Die größten Immobilienfinanzierer der USA unter staatlicher Kontrolle
Nach der Pleite von Fannie Mae und Freddie Mac werden weltweit Banken erneut Milliarden abschreiben müssen
Trotz der ständigen Dementis aus Washington wurden erwartungsgemäß nun die beiden größten Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddi Mac unter staatliche Kontrolle gestellt, um den Zusammenbruch des Kreditmarkts zu verhindern. Mit der teuersten Rettungsaktion in der US-Geschichte führt nun die Regulierungsbehörde für Hausfinanzierungen (FHFA) dort die Geschäfte. Mit der Silver State Bank aus Nevada ging die elfte Bank in diesem Jahr pleite und wurde unter die Kontrolle des staatlichen Einlagensicherungsfonds FDIC gestellt. Beide Vorgänge belasten den Präsidentschaftskandidaten John McCain. Der predigte noch auf dem Nominierungsparteitag, der Staat solle sich aus der Wirtschaft heraushalten, um nun das staatliche Vorgehen bei Fannie und Freddie abzunicken. Dazu kommt, dass sein Sohn im Verwaltungsrat von Silver State für die Finanzaufsicht zuständig war. Nun rollt mit neuen Milliardenverlusten die zweite Welle der Finanzkrise auf die Banken weltweit zu.
Dass das Schlimmste der Finanzkrise noch aussteht, war kein Geheimnis. Am Sonntag wurden nun die halbstaatlichen Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac unter die staatlichen Fittiche genommen. Die Regulierungsbehörde für Hausfinanzierungen (FHFA) übernimmt die Kontrolle bei den großen US-Immobilienfinanzierern. Die Finanzmärkte hatten die letzten Wochen stets darauf spekuliert, dass die, die stets das freie Spiel der Märkte propagieren, auch die größten Immobilienfinanzierer der USA nicht abschmieren lassen werden. So erklären sich die erwarteten Kursgewinne an den Börsen am Montag, wie sie schon zuvor auf den asiatischen Aktienmärkten gezeigt haben.
Der US-Finanzminister Henry Paulson, der die beiden Unternehmen stets in ihrer "börsennotierten Form" erhalten wollte, um das "Vertrauen in die Stabilität des Finanzsystems und der Finanzmärkte" zu stärken (Verstaatlichung maroder US-Banken beginnt), erklärte nun: "Wir handeln aus Verantwortung für die Finanzmarktstabilität, einschließlich des Hypothekenmarktes, und um die Steuerzahler so gut wie möglich zu schützen". Es ist erstaunlich, wie man mit zwei gegensätzlichen Argumentationen für die gleichen Ziele eintreten kann. Fannie und Freddie seien "so groß und so mit dem Finanzsystem verwoben, dass das Scheitern eines der beiden große Unruhe auf unseren Finanzmarkt hier und in der ganzen Welt auslösen würde", begründete Paulson. Der Immobilienmarkt sei zur größten Belastung für die gesamte Ökonomie geworden, weshalb "sich unsere Wirtschaft und unsere Märkte nicht erholen können", bis die Bereinigung der Immobilienkrise abgeschlossen sei.
Doch auch dem Bankenausschuss im Senat kommen die Vorgänge spanisch vor. Ihr Vorsitzender Christopher Dodd kündigte an, die Regierung zu dem Rettungsplan anhören zu wollen, denn es gäbe viele offene Fragen, warum die Regierung stets erklärte, eine Übernahme von Fannie und Freddie sei nicht notwendig: "Wir müssen mehr darüber erfahren, warum sich die Regierung zu diesem Kurswechsel entschieden hat". sagte. Der Eingriff jetzt sei nötig geworden, weil die beiden Hypothekenfinanzierer ihre Bilanzen "geschönt" hätten, meldete die New York Times mit Bezug auf Angestellte in der US-Finanzverwaltung. Sie hätten Paulson seit langem zum Eingreifen gedrängt, weil die ihre Kapitalbasis in den Büchern aufgeblasen hätten.
Prinzip Hoffnung kostet den Staat viele Milliarden Dollar
Kredite, die eigentlich auf die schwarze Liste kommen, wenn die Schuldner die Raten drei Monate nicht bezahlen, seien erst nach zwei Jahren als verloren eingestuft worden. In den Bilanzen fänden sich viele wertlose Guthaben. Auch andere Verluste seien so lange wie möglich hinausgeschoben worden. Ohne die Überprüfung nach den gemeldeten Milliardenverlusten der letzten Quartale, wären diese erst 2009 zum Vorschein gekommen. Dabei sind solche Vorgänge nicht neu, denn Fannie und Freddie wurden schon 2003 zu Geldbußen verurteilt, weil sie ihre Bilanzen um Milliarden geschönt haben. “Wir mussten soeben die zwei größten Finanzinstitute der Welt verstaatlichen, weil unsere Politiker nichts unternehmen", sagte Josh Rosner. Seit 2003 sei deren Buchhaltungen zweifelhaft geführt worden, doch keine kein Politiker habe etwas unternommen, klagte der Analyst von Graham Fisher.
Erneut wird, wie bei den Rettungsaktionen von Bear Stearns und Indymac, von der Regierung und der US-Notenbank (FED) großzügig ein Netz aufgespannt, um einen harten Fall zu vermeiden. Der FED-Chef Ben Bernanke erklärte: "Ich unterstütze entschieden die Entscheidung, Fannie Mae and Freddie Mac unter Vormundschaft zu stellen sowie die Maßnahmen von Minister Paulson, um die Kreditwürdigkeit der beiden Firmen zu garantieren." Bernanke meint, diese "notwendigen Maßnahmen werden den US-Immobilienmarkt stärken und die Finanzmärkte stabilisieren".
Dabei räumte sogar Paulson Risiken für die Steuerzahler ein: "Letztlich werden die Kosten davon abhängen, wie sich die wirtschaftlichen Ergebnisse der beiden halbstaatlichen Institute entwickeln", sagte er. Schon jetzt wird der Staatshaushalt direkt mit 100 Milliarden Dollar belastet, um Vorzugsaktien der beiden Unternehmen zu kaufen. Außerdem sollen Fannie und Freddie weitere kurzfristige Kredite gewährt werden. Denn aus eigener Kraft können sie das nötige Kapital nicht mehr auftreiben, um die Milliardenverluste aus den Hypothekengeschäften zu verkraften und die bestehenden Schulden zu bedienen.
Das Vorgehen von Paulson und Bernanke ist erneut vom Prinzip Hoffnung bestimmt, dabei sehen die Rahmendaten weltweit inzwischen sogar deutlich schlechter aus, als bei allen Durchhalteparolen zuvor. Die befürchtete Domino-Rezession hat nun fast alle Industriestaaten im Griff (Die Party ist auch in Deutschland vorbei). Gerade musste die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihre Wachstumsprognose für die Eurozone von 1,7 auf 1,3 Prozent für das laufende Jahr erneut absenken.
So handelt es sich letztlich erneut um eine Beruhigungsspritze, mit der den besorgten Investoren Sicherheit vorgegaukelt werden soll. Dass die Finanz- und Immobilienkrise in den USA damit eingegrenzt wird, darf bezweifelt werden. Vielmehr handelt es sich bei einer derart drastischen Maßnahme letztlich um ein Eingeständnis, wie desaströs die Lage wirklich ist. Offiziell gehen Fannie und Freddie aber (noch) nicht in den Staatsbesitz über, gehören also angeblich weiterhin den alten Aktionären. Dass sie nach einer unbestimmten Zeit wieder als Privatfirmen überleben könnten, ist zweifelhaft. Aber auch das wäre ein fatales Signal, wenn der Staat für die Verluste aufkommt und sie pünktlich wieder in private Hände gibt, wenn es wieder Gewinne abzuziehen gibt.
Eigentlich glaubt den dauernden Durchhalteparolen niemand wirklich mehr. Die Washington Post resümiert, es gäbe "keine Garantien", dass die Maßnahme erfolgreich ist und sich nicht zu noch größeren Kosten für die Steuerzahler auswächst. Die Zeitung zitiert den Ex-Chef der Regulierungsbehörde, Armando Falcon Jr., der das Vorgehen als eine von den Steuerzahlern finanzierte Rettungsaktion der Anleger bezeichnet.
Finanzkrise belastet den republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain
Auch wenn die Börsenkurse heute steigen, darf mit neuer Panik gerechnet werden, wenn neue Horrormeldungen über Milliardenverluste der Banken eintrudeln, wie sie sich zu Beginn der Finanzkrise ständig breit machte (Börsen in Panik). Aktien im Wert von etwa 1,5 Billionen Dollar befinden sich in den Händen ausländischer Investoren. Das ist etwa ein Viertel der gut 5 Billionen Dollar Gesamtkreditsumme, die von Fannie und Freddie vergeben wurde. Sie haben etwa die die Hälfte aller US-Immobilienkredite vergeben, deren Gesamtsumme mit etwa 12 Billionen Dollar beziffert wird (Anm. d. Red.: Zahlen wurden korrigiert). Der Wert dieser Aktien ist in den letzten Monaten immer weiter gefallen. Hatten die Anleger, darunter 66 Zentralbanken, im letzten Jahr schon Kursverluste von mehr als 90 Prozent hinnehmen müssen, kommt nun auch die noch Streichung der Dividenden hinzu. Einige Banken hatten schon Wertberichtigungen vorgenommen. Die JP Morgan Chase hatte mitgeteilt, dass sich der Wert ihrer Vorzugsaktien bei den US-Immobilienfinanzierern im laufenden Quartal auf 600 Millionen Dollar halbiert hätte. Das gilt ähnlich auch für die anderen Banken.
Die Probleme der großen Kreditfinanzierer werden kleinere Banken noch stärker belasten. Dass gerade die elfte US-Bank in diesem Jahr in die Pleite abstürzte, ist kein Zufall. Der staatliche Einlagensicherungsfonds FDIC hat nun auch die kleine Silver State Bank in Nevada geschlossen - und es wird nicht die letzte zahlungsunfähige Bank sein. Deshalb fordert die FDIC-Chefin neue Milliarden und will die Beiträge erhöhen: "Man muss einfach akzeptieren, dass die Kreditkrise noch lange nicht vorbei ist", sagte Sheila Bair kurz vor der Schließung der Silver State am Donnerstag.
Die Schließung der 17 Filialen der Silver State wäre, angesichts des Debakels um Fannie und Freddie, kaum berichtenswert, wenn nicht ein Sohn von Präsidentschaftskandidat John McCain in die Pleite verwickelt wäre. Der Adoptivsohn des Republikaners saß noch bis Ende Juli im Verwaltungsrat der Bank. Er war auch für die Finanzaufsicht zuständig, berichtete das Wall Street Journal am Samstag. Der Adoptivsohn aus erster Ehe habe den Posten aus "persönlichen Gründen" aufgegeben. Andrew McCain, der die Notlage der Bank kannte, hätte seinen Vater in eine noch problematischere Lage gebracht, wenn er vier Tage länger im Verwaltungsrat geblieben wäre. Als Mitglied des dreiköpfigen Kontrollkomitees hätte er dann den Bericht über die Geschäftsentwicklung im zweiten Quartal unterschreiben müssen. Genau den musste die Bank Mitte August korrigieren und einen deutlich höheren Verlust einräumen.
Doch auch sein Vater gibt in wirtschaftspolitischen Fragen keine gute Figur ab. Noch auf dem Nominierungsparteitages der Republikaner hatte John McCain das neoliberale Dogma gepredigt, dass sich der Staat aus dem Wirtschaftsleben heraushalten sollte. Doch als der Finanzminister Paulson am Wochenende auch McCain zu der geplanten Übernahme von Fannie und Freddie konsultierte, erteilte er einen Tag danach der Maßnahme seinen Segen. Es gelte Vertrauen zu schaffen, dass die Abwärtsspirale gestoppt sei, sagte McCain in einem Interview. Auf die Frage, ob es eine "gute Idee" sei, welche die Steuerzahler Billionen kosten könne, erklärte McCain: "I think it has to be done, Bob. I think that we've got to keep people in their homes.". Fannie Mae und Freddie Mac seien Ausdruck von Vetternwirtschaft und Korruption, was die Menschen zu Recht auf die Palme bringe, erklärte er so, als wäre seine Partei nicht an der Regierung und damit maßgeblich für das Desaster der halbstaatlichen Unternehmen mitverantwortlich. Er kündigte Reformen an. Die Immobilienfinanzierer müssten kleiner werden und effizienter arbeiten.
Auch der demokratische Rivale Barack Obama stimmte dem Eingreifen des Staates zu. Er begründete dies mit der "extrem ernsten Lage" auf dem Immobilienmarkt. Eine staatliche Übernahme sei deshalb sinnvoll, aber es müsse sichergestellt werden, dass "der Steuerzahler geschützt wird und nicht Aktienbesitzer und Manager saniert werden", fügte Obama an. Er warf John McCain vor, seine Republikanische Partei stehe für acht Jahre wirtschaftlichen Niedergang.