Die falsche Hoffnung auf eine sinkende Inflationsrate

Seite 2: EZB: Freihändiges Jonglieren

Denn in der Frankfurter EZB, wo man es sehenden Auges zugelassen hat, dass die Inflation aus dem Ruder läuft, wird nur noch freihändig jongliert, Steuerungslos kann die Notenbank aber jetzt nicht wirklich umsteuern, da sonst die Zinsen für Staatsanleihen hoch oder unbezahlbar für Schuldenländer werden.

"Doch man kann nicht gleichzeitig auf die Bremse treten, um die Inflation zu senken, und Gas geben, um eine neue Euro-Schulden-Krise zu verhindern", stellt die NZZ deshalb richtig fest. Man hatte sich in Frankfurt, zunächst unter dem Italiener Mario Draghi und dann unter Lagarde Zeit durch Gelddrucken gekauft – vor allem auch zum Schutz der hochverschuldeten Heimatländer.

Aber diese Zeit wurde dann nicht genutzt, um wieder in die Spur zu kommen. Jetzt bezahlt die Zeche die Unter- und Mittelschicht mit einer immer deutlicheren Enteignung über die Inflation. Ob der Euro das überlebt, wird zunehmend fraglich.

So verweist die Zeitung - übrigens liegt die Inflationsrate in der Schweiz trotz Ukraine-Krieg und hoher Energiepreise auf dem Weltmarkt nur bei drei Prozent - auf zwei wichtige Aspekte:

Inflation ist in langer Frist eben stets auch ein monetäres Phänomen. Dieses Credo des Monetarismus galt jahrelang als Tabu. Wer es erwähnte, galt als Ewiggestriger, als einer, der die Regeln der modernen Finanzwelt nicht begriffen hatte.

NZZ

Die Notenbanken der Euro-Zone, der USA, allerdings auch der Schweiz, haben ihre Bilanzsummen seit der Finanzkrise 2008 um mehr als das Siebenfache aufgebläht. Das hat irgendwann die Folgen, die wir gerade sehen. Auf den Ukraine-Krieg oder den Brexit abzustellen, sind reine Vernebelungsstrategien.

Die NZZ verweist deshalb auch darauf, dass Schulden beim Vorgang nicht unschuldig sind:

Die zweite Illusion bestand im Glauben, Staaten, Firmen und Private könnten ihre Schulden stetig erhöhen, ohne richtig zur Kasse gebeten zu werden. Auch diese Anomalie ist vorbei. Die Inflation zwingt zur Verknappung des Geldes. Beim Anlegen wird wieder genauer hingeschaut. Investoren wollen für höhere Risiken höhere Entschädigungen, wie die steigenden Anleihezinsen zeigen.

Die Lohnpolitik

Damit ist geklärt, wo die Verantwortung zu suchen ist und warum es so falsch ist, dass man – ganz besonders im Euroraum – darauf hoffen könnte, dass die Inflation den Höhepunkt überschritten haben könnte. Diese Propaganda zielt allein darauf, die Beschäftigten in Tarifverhandlungen zu Lohnzurückhaltung zu drängen, um die angeblich so gefährliche Lohn-Preis-Spirale zu verhindern.

Doch erstens sind die Löhne nicht für die Inflation verantwortlich und zweitens haben steigende Löhne in Stagflationsphasen zuvor – worauf wir uns zubewegen – stabilisierend und nicht destabilisierend gewirkt.

Man kann auf eine Abschwächung der Teuerung eher in den USA und Großbritannien, weil dort die Notenbanken seit Monaten über das Einstellen der Anleihekaufprogramme und durch steigende Leitzinsen viel Geld vom Markt saugen.

Die US-Notenbank (FED) hat zuletzt im Mai einen großen Schluck aus der Pulle genommen und den Leitzins sogar um 0,75 Prozentpunkte auf eine Zinsspanne von 1,5 bis 1,75 Prozent angehoben. Die Bank of England (BoE) hat den Zinssatz um weitere 0,25 Prozent auf 1,25 angehoben. Es war die erste große Notenbank, die aus der Nullzins-Politik angesichts des Inflationsdruck ausgestiegen war.

Erneut sei hier noch darauf hingewiesen, dass auf den Euroraum die Energiepreise sogar inflationstreibend wirken, wenn die Öl- oder Gaspreise gar nicht steigen. Der Euro verliert immer stärker an Wert. Er hat die Paritätsmarke zum Franken schon unterschritten.

Auch zum US-Dollar nähern wir uns immer deutlicher der Parität an. Der Euro gab am Donnerstag wieder nach, da immer mehr Kapital in Länder wie die USA oder Großbritannien abwandert. Zeitweise fiel die Gemeinschaftswährung unter die Marke von 1,04 US-Dollar, die Richtung ist klar.

Da Gas und Öl in Dollar gekauft werden, steigt die Rechnung für Konsumenten im Euroraum mit einem schwächelnden Euro also weiter, auch wenn die Gas- und Ölpreise nicht steigen. Allein deshalb ist es illusorisch, auf eine bald fallende Inflation zu hoffen.

Auch hier hat es die EZB in der Hand. Doch kann Lagarde das Ruder noch herumreißen oder sind die Löcher im Rumpf des Schiffes inzwischen so groß, so dass eine Rettung praktisch unmöglich ist?