Die Ukraine, die Linkspartei und die doppelte "Querfront"
In Bremen wollen Linke mit Regierungsparteien demonstrieren. In Berlin droht der "Aufstand für Frieden" von Rechten gekapert zu werden. Die Bewertung ist unterschiedlich.
"Es ist zum Heulen, was der Angriffskrieg auf die Ukraine aus der Friedensbewegung in Almanya macht: Die einen sind zu weich gegen die Nato, die anderen zu weich gegen Russland" – so fasste es neulich der Berliner Linke-Politiker Ferat Kocak zusammen, der 2021 ins Abgeordnetenhaus gewählt wurde.
Beide Strömungen, die er meint, sind auch in seiner eigenen Partei und deren Umfeld vertreten. So ruft zum Beispiel der Bremer Landesvorstand der Partei Die Linke gemeinsam mit SPD, Grünen, FDP und CDU sowie dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und dem Verein "Herz für die Ukraine" zu einer Kundgebung am morgigen Jahrestag des russischen Einmarschs in das Nachbarland auf.
Dass Linke hier gemeinsam mit Parteien agieren, deren Spitzenpolitiker immer mehr Geld für Aufrüstung fordern und diplomatische Initiativen ablehnen, sorgt in Teilen der Partei auch deshalb für Irritationen, weil derart militaristische Positionen früher als rechts galten – und weil genau diejenigen, die das jetzt anders sehen, die Friedensbewegten pauschal als rechts oder mindestens als "Querfront" kritisieren.
Die für Samstag in Berlin geplante Kundgebung "Aufstand für Frieden", zu der Sahra Wagenknecht als prominente Einzelperson aus der Partei Die Linke aufruft, wird von deren Bundesvorstand wegen ihrer mangelhaften Abgrenzung nach rechts nicht unterstützt, wohl aber von weiteren Bundestagsabgeordneten der Linksfraktion, darunter Gregor Gysi, Sevim Dagdelen und Żaklin Nastić.
Tatsächlich wirkt die Aussage, dort sei "jeder willkommen, der ehrlichen Herzens für Frieden und für Verhandlungen demonstrieren möchte", wachsweich – zumal der ultrarechte Publizist Jürgen Elsässer "das patriotische Lager und das Lager der Querdenker" dazu aufgerufen hat, die Kundgebung mit Deutschlandfahnen zu "fluten".
Ist Burgfrieden gleich links, weil die AfD außen vor bleibt?
Allerdings haben die Initiatorinnen nicht gemeinsam mit Elsässer, der AfD oder der "Querdenker"-Partei Die Basis zu der Kundgebung aufgerufen. Und selbst das wäre wohl für einen Teil der "Kritiker" aus dem bürgerlichen Lager nicht das Hauptproblem – sondern die Tatsache, dass hier ein Engagement der Bundesregierung für Friedensverhandlungen gefordert wird.
Allein das Wort löst in Kreisen von Grünen, FDP und CDU oft Reflexe der Empörung aus – wer es ausspricht, muss mit dem Vorwurf der Feindbegünstigung rechnen; und genau das kritisieren antimilitaristische Linke als Rechtsentwicklung.
Sie lehnen eine Politik des "Burgfriedens" mit diesen Parteien ab. Zumal SPD-Politiker zuletzt ein Sondervermögen von 300 Milliarden statt 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung der bisher nicht am Ukraine-Krieg beteiligten Bundeswehr ins Gespräch brachten, halten "unverbesserliche" Linke deren Kurs auch nicht für vereinbar mit sozialen Belangen oder schnelleren Fortschritten beim Klimaschutz.
Antimilitaristische Linke warnen aber zugleich entschieden vor einer "Querfront" mit völkischen Rechten, die ihre Nato-Kritik rein nationalistisch begründen.
Die Berliner Landesspitze der Linkspartei will unterdessen am Freitag vor der Botschaft der Russischen Föderation in der deutschen Hauptstadt demonstrieren. "Wir stehen solidarisch an der Seite der Bevölkerung in der Ukraine. Dazu fordern wir einen Stopp des russischen Angriffskriegs, den Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine und diplomatische Initiativen für einen dauerhaften Frieden", teilte die Berliner Landesvorsitzende Katina Schubert dazu mit.
Dabei sein werden auch Klaus Lederer, Kultursenator und Spitzenkandidat bei der Abgeordnetenhauswahl, sowie die Berliner Sozialsenatorin und frühere Ko-Parteichefin Katja Kipping. Die Redebeiträge und deren Gewichtung dürfen mit Spannung erwartet werden.
In einem Debattenbeitrag mit der Überschrift "Ukraine-Krieg: Die Linke macht sich überflüssig" fordert Michael Brie in der parteinahen Tageszeitung ND aktuell einen Sonderparteitag zur Friedensfrage, weil sich der Vorstand "unfähig zu eindeutiger Mobilisierung" für die Demonstration unter dem Motto "Aufstand für Frieden" am 25. Februar gezeigt habe.