Die große "Mutter Kirche" und ihre Söhne

Seite 4: Homosexuelle sind im römischen System Opfer und Täter

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Bisher sollte bereits deutlich geworden, dass Homosexuelle im römischen System nicht nur Opfer, sondern in vielen Fällen zugleich auch Täter sind. Sehr lange haben Milieu-Solidarität und Kirchentreue für eine unglaubliche Diskretion gesorgt. Bezogen auf selbst homophob agierende homosexuelle Kirchenvertreter läuft die Schonfrist ab. Der amtliche Kurs wird in naher Zukunft zwangsläufig für noch mehr Enthüllungen sorgen.

Die "heiligen Madln" in Markt Schwaben. Bild: Ursula Schade

Der anpassungsbereite Kompensationskonservatismus und die Erpressbarkeit homosexueller Kleriker bilden zusammen einen zentralen Pfeiler des autoritären Kirchenmodells. Offenen Seelsorgern kann man ob des "wunden Punktes" leicht die Flügel stützen. Sich selbst ablehnende homosexuelle Amtsträger gehen den homophoben Kreuzzügen voran. Die gewalttätige Beschädigung von homosexuellen Menschen durch eine aberwitzige Kirchendoktrin beschädigt immer auch die Kirche selbst. Sie verhindert zudem die Wahrnehmung des eigenen homosexuellen Schattens, der sich in fast allen zentralen Reformfragen als heimliche Blockade auswirkt. Wir bräuchten in der Kirche mehr wache Zeitgenossen, die die zentrale Bedeutung des Themas endlich zu sehen lernen.

Blockade (1): Männerbund und Ausschluss der Frau

Die soziologische Homosexualität des hierarchischen Männerbundes in der römischen Kirche steht unter der archetypischen Wirkmacht einer "Großen Mutter". Feministische Theologinnen haben schon im letzten Jahrhundert aufgezeigt, dass gerade diese tiefenpsychische Konstellation den konsequenten Ausschluss der Frauen aus der Kirchenleitung notwendig macht. Der "ewige Muttersohn" ist von seinem Reifegrad her und aufgrund einer "ungesicherten Männlichkeit" nicht in der Lage, mit Frauen in eine gleichberechtigte und partnerschaftliche Beziehung einzutreten. Andererseits muss er, der im reinen Männerbund seine Erlösung sucht, permanent gegen die Gefahr latenter Homosexualität ankämpfen.

Haltbare biblische und andere theologische Argumente gegen einen Ausschluss der Frauen im dritten Jahrtausend kann die Männerhierarchie freilich nicht vorbringen (die Gründe liegen ja auch auf einer ganz anderen Ebene). Deshalb musste ein Ideologe wie der Dogmatiker Manfred Hauke sogar die Chromosomenkonstellationen der Geschlechter als "Argument" gegen das Priestertum der Frau bemühen. Wer vor solchen Absurditäten nicht ratlos resignieren will, wird die Zusammenhänge von "Kleriker-Psychogramm" (E. Drewermann) und Kirchenstruktur in den Blick nehmen.

Ein "Diakonat der Frau" könnten die traditionalistischen Glaubenswächter noch vergleichsweise gut verkraften, denn nach ihrer Ansicht repräsentiert nur der geweihte männliche Priester den Christus (vgl. dagegen Galaterbrief Kap. 3,28). In der Kirchenreformdebatte wäre deshalb endlich theologisch zu diskutieren. Der 33-Tage-Papst Albino Luciano, dessen Gedächtnis systematisch unterdrückt wird, nannte Gott "Vater und Mutter".

In direktem Gegensatz dazu schreibt Papst Benedikt XVI. im ersten Teil seines Jesus-Buches, nur das Männliche verdeutliche die Transzendenz Gottes und deshalb könne nur "Vater" ein eigentlicher Gottesname sein (vgl. Bürger: Die fromme Revolte 2009, S. 256-261). Der theologische "Familienroman" im Werk von Joseph Ratzinger kommt über die Geschlechterideologien des 19. Jahrhunderts nicht hinaus, und entsprechend fallen auch die vatikanischen Wortmeldungen zum Gender-Diskurs der Moderne aus. Lediglich die Überschrift "Ökologie" ist neu.

Römische Verlautbarungen zur Geschlechterfrage erwecken überhaupt den Eindruck, dass ihre Autoren auf eigene persönliche Erfahrungsprozesse in der Identitätsfindung als Mann gar nicht zurückgreifen können. So versteigt sich z.B. der Weltkatechismus in Ziffer 2357 zu der Behauptung, Homosexualität könne keiner "wahren affektiven Ergänzungsbedürftigkeit" entspringen. Man fragt sich, wie sich denn die Mitglieder des römisch-katholischen Männerbundes - umgeben nur von lauter Männern - dann "affektiv ergänzen" lassen.

Eine unsichere männliche Identität ist gleichermaßen Quelle von Homophobie und von Frauenfeindlichkeit. Allerdings ist auch ein Papst wie Karol Wojtyla, der wie kein anderes Oberhaupt des 20. Jahrhunderts ein eindeutig heterosexuelles Persönlichkeitsprofil verkörpert hat, einem denkbar traurigen, patriarchalistischen Frauenbild verhaftet gewesen. So schreibt er z.B. im Buch "Liebe und Verantwortung":

Aus der Natur des Sexualaktes ergibt sich, dass der Mann dabei eine aktive Rolle spielt, während die Frau eher eine passive Rolle hat; sie nimmt hin und erlebt. Dass sie sich passiv verhält und nicht abweist, genügt schon, um den Sexualakt mit ihr zu vollziehen. Dieser kann auch ohne Beteiligung ihres Willens stattfinden und sogar, wenn sie in völlig bewusstlosem Zustand ist, z.B. während des Schlafs, während einer Ohnmacht usw.

Karol Wojtyla (Zitat nach: Albus/Brüggemann: Hände weg 2011, S. 39f)

Homophobie und Frauenfeindlichkeit gehören im männerbündlerischen oder patriarchalistischen Kontext unlösbar zusammen. Das gilt schon für die geschichtlichen Zeiten vor der christlichen Kirche. Aber die Kirchenväter haben es kritiklos übernommen. Für Augustinus etwa wird die von Gott geschaffene Natur durch Homosexualität erniedrigt, wobei er es als besonders schändlich erachtet, dass Männer beim "naturwidrigen Geschlechtsverkehr" eine weibliche Rolle einnehmen. Mit anderen Worten: "Wie kann ein Mann sich nur so tief erniedrigen, dass er in die Nähe des minderwertigen Geschlechtes, in die Nähe der Frau rückt?" Die nahe Kirche lebt heute ihrer Substanz nach überall von den Frauen. Wann, liebe Schwestern, kommt euer Aufstand?

Blockade (2): Wem nützt der Zwangszölibat?

Als weiteres muss die merkwürdige Blockade in der Zölibatsfrage gesichtet werden. Alle abenteuerlichen Konstruktionen von ultramontanistischen Theologen bringen kein einziges haltbares Argument für die obligate (!) Ehelosigkeit aller Priester. Die traurigen Realitäten hinter dem Zölibat und die zahllosen verwaisten Gemeinden liefern aber Argumente gegen die inzwischen oft verlogene Zwangseinrichtung im Übermaß. Mit Rom voll vereint sind außerdem Priester des byzantinischen Ritus, die verheiratet sind. Der Kardinal von Köln hat jüngst problemlos einen ehedem evangelischen Theologen und Historiker, der verheiratet ist, zum röm.-kath. Priester geweiht. Wenn der Kandidat - wie in diesem Fall - ohne Wenn und Aber zum traditionalistischen Kurs passt, gibt es keinerlei kirchenrechtlichen Probleme.

Dagegen verliert eine Dorfgemeinde ihren beliebten Seelsorger, sobald der öffentlich zu seiner Freundin steht und in den Ehestand eintritt. Der australische Bischof William Martin Morris, der daran dachte, verheiratete Priester zurück in die Seelsorge zu holen, ist Anfang dieses Monats vom Papst abberufen worden.

Die geistliche Gabe der Ehelosigkeit würde nach Freistellung der Ehe noch immer allen katholischen Priestern offenstehen, doch offenbar glaubt man doch eher an Kirchenparagraphen als an Gnadengaben. In Wirklichkeit nützt der Zwangszölibat nur einer einzigen Gruppe, nämlich jener, die sich mit ihrem ehelosen Lebensentwurf - unbewusst oder bewusst - in einem ehelosen Beruf verstecken will. Und hier sind an erster Stelle angsterfüllte und unerlöste Homosexuelle zu nennen. Denn befreite schwule Kleriker ziehen heute im Fall von großer Liebe von dannen wie ihre heterosexuellen Kollegen, um einem anderen Mann anzuhangen. So tat es jüngst sogar der Vorsteher eines Klosters. Die Gruppen verheirateter Priester beraten schon über die Aufnahme von Männerpaaren.

Blockade (3): Eine biologistische Sexual-"Ethik"

Die Kirche des II. Vatikanischen Konzils entdeckte wieder die Liebe als Zentrum menschlicher Sexualität, doch schon die Naturrechts-Enzyklika "Humanae Vitae" (1968) zeigte auf tragische Weise, wie im Hintergrund traditionalistische Kräfte - darunter Karol Wojtyla - den Lernprozess von Anfang an blockierten. Zementiert wurde - mit dem Nimbus der Unfehlbarkeit - eine Naturrechtslehre, die mit dem heutigen Wissen über menschliche Sexualität rein gar nichts mehr zu tun hat und auf einen wahnwitzigen Biologismus hinausläuft.

Selbstbefriedigung, heterosexueller Oral- und Analverkehr und Homosexualität sind am Ende "schlimmer" als heterosexuelle Vergewaltigung oder Inzest mit Zeugungsmöglichkeit. Alles kreist, wenn auch heute verziert mit lieblichen Ornamenten, um den vergötzten Fortpflanzungszweck (davon ausgenommen ist nur der zölibatäre Klerus, der die Doktrin lehrt). Wie viele versäumte Nächte der Zärtlichkeit - auch unter Eheleuten - auf das Konto kirchlicher Angstmoral gehen, weiß nur der liebe Gott.

Der Paradigmenwechsel in der - nach dem Konzil auf höchstem Niveau weiterentwickelten - katholischen Moraltheologie ist in Rom nie angekommen. Die "Schlichtheit" der romhörigen Hirten ist atemberaubend. Zu allen Zeiten und in allen Kulturen gibt es Homosexualität. Mit einem unglaublich geistreichen Einwand macht der Kölner Kardinal Joachim Meisner dagegen geltend, "der Schöpfer hätte den Menschen anders konstruieren müssen, wenn auch solche Formen der Sexualität gedacht worden wären" (Kölner Stadt-Anzeiger, 10.2.1999). 2005 klagte Kardinal Karl Lehmann anlässlich des Papstbesuches, den jungen Leuten in der Kirche sei die amtliche Lehre in Sachen Sexualität nicht mehr zu vermitteln, und das könne ja wohl nicht nur an den jungen Christen liegen.

"Brüsseler Spitzen" - Karikatur von Annelie Hürter (Wir sind Kirche, Eichstätt)

Der bedeutsamste Prüfstein für ein Aufbrechen des ganzen Systems ist aber eben die Homosexualität. Der Weltkatechismus (Ziffer 2357) lehrt: Homosexuelle Handlungen "verstoßen gegen das natürliche Gesetz", da sie die Fortpflanzung ausschließen, und sind ausnahmslos Sünde. Wer sich hier im angekündigten Dialogprozess an das von Papst und Bischof Overbeck erlassene Diskussionsverbot hält, sollte auch an andere Stelle keinerlei Fortschritte bei der Entwicklung eines menschenfreundlichen Ethos von Eros und Beziehung erwarten. Im Übrigen: auch die wenigen offenen Bischöfe bindet ein Gehorsamseid unter absolutistischer Herrschaft, und Courage ist in ihren Reihen zum Fremdwort geworden. Das Neue müssen die Gläubigen unten schon selbst auf den Weg bringen. Keinem Pfarrgemeinderat kann es verwehrt werden, im Aushangkasten ein Schild "Lesben und Schwule herzlich willkommen" anzubringen.

Blockade (4): Selbstverliebter Kleiderfirlefanz statt Nachfolge Jesu

In den Schlagzeilen steht die Kirche heute nur noch mit "Sexgeschichten", aber niemals, weil sie gegen menschenverachtende Zustände in Gesellschaft und Weltgesellschaft ein prophetisches Zeugnis - in Wort und Tat - setzt. Der katholische Adelsglanz ist wieder im Gespräch, und vor einigen Jahren soll sogar ein Buch mit Rezepten aus deutschen Bischofsküchen erschienen sein.

Die schrillen klerikalen Kleidermoden und Extravaganzen des derzeitigen Pontifikates heben sich von der Einfachheit unter Paul VI. und Johannes Paul II. deutlich ab und sind im Licht des Glaubens ein echtes Ärgernis geworden. Sie liefern das passende Erscheinungsbild eines narzisstischen Traditionalismus, der die Pastoralkonstitution des letzten Konzils nicht mehr kennt und Kirche im Gegensinn zur Botschaft Jesu wieder als Selbstzweck verfeierlicht. In bislang drei Enzykliken lässt sich ein brennendes Interesse an den drängenden Zivilisationsfragen nicht ausmachen. Kleine Geister ergehen sich in Lobeshymnen über theologische Bestseller, die keiner zu Ende liest. Formalia und zwanghafte Äußerlichkeiten dominieren im Rechtskatholizismus. Von biblischer Substanz … kaum eine Spur.

Postmoderne "ästhetische Neukatholiken" und schwule Liturgie-Fans zollen dem neuen Kurs der Scharlatane Beifall, was in David Bergers Buch "Der heilige Schein" ausgezeichnet beschrieben wird. Aus der Sicht von bekümmerten Anhängern der "Sache Jesu" sollte die Welt der Brüsseler Spitzen endlich ohne Tabus beleuchtet werden. Verhält es sich vielleicht so, dass die massiv gesteigerte Homophobie gerade einen stärker gewordenen homophilen Schatten in der Kirche verdecken soll? Und sind die homophil anmutenden klerikalen Stile - abgesehen von ihren feudalistischen Wurzeln - nicht wirklich unzeitgemäß? Die Bedeutsamkeit von grellen Kleiderfetischen hat nach einigen Jahrzehnten der homosexuellen Befreiung in den unterschiedlichen Szenen sichtlich abgenommen. Nun scheint sie - mit einiger Verzögerung - ausgerechnet in der Kirche wieder ein kräftiges Comeback zu feiern.

Im Bischofsamt brauchen wir Frauen und Männer, die den einfachen, solidarischen Lebensstil von ernsthaften Christen verkörpern und ohne geziertes Getue die Botschaft Jesu vortragen. Mit einem Raum der Angstfreiheit, in dem jeder ohne Verbiegungen seine eigene Geschlechtsidentität entdecken und entwickeln kann, wäre auch deshalb der Sache des Glaubens viel gedient. Denn die unbewussten Haltungen derjenigen, die sich selbst nie wirklich kennenlernen durften, signalisieren - nolens volens - auch nach außen hin verwaschene Gekünsteltheit und Unverbindlichkeit.

Blockade (5): Menschenrecht und Evangelium

Zusammen mit bibelfundamentalistischen Protestanten gehört die römische Kirche in Europa zu den letzten Bastionen, die für sich das Un-Recht einer Verächtlichmachung und Diskriminierung homosexuell Liebender reklamieren. Das Evangelium wird als Quelle der Menschenrechtsidee beschworen, doch freie Rede, rechtsstaatliche Verfahrensweisen, Machtkontrolle von unten, gemeinschaftliche Entscheidungsfindung, Gleichberechtigung der Frau und Rechtsschutz von Homosexuellen will man im Raum der Kirche nicht haben ("bravo!" schreien dazu die neukatholischen "Intellektuellen"). In den letzten beiden Punkten ist man sogar märtyrerhaft zum Widerspruch in der modernen Gesellschaft bereit.

Nun, zu diesem wahrhaft mutigen Martyrium, dessen Billigkeit zur Diskussion steht, werden die entsprechenden Apostelnachfolger bei uns noch viel Gelegenheit bekommen. Heute demonstrieren junge Leute vor dem Kölner Dom gegen Homophobie. Beim kommenden Deutschlandbesuch von Benedikt XVI. wird auf Initiative des LSVD hin ein breites Bündnis "gegen die menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik des Papstes" protestieren. Vielleicht kann in nicht allzu ferner Zukunft auch ein katholisches Komitee für die Rechte homosexueller Christinnen und Christen seine Arbeit aufnehmen.

Es geht aus reformkatholischer Sicht nicht darum, dass die Kirche die gesellschaftlichen Standards in der Achtung der menschlichen Würde einfach nur übernimmt, sondern dass sie den Ehrgeiz entwickelt, diese Standards in ihren Reihen deutlich zu überbieten. Es ist an der Zeit, dass die Gemeinde Jesu den Entwicklungen hin zu mehr Menschlichkeit nicht länger hinterherhinkt und dass ihre Amtsträger den gesellschaftlichen Widerstand endlich dort wagen, wo eine Anwaltschaft für den Menschen wirklich Widerstand erfordert. Die erneute Sexualisierung der Moralverkündigung zeigt, wie armselig und bequem der amtliche röm.-kath. Menschenrechtsdiskurs der Gegenwart ausfällt.

Blockade (6): Sexualisierte Gewalt in der Kirche

Mit seinem homophoben Feldzug hat speziell Joseph Ratzinger über einen sehr langen Zeitraum systematisch eine angstfreie Kultur der Offenheit, Wahrhaftigkeit, Reifung und Selbstfindung im Raum der Kirche unmöglich gemacht. In keiner Weise führte der ganze Komplex zu weniger homosexuell orientierten Kandidaten in bischöflichen Einrichtungen des zweiten Bildungsweges, Konvikten, Klöstern etc. Gefördert wurden lediglich Denunziationen, Spitzeltum, Paranoia, Misstrauen und die Entwicklung raffinierter Überlebensstrategien.

Genau dieses Klima der Angst in der Kirche ist einer der Nährböden für Unwahrhaftigkeit und sexualisierte Gewalt! Denn nicht per se die homosexuellen Priester, sondern nur die allzu zahlreichen unreifen, gespaltenen und sich selbst hassenden homosexuellen Priester sind - neben den Pädosexuellen - im Bereich der sexualisierten Gewaltausübung wirklich gefährdet, Täter zu werden. Schließlich wirft ein Münchener Diözesanbericht die Frage auf, ob strafrechtlich sonst völlig unbescholtene Homosexuelle sich nicht in Einzelfällen wegen ihrer kirchlichen Erpressbarkeit einer gebotenen Mitwirkung bei der Aufklärung von Straftaten der Mitbrüder entziehen.

Homophobie, Restriktionen, Priester-Berufsverbot etc. sind an dieser Stelle also nicht nur nutzlos, sondern im Endergebnis extrem gewaltfördernd. Wem hier an Prävention gelegen ist, der wird sich in der Kirche ganz speziell auch für einen Bruch mit der tradierten Homophobie und für eine gleichsam amtliche Annahme aller gleichgeschlechtlich Liebenden (mit oder ohne Amt) einsetzen.

Statt nach Art der Glaubenskongregation den Kontakt zu homosexuellen Kulturen zu untersagen, sollte genau zu diesem Kontakt geraten werden. Denn in den gefürchteten Szenen könnte man lernen, wie man sich respektvoll gegenüber anderen Homosexuellen jeden Alters verhält. Statt ein Verschweigen der eigenen sexuellen Identität zur kirchlichen Norm zu machen, sollte man gerade eine Transparenz auch von erotischen Begabungen gegenüber der Mitwelt fördern.

Statt nach Art des Katechismus zu einem steten, depressiven Sündenbewusstsein und zur häufigen Beichte aufzufordern, sollte man zur liebenden Selbstannahme und zum offenen Austausch mit Freundinnen und Freunden ermuntern. Dann nämlich hätten wir weniger Verzweiflungstaten und auch weniger Kleriker, die allzu sehr selbst seelsorgebedürftig sind und Teile ihres Lebens wie eine Dunkelkammer abspalten.

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