Die kurdische Verantwortung für den Massenmord an Armeniern
Stammesmilizionäre eigneten sich 1915 massenhaft Raubgut an
In Deutschland denkt man vor allem an Türken, wenn es um die Verantwortung für den letzte Woche in einer Bundestags-Resulution verurteilten Massenmord an Armeniern im Ersten Weltkrieg geht (vgl. Bundestag verabschiedet Armenien-Resolution). Wirft man einen Blick in historische Dokumente, zeigt sich jedoch, dass ein großer Teil der damaligen Täter Kurden waren, die Armenier als Angehörige von Hamidiye-Stammesmilizen nicht nur töteten, sondern sich auch am Eigentum ihrer vertriebenen Nachbarn bereicherten.
Diese Hamidiye-Stammesmilizen wurden Ende des 19. Jahrhunderts von Sultan Abdülhamid II. ins Leben gerufen. In ihnen dienten vor allem junge Kurden, deren Familien dafür weitgehend von Steuern befreit wurden. Sie sollten mit Pferden und modernen Waffen dafür sorgen, dass die in Ostanatolien lebenden christlichen Armenier, die Abdülhamid als fünfte Kolonne der Russen und Engländer ansah, Untertanen und Steuerzahler des Sultans blieben.
Straffreiheit bei Plünderungen
Dass man den Hamidiye-Milizionären Straffreiheit bei Plünderungen gewährte, trug dazu bei, dass es 1894 in großem Maßstab zu Massakern an Armeniern kam, nachdem sich armenische Bauern verbotswidrig bewaffnet und einen Aufstand gegen die Doppelbesteuerung durch den Sultan und ihre kurdischen Lehnsherren versucht hatten. Alleine in der Regionen Sasun kamen dabei vom 18. August bis zum 10. September 1894 mindestens 8.000 Armenier ums Leben.
Die liberal-nationalistischen "Jungtürken", die 1908 faktisch die Macht im Osmanischen Reich übernahmen, schafften die Hamidiye-Milizen kurzfristig ab, belebten sie aber bald wieder, nachdem ihr Staat in den Balkankriegen 1912 und 1913 militärische Niederlagen und Gebietsverluste hinnehmen musste.
Weil in Ostanatolien damals nur verhältnismäßig wenige Türken lebten und regulär ausgebildete Truppen an den Fronten gebraucht wurden, übertrug die osmanische Kriegsregierung die Deportation von Armeniern 1915 häufig Hamidiye-Veteranen, die die Gelegenheit nutzten, um sich und ihre Familien in großem Maßstab zu bereichern. Das ging Augenzeugenberichten nach teilweise so weit, dass Leichen verbrannt wurden, um Gold zu finden, von dem man vermutete, dass die Armenier es verschluckt hatten.
Welche Immobilien und Wertgegenstände vertriebener Armenier sich Kurden damals konkret aneigneten, ist bis heute weitgehend unklar. Deshalb dürften auch Ängste, im Falle einer weiteren Aufklärung der Vorgänge mit Reparationsforderungen konfrontiert zu werden, eine Rolle dabei spielen, dass solche Vorhaben in Ostanatolien nur sehr bedingt auf Begeisterung stoßen.
Imame, Strafgefangene und Tscherkessen
Kurdische Imame rechtfertigten diese Raubzüge den Erkenntnissen des am Pariser EHESS forschenden Historikers Hamit Borzarslan nach teilweise mit religiösen Argumenten. Allerdings gab es auch Geistliche - vor allem Aleviten - die hier anderer Meinung waren und die Taten verurteilten.
Türkische Strafgefangene, denen man - ähnlich wie im Zweiten Weltkrieg den Mitgliedern des SS-Sondereinheit Dirlewanger - Haftverkürzung gegen Kriegsteilnahme zugesichert hatte, spielten als Deportationswächter ebenfalls häufig unrühmliche Rollen. Teilweise verkauften sie Frauen und Kinder an kurdische Stammesführer. Auch Tscherkessen, die sich nach der russischen Eroberung ihrer Heimat 1864 in großer Zahl ins Osmanische Reich abgesetzt hatten, fielen durch besondere Grausamkeit auf.
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