und die Türkei keine Truppen ins Land ließ. Da man allmählich entdeckte, dass die politischen Strukturen im Irak nicht ganz einfach wegen der zahlreichen Kräfte sind, die eigene Interessen verfolgen, setzte man auf eine Militärregierung. Das aber ließ die Kritik nur stärker werden und förderte auch nicht die Unterstützung durch die Gegner des Hussein-Regimes im Lande. Dann kamen die ersten Zeichen größeren Widerstands, die Taktik der irakischen Militärs, den freien Raum zu räumen, Zeit zu schinden und sich in den Städten zu verschanzen, das Setzen nicht auf frontalen Angriff, sondern auf Guerilla-Taktiken mit kleinen Verbänden, die aus dem Hinterhalt zuschlagen, und das Dilemma der alliierten Truppen, nicht wirklich brutal vorgehen zu können. Nach dem ersten Selbstmordanschlag könnte nun, wenn tatsächlich weitere, wie das irakische Regime angedroht hat, folgen werden, noch eine neue Dimension der Bedrohung eintreten, die die "Shock and awe"-Taktik gegen die Angreifer wendet.

Da man als Befreier auftreten will und gegenüber der Weltöffentlichkeit stets nur die hehrsten Ziele geltend gemacht hat, müssen unter der Dauerbeobachtung der Medien Zivilisten möglichst geschont werden. Bomben, die auf Märkte niedergehen und Dutzende von Menschen töten, fördern das Hussein-Regime und führen zu Legitimationsproblemen, die sich nicht aus der Welt schaffen lassen, indem man behauptet, man wisse nicht, ob das eigene Raketen waren oder nicht vielleicht doch irakische. Solche Taktiken des Leugnens und Herausziehens, bis man die Wahrheit dann doch einräumen muss, verschlimmern vermutlich die Lage an der Informationsfront eher, als sie zu bessern. Da müssten die für Psychologische Kriegsführung und Informationsoperationen zuständigen Medienexperten des Pentagon wohl noch umdenken und sich der neuen Zeit anpassen.

Nachdem aber nun auch die durch Einbettung nicht völlig eingelullten Medien nicht mehr umhin können, nicht mehr nur Erfolgsmeldungen über den schnellen Marsch auf Bagdad - oder den Kreuzzug zur Befreiung Bagdads - und die vielen Kriegsgefangenen berichten zu können, während sich Informationen aus den Militärkreisen oft bestenfalls als Halbwahrheiten erwiesen hatten, sucht man sich in der Bush-Regierung anscheinend damit zu verteidigen, dass doch alles weitgehend nach Plan verlaufe, aber die Medien falsche Erwartungen geschürt hätten.

Den arabischen Sendern vorzuwerfen, sie würden zu Helfern der irakischen Propaganda werden, oder al-Dschasira zu beschuldigen, die plötzlich entdeckte Genfer Konvention über den Umgang mit Kriegsgefangenen durch das Senden von Bilder verletzt zu haben, auf denen amerikanische Kriegsgefangene und getötete Soldaten zu sehen waren, ging auch eher nach hinten los, zumal die US-Regierung mit der Behandlung der Gefangenen im Afghanistan-Krieg nicht gerade als Vorbild bezeichnet werden kann, da man diesen den Status von Kriegsgefangenen abgesprochen hat und das Pentagon selbst die ersten Bilder von Gefangenen in Guantanamo zeigten, die ebenfalls im Sinne der US-Regierung jetzt die Genfer Konvention verletzt hatten.

Dazu kommen noch Horrorstories von Todesschwadronen und Kriegsverbrechen, mit denen man, wie Vizeverteidigungsminister sagte, nicht gerechnet habe: "We probably did underestimate the willingness of this regime to commit war crimes. I don't think we anticipated so many people who would pretend to surrender and then shoot. I don't think we anticipated such a level of execution squads inside Basra." Das ist natürlich geradezu absurd, nachdem das Hussein-Regime ja hinreichend lange und ausführlich als besonders schreckliche Diktatur dämonisiert wurde. Das war gerade eines der Argumente für den Einmarsch und den Sturz der Regierung, so dass jetzt der Hinweis auf unvermutet eingesetzte Guerilla-Taktiken als Ursache von Verzögerungen kaum überzeugend wirkt.

"Why don't you show us video film about the military actions or fighting occurring in battlefield, especially about destroying Iraqi tanks and defeating counterattack or something like that, if there was successful operation?

GEN. BROOKS: Well, Ahmed (ph), the primary reason is it's just harder to get that footage back here. I mean, it's much further out and our lines are -- we're challenged on being able to move those sorts of things when we have much higher priorities for what should be moved. That's part of it.

Also, the nature of the combat action that occurs up in the line is brutal in some cases. We take people into custody. They become prisoners of war. We don't film prisoners of war. And, so all these dynamics that happen up inside of there make it a bit more challenging for us to show it. We certainly aren't hiding anything. It's just something we don't have in our possession to be able to show." - Pressekonferenz am 28.3.

General Myers sagte, dass das Regime die Kontrolle über das Land zunehmend verliere. Jetzt schon seien 35-40 Prozent des Landes unter der Kontrolle der Alliierten :

"Das Regime, das einst ganz Irak terrorisiert hat, kontrolliert jetzt nur noch einen kleinen Teil des Landes. Die Koalitionstruppen setzen ihren kontinuierlichen Vormarsch vor und rücken in die Nähe von Bagdad vor."

Alles sei "on track". Dass alles noch nach Plan verlaufe und dieser flexibel ist, wurde in den letzten Tagen überhaupt zur Standardantwort. Brigageneral Vincent sagte, man habe nicht "notwendigerweise" die Stärke des Gegners unterschätzt. Immerhin räumte bislang als einziger General William S. Wallace, der Kommandant der US-Bodentruppen, ein, dass man die Kampftaktik der irakischen Truppen von dem abweichen, was man geübt hatte. Dass man weitgehend die Teile des Landes eingenommen hat, die von irakischen Verbänden nicht oder kaum verteidigt wurden, wird nicht erwähnt. Dass auch hier weiterhin Angriffe aus dem Hinterhalt erfolgen können, geht in der Erfolgsmeldung ebenfalls unter.

Verteidigungsminister sucht Rettung vor Kritik hinter dem Versuch, sich vor der Presse über "Stimmungsschwankungen" der Medien lustig zu machen. Die hätten in den wenigen Tagen des Kriegs zwischen "Hochs und Tiefs und wieder zurück - und dies manchmal innerhalb von 24 Stunden" geschwankt und überhaupt durch die "riesige Fernsehberichterstattung und die atemlosen Berichte" zur Orientierungslosigkeit beigetragen, da dadurch wohl der offizielle Erfolg des stetigen Vormarsches nach Bagdad nicht gebührend gewürdigt wurde.

Rumsfeld verwies - ebenso wie Ari Fleischer - darauf, dass die Medien mit ähnlichen Erwartungen auf einen schnellen Ausgang zu Beginn des Afghanistan-Krieges hätten und schon von einem Alptraum gesprochen hätten, obwohl kurz darauf bereits die ersten Städte erobert wurden. Weil er aber die Medien und ihre Experten nicht daran hindern könne, dass sie sagen, was sie sagen wollen, würden auch die Menschen durch die stetige Wiederholung daran glauben. Die permanente Wiederholung von Aussagen zum Irak-Krieg, gleich ob sie zutrafen oder nicht, war vor allem auch das Konzept der US-Regierung zur Beeinflussung der Öffentlichkeit.

Rumsfeld weist auch auf die "Todesschwadronen" hin, die daran Schuld seien, dass die Angreifer nicht von der Bevölkerung als Befreier begrüßt werden:

"Jeden Tag kommen mehr Koalitionstruppen ins Land, und jeden Tag ergeben sich mehr irakische Truppen. Das Regime weiß dies. Sie haben bereits Todesschwadronen in irakischen Städten eingesetzt, um die Zivilisten zu terrorisieren und um zu versuchen, diese daran zu hindern, die Koalitionstruppen willkommen zu heißen."

Auch Präsident Bush reagierte ärgerlich auf Fragen auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Tony Blair. Man werde so lange kämpfen, bis das Regime besiegt und der Irak befreit sei: "That's the answer to your question and that's what you've got to know." Obgleich keineswegs eine gesicherte Erkenntnis, führten beide Staatschefs für die Brutalität des Regimes an, dass - auch unbewaffnete - Soldaten hingerichtet worden sein (Fallen der Propaganda). Bush wiederholte ohne weitere Beweise den Vorwurf in seiner gestrigen Rede. Immerhin räumte Bush im Gegensatz zu Wolfowitz ein, man sei nicht überrascht, dass das Hussein-Regime Kriegsverbrechen begehe.

Kritisches oder Bedenkliches wird man von US-Präsident Bush nicht erwarten können, der wie gewohnt in scharfem Schwarz-Weiß-Kontrast den Krieg zwischen den Guten und den Bösen schildert und Propaganda at it's best betreibt:

"The contrast could not be greater between the honorable conduct of our forces and the criminal acts of the enemy. Every Iraqi atrocity has confirmed the justice and the urgency of our cause. Against this enemy we will accept no outcome except complete victory."