Die neue Weltordnung und Deutschlands Rolle: Lobbyisten des ewigen Konfliktes
Eliten und Banken profitieren von Kriegen. Die Fälle John McCloy und JPMorgan. Zu vermeintlich humanitären Zielen und wahren Motiven. (Teil 2 und Schluss)
Der erste Teil dieses Artikels diskutierte, wie sich die Geschichte im Jahr 2024 wiederholt, indem Deutschland erneut in einen geopolitischen Kampf um eine neue Weltordnung verwickelt ist. Die USA haben in der Vergangenheit dazu beigetragen, den deutschen Nationalismus einzudämmen und einen europäischen Patriotismus zu fördern, wie es heute in den Reden von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz zum Ausdruck kommt. Die Truman-Regierung hatte 1952 einen Plan für eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) entworfen, der jedoch an der französischen Nationalversammlung scheiterte. Heute sind Europa und insbesondere die deutsch-französische Zusammenarbeit wichtige Faktoren für Frieden und Stabilität auf dem Kontinent.
Schon bei Thomas Alan Schwartz findet sich eine Charakterisierung McCloys, die seine Eignung für das hohe Amt auch auf seine Verwurzelung in den elitären Kreisen des US-amerikanischen Establishments zurückführt:
Er war auch typisch für das, was Charles Maier "eine neue transnationale politische Elite" nennt, die sich in der neuen Welt des Luftverkehrs und der Sofortkommunikation entwickelt hatte und durch den Aufstieg Amerikas zur globalen Vormachtstellung genährt wurde.
(Sie) hatte ihren Ursprung zu einem großen Teil in den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Europa in der Zwischenkriegszeit. Der Zweite Weltkrieg brachte eine Generation von Führungspersönlichkeiten hervor, deren Beziehungen und Perspektiven sich über nationale Grenzen hinweg erstreckten.
In der Annahme, dass Hitlers Erfolg ebenso sehr der Schwäche und Uneinigkeit der demokratischen Staaten wie einer besonderen deutschen militärischen Stärke geschuldet war, bekämpften sie die natürliche Tendenz ihrer Länder, in nationalistische, protektionistische und engstirnige Denk- und Handlungsweisen zurückzufallen.
Der Zweite Weltkrieg hatte sie, wie McCloy es ausdrückte, davon überzeugt, dass Isolation - politisch, militärisch oder sogar geistig - in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts nicht möglich war.
Thomas Alan Schwartz
Diese Aversion gegen den Nationalismus im Allgemeinen erinnert auch an die Geisteshaltung der Rockefeller-nahen Trilateralen Kommission, wie sie Telepolis zuletzt im Kontext des Pandemievertrages beschrieben hat.
Dort wurde herausgestellt, dass der propagierte Multilateralismus zumeist mit dem Profitinteresse multinationaler Konzerne zusammenfällt, und weniger mit den für sich genommen erstrebenswerten humanitären und ökologischen Zielen, zu denen man sich öffentlich bekennt.
Sieht man sich den reichhaltigen Lebenslauf McCloys genauer an, ist diese geistige Verwandtschaft nicht weiter verwunderlich. Journalist Holland schreibt:
Nur wenige andere Mitglieder der Regierungselite widmeten einen so großen Teil ihres Lebens dem öffentlichen Dienst wie McCloy, und nur wenige andere Leben umfassten, tatsächlich oder symbolisch, so viele der privaten Institutionen, durch die die Macht des Establishments ausgeübt wurde: die führenden Banken, Unternehmen, Verbände, Universitäten, Stiftungen und Think Tanks.
Max Holland
Die überwältigend zahlreichen Stationen McCloys können hier nur stark verkürzt zusammengefasst werden und verdienten mindestens einen eigenen Beitrag.
Pendeln zwischen Staat und Privatwirtschaft
Der aus Philadelphia stammende Sohn eines Versicherungsangestellten hatte schon früh Kontakt zu den einflussreichsten Personen des US-amerikanischen Establishments. So war er als Anwalt für die renommierte Kanzlei Cravath, Henderson & de Gerssdorff unter anderem für die Investmentbank J.P. Morgan tätig.
Als Firmenanwalt vertrat er in den 1930er-Jahren bedeutende Klienten wie die Rockefellers und den Gründer der Federal Reserve, Paul Warburg. Der Bruder seiner oben erwähnten Ehefrau, John Zinsser, war zu dieser Zeit Vorstandsmitglied bei J.P. Morgan.
Bevor er 1949 als Hoher Kommissar der USA in Deutschland den Wiederaufbau des Landes unterstützte, war McCloy zwei Jahre lang Präsident der Weltbank, einer Position, die traditionell mit einem US-Amerikaner besetzt wird. Nach seiner Zeit in Deutschland führte er von 1953 bis 1960 als Vorstandsvorsitzender die Geschäfte der Chase Manhattan Bank.
Aktiv für den Council of Foreign Relations
Von 1954 bis 1970 war McCloy außerdem Vorstandsmitglied des einflussreichen Council on Foreign Relations (CfR). Als Mitglied war er nicht allein. Einer kritischen Studie von 1977 zufolge, die den CfR als "imperialen Beraterstab" bezeichnet, gehörten zwischen 1945 und 1972 mehr als die Hälfte aller politischen Funktionäre der USA dem CfR an. Darunter auch viele einflussreiche und bekannte Köpfe.
So sitzt McCloy im Vorstand des Council on Foreign Relations zusammen mit dem Mitgründer und späteren Außenminister John Foster Dulles, der zugleich für die Rockefeller Foundation tätig ist, zusammen mit dessen Bruder, dem Auslandsgeheimdienst-Veteran Allen.
Der bis heute einflussreiche Thinktank wurde ab 1930 von der Rockefeller- und der Ford-Foundation gefördert, wo McCloy ebenfalls von 1953 bis 1965 im Vorstand saß und sich maßgeblich an der antikommunistischen Kulturoffensive der CIA in Europa beteiligte, die ihre Geldflüsse über die Ford Foundation kanalisierte.
1952 gründete McCloy zusammen mit Eric M. Warburg von der gleichnamigen Hamburger Bankenfamilie den Thinktank "American Council on Germany", der Vertreter aus Politik und Privatwirtschaft versammelt, um die transatlantische Ausrichtung Deutschlands aufrechtzuerhalten.
Mit der Atlantik-Brücke fand die Einrichtung ihr deutsches Pendant. Beide Einrichtungen gelten als eng mit dem Council on Foreign Relations verknüpft.
Wer ist der Council on Foreign Relations?
Der US-Historiker Carroll Quigley, der sich in Tragedy and Hope (1966) ausgiebig mit dem CfR und seiner britischen Schwesterorganisation Royal Institute of International Affairs (heute: Chatham House) auseinandersetzt, bezeichnet den Thinktank schlichtweg als "Frontorganisation für J.P. Morgan and Company in Verbindung mit der sehr kleinen amerikanischen Round Table Group".
In Wall Street and The Rise of Hitler (1976) zählt der Ökonom Anthony Cyril Sutton J.P. Morgan und die Chase Bank, die heute fusioniert unter dem Namen JPMorgan Chase als größte und systemrelevanteste Bank der Welt gehandelt wird, zu den größten Profiteuren der geopolitischen Verwerfungen des vergangenen Jahrhunderts.
Diese Gruppe internationaler Bankiers unterstützte die bolschewistische Revolution und profitierte anschließend von der Errichtung eines sowjetischen Russlands. Diese Gruppe unterstützte Roosevelt und profitierte vom New-Deal-Sozialismus.
Diese Gruppe unterstützte auch Hitler und profitierte sicherlich von der deutschen Aufrüstung in den 1930er-Jahren. Als das Big Business seine Geschäfte bei Ford Motor, Standard of New Jersey usw. hätte führen sollen, war es aktiv und tief in politische Umwälzungen, Kriege und Revolutionen in drei großen Ländern verwickelt.
Anthony Sutton
Selbst, wer das für eine (allerdings mit aussagekräftigen Belegen untermauerte) Verschwörungstheorie hält, sollte sich ins Gedächtnis rufen, inwieweit Aufrüstung, Wiederbewaffnung und auch Kriege einen Segen für den Finanzkapitalismus darstellen.
Der Journalist Greg Coleridge, der unter anderem für das US-Magazin Common Dreams schreibt, bringt den Zusammenhang sehr einleuchtend auf den Punkt:
Kriege (und man könnte hier hinzufügen: Rüstungsausgaben allgemein) sind kostspielig. Die Nationalstaaten bezahlen sie nicht aus ihren Reserven. Sie leihen sich Geld durch den Verkauf von US-Staatsanleihen.
Banken profitieren von den Zinsen, die sie mit dem Kauf von US-Anleihen verdienen. Finanzinstitute, die Primärhändler von US-Anleihen sind, profitieren vom Verkauf dieser Anleihen.
Je länger und teurer der Krieg ist, desto mehr profitieren diese Banken. Ewige Kriege – wie der 20-jährige US-Krieg in Afghanistan – bringen ewige Gewinne.
Greg Coleridge
Staatliche Investitionsgarantien, wie sie etwa beim Aufbau der Ukraine vergeben werden, machen solche Kredite für Privatbanken zusätzlich attraktiv. Gleiches gilt für Entwicklungsbanken, die den Aufbau eines vom Krieg verwüsteten Landes versprechen.
Die Verantwortung für den Aufbau der Ukraine übernimmt neben der größten Schattenbank der Welt, Blackrock, eine weitere Bank, deren Name Ihnen jetzt mehr als geläufig ist: JPMorgan Chase.