Die große "Repolonisierung"

Seite 2: Gegen die deutsche Dominanz

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Tatsächlich konnte deutsches Kapital nach der Systemtransformation eine herausragende Stellung auf dem polnischen Medienmarkt erringen (Deutsch-Mittelost). Der Springer Verlag ist mit dem auflagenstärksten Boulevardblatt und Bild-Klon Fakt dem populären Internatsportal Onet, der kaczynskikritischen Wochenzeitung Newsweek Polska sowie dem Wirtschaftsblatt Forbes in Polen vertreten. Die Welt-Kopie Dziennik wurde schon vor längerer Zeit abgestoßen.

Während Springer, Burda und Bauer Polens Medienmarkt mit den üblichen Hochglanzmagazinen überfluteten, hat die Verlagsgruppe Passau eine erfolgreiche Spartenexpansion betrieben, mit der dieser mittelständische Verlag eine Monopolstellung in Polens Regionen erringen konnte. Nahezu alle polnischen Regionalblätter befinden sich bereits im Besitz der Passauer. 20 polnische Regionalzeitungen werden von der Polska Press der Passauer kontrolliert. Die "Deutschen" würden somit nahezu 90 Prozent der Regionalmedien in Polen kontrollieren, meldeten konservative polnische Portale schon 2013.

Inzwischen sind auch schon erste Details durchgesickert, wie Polens Rechtspopulisten diese starke Stellung deutschen Medienkapitals zu beschneiden gedenken. Nach der Sommerpause solle die PiS einen Gesetzesentwurf ins Parlament einbringen, der die Anteile ausländischen Kapitals an polnischen Medien auf 15 Prozent beschränkt. Das Handelsblatt sieht darin die Gefahr eine "Nationalisierung" der betreffenden Zeitungen, Fernsehstationen und Internetportale durch Polens Rechtspopulisten.

Ursprünglich berichtete das Handelsblatt davon, dass die Beschränkung "ausländischer Investitionen" an polnischen Medienhäusern auf 30 Prozent begrenzt werden sollte. Diese Gesetzgebung, die als ein "Demonopolisierungsgesetz" verkauft würde, sei "vorgeblich nach ähnlichen Regeln in anderen EU-Staaten, inklusive Deutschen und Frankreich", gestaltet worden, musste das Handelsblatt einräumen. Damit bemüht sich die PiS offensichtlich darum, ein ähnlich hermetisch abgeschotteten, nationalen "Meinungsmarkt" zu schaffen, wie er in Deutschland üblich ist - sie will die periphere Stellung ihres Landes als eines bloßen Marktplatzes ausländischer Medienkonzerne überwinden.

Vorbild Russland?

Die liberale polnische Gazeta Wyborcza sieht auch in Putins Russland - das eigentlich der polnischen Rechten verhasst ist - ein Vorbild für die angestrebte Medienreform der PiS. Eine Investitionsbeschränkung von 20 Prozent führte der Kreml "2014 nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine und dem Beginn der Sanktionen gegen Russland" ein. Damals hätten sich der Axel Springer Verlag und CNN aus dem russischen Medienmarkt zurückgezogen, während kremltreue Oligarchen deren Marktanteile übernahmen. Die PiS strebte früher eine "Repolonisierung" der Massenmedien an, obwohl man in Regierungskreisen inzwischen dazu übergegangen sei, von einer "Demonopolisierung" des Medienmarktes zu sprechen.

Sobald ein ausländischer Investor mehr als die erlaubten 20 Prozent an einem Unternehmen hält, soll er künftig die überschüssigen Anteile an einen polnischen Käufer verkaufen müssen. Hier kämen Banken im Staatsbesitz oder die mehrheitlich staatlich kontrolliere Versicherungsgesellschaft PZU in Frage, berichtete die Wyborcza. Insbesondere die Passauer Verlagsgesellschaft könnte aufgrund ihrer monopolhaften Stellung auf dem Regionalmarkt dazu veranlasst werden, einen Großteil ihrer Anteile abzustoßen. Falle es gelinge, dass polnische Investoren diese Zeitungen erwerbten, dann hätte die PiS "einen kostbaren Propagandaerfolg" im kommenden Kommunalwahlkampf 2018 errungen, schlussfolgerte die Wyborcza.

Dass der Wind sich in Polen dreht, merkt man bei Springer Polska auch dort, wo es besonders weh tut: in den Bilanzen. "Regierungsnahe Unternehmen schalten keine Werbeanzeigen mehr in unseren Medien", klagte der Springer Manager Marc Walder gegenüber dem Handelsblatt. "Dies kostet uns Millionen". Deutsche Medienkonzerne würden schon einen Vorgeschmack auf ihren Status als "neue Ausgestoßene" in Polen erhalten.

Inzwischen hat Newsweek einen Artikel über die geplante Medienreform der PiS auf der US-Homepage veröffentlicht, der offensichtlich den Druck auf Warschau auch seitens der USA erhöhen soll. Doch sind bei dem Gesetzesvorhaben der PiS US-Interessen nur peripher betroffen, während es sich zentral gegen die deutschen Positionen auf dem polnischen Medienmarkt richtet.

Angesichts der engen geopolitischen Kooperation zwischen Washington und Warschau, die sich seit dem Besuch Trumps in Warschau verstärkt, scheint ein aktives Vorgehen der Trump-Administration gegen die PiS eher unwahrscheinlich. Diese geopolitische Konstellation scheint man in Warschau ins Kalkül einbezogen zu haben bei dem nun anstehenden Kampf gegen Deutschlands Medienkonzerne.

Der große Deal zwischen den Vereinigten Staaten und Polen umfasst langfristige Lieferungen von amerikanischem Flüssiggas denen gegenüber die Einschränkungen einiger weniger Medienkonzerne zurückzustehen haben. Die USA, die sich zunehmend in einem Konkurrenzverhältnis gegenüber Berlin sehen und Mittelosteuropa als einen geopolitischen Verbündeten aufbauen wollen, könnten dieses Vorgehen Warschaus gegen deutschen Kapitalinteressen sogar tolerieren.

Polens Rechte legitimiert inzwischen den autoritären Umbau der polnischen Gesellschaft - ganz nach dem Vorbild der "illiberalen Demokratie" Orbans in Ungarn - mit zunehmender Kritik an der EU und spezifisch an der deutschen Dominanz in Europa. Spätestens seit dem Exempel, das Schäuble an Griechenland exekutierte, wird innerhalb der polnischen Rechten die deutsche "Hegemonie" als ein wichtiges "Problem" Europas diskutiert.

Der antideutsche Kurs der PiS kann somit als ein nationalistischer Fallout des rücksichtslosen deutschen Dominanzstrebens in Europa begriffen werden (Willkommen in der Postdemokratie), das sich nun auch seiner eignen Zielsetzung gemäß als kontraproduktiv erweist. Dies scheint selbst den deutschen Medienschaffenden zu dämmern: Wenn nicht alles tröge, so sollten nun Herr Döpfner und die anderen Deutschen auf dem polnischen Pressemarkt "schnell ihre Eindämmungspläne ausarbeiten", warnte das Handelsblatt.