Die spanische Art der Übernahme

Nach dem Quam-Debakel versucht der spanische Telekommunikationsriese Telefónica mit dem Kauf von O2 erneut auch in Deutschland Fuß zu fassen, nachdem die angeschlagene Telekom sich zurückgezogen hat

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Nachdem die Telekom kein höheres Angebot für O2 machen will, haben die Spanier nun freie Bahn. Doch ihnen könnte der 26 Milliarden Euro teure britische Fisch im Halse stecken bleiben. Telefónica versucht so, gleichzeitig auch in den britischen Markt einzudringen und eine gesamte Neuorientierung der Geschäftspolitik. Im Fall des Scheiterns werden wieder die Konsumenten zahlen, die der Marktführer und Quasi-Monopolist in Spanien dank staatlicher Hilfe so richtig zur Kasse bitten kann.

Nun hat die deutsche Telekom den Gerüchten ein Ende bereitet, sie könnte versuchen, das Angebot der Telefónica für O2 noch überbieten. „Wir werden kein Gegenangebot für O2 vorlegen“, sagte Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick am Mittwoch in Bonn. Gleichzeitig kündigte das Unternehmen an, es werde in den kommenden drei Jahren 32.000 Stellen abbauen. Eine Offerte liege nicht im Interesse der Anleger, erklärte Eick (Telekom-Chef Ricke tritt auf die Kostenbremse. Der Telekom-Konzern hatte gemeinsam mit der niederländischen KPN ebenfalls mit O2 über einen möglichen Kauf verhandelt. Die Gespräche wurden erst im August abgebrochen.

Wie die Analysten erklären, ist der von der Telefónica gebotene Preis mit 26 Milliarden Euro viel zu hoch. Er liegt weit über dem, was die Telekom aufbringen könnte. Der Telefónica-Chef César Alierta will gut das 7,5-fache Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen für den britischen Konzern hinlegen. Weil dies sehr teuer ist, strafen die Anleger die Telefónica-Aktie entsprechend ab. Nach der Absage an eine Käuferschlacht durch die Telekom fielen die Aktienkurse der Telefónica in London um 5,6 %. Die Madrider Börse verzeichnet einen Kursverfall von etwa 4,5 %, seit das Übernahmeangebot am Montag gemacht wurde.

Die Telekom kann sich ein solches Angebot nicht leisten. Der Schuldenberg des Konzerns wurde mit Sparprogrammen seit 2003 von 64 Milliarden auf 44,5 Milliarden Euro gedrückt. Zudem hätte die Telekom mit deutlichen Auflagen der Kartellbehörde zu rechnen. Als Marktführer in Deutschland hätte sie wohl die O2-Tochter in Deutschland verkaufen müssen.

So wird nun wohl die Telefónica ihren Schuldenberg auf über 47 Milliarden Euro anhäufen. Insgesamt will die Firma einen Überbrückungskredit von 27,2 Milliarden Euro aufnehmen, um den gesamten Vorgang abwickeln zu können. Die drei beteiligten Banken Citigroup, Goldman Sachs und die Royal Bank of Scotland (RBS) finanzieren nicht nur den Deal, sondern erhalten zudem jeweils 25 Millionen Euro für ihre Beratung.

Einst hatte die Telefónica einen anderen Weg eingeschlagen, um ihre einseitige Ausrichtung auf den spanischen und portugiesischen Sprachraum zu erweitern. Quam hieß das Produkt. Neben Deutschland hatte die Firma auch UMTS-Lizenzen in Italien, Österreich und der Schweiz ersteigert, um auf den großen europäischen Märkten mitzuspielen.

Das Vorhaben scheiterte kläglich, der Konzern musste 12 Milliarden Euro abschreiben. Nun versucht es der Ex-Staatsmonopolist erneut und leitet den größten Deal ein, den eine spanische Firma je angestrebt hat. Die Telefónica stiege mit O2 nach ihrem Börsenwert zum zweitgrößten Telekommunikationsunternehmen der Welt auf. In Europa würde er die Telekom auf Platz drei verdrängen. Beim Mobilfunk wäre der Konzern nach eigenen Angaben mit 116 Millionen Kunden weltweit der viertgrößte Anbieter hinter China Mobile (224 Millionen), Vodafone (165 Millionen) und China Unicom (121 Millionen). Das Geschäftsbereich Lateinamerika fiele durch die 25 Millionen O2-Kunden von 34 auf 28 % zurück.

Doch stellt sich die Frage, ob sich nicht auch die Telefónica an dem hohen Preis übernimmt. Zudem steigen gerade die Zinsen. Der Euribor, an dem sich die Geldpreise orientieren, ist mit 2,413 so hoch wie seit mehr als zwei Jahren nicht mehr. Der Euribor ist der Zinssatz, den europäische Banken voneinander beim Handel von Einlagen mit festgelegter Laufzeit verlangen. Die US-Notenbank hat den Leitzzins erneut angehoben. Mit vier Prozent ist er so hoch wie seit vier Jahren nicht mehr.

Der Monopolist mit dem weichen Kissen

Trotz allem hat die Telefónica eine günstigere Ausgangslage als die deutsche Telekom. Die spanische Regierung übt noch immer großen Einfluss auf den ehemaligen Staatsmonopolisten aus. Und welche Regierung unterstützt nicht die Bestrebung der größten nationalen Firma, die zudem die privaten Fernseh- und Radiosender weitgehend kontrolliert (Spanien: Berlusconis Medienmacht als Vorbild?)?

Die Telefónica hatte einzigartige Bedingungen, um auf Kosten der Verbraucher die Debakel von einst abzuschütteln. Der Wettbewerb funktioniert, zumindest im Hauptgeschäft in Spanien, bisher kaum. So ist es auch nur ein kleiner Teil der Wahrheit, dass sich der Quasi-Monopolist mit dem Abbau von 15.000 Stellen saniert habe, wie es allseits kolportiert wird. Denn dabei wird ausgelassen, dass eine weitgehend fehlende Regulierung des Marktes und die staatliche Preisfestlegung der Telefónica jährlich viel Geld zuschaufelt und die Position gegen Konkurrenten absichert.

So erlaubte es die Regierung dem Telekommunikationsriesen nach dem Quam-Debakel einen großen Schluck aus der Pulle. 2003 durfte der Konzern die Grundgebühr für die 12 Millionen Festnetzanschlüsse gleich um 8 % anheben. 2004 und 2005 wurde ihr noch einmal jeweils eine Erhöhung um 4,35 % zugestanden. Obwohl der Durchschnittsverdienst in Spanien deutlich unter dem in Deutschland liegt, ist die Grundgebühr auf dem gleichen Niveau und deutlich höher als in Frankreich. Sie würde auch über die deutsche Grundgebühr steigen, wenn die Telefónica wegen des neuen Finanzbedarfs den Rahmen 2005 nun erneut voll ausschöpft.

Noch deutlicher zeigt sich dies bei der Benutzung des Internet. Die Preise für einen DSL-Anschluss liegen weit über denen in Deutschland, Frankreich oder England und 40 % über dem EU-Durchschnitt. Da darf es nicht wundern, wenn Spanien bei Internetnutzung weiter an Boden verliert und nur auf dem 17. Rang in der EU liegt (Spanien verliert bei Internetnutzung weiter an Boden). Auch bei den Handyverbindungen darf kräftig zugeschlagen werden, was dem Markführer Telefónica wieder besonders erfreut. In Spanien werden 12 Cent für den Verbindungsaufbau berechnet und zudem die erste Minute voll berechnet, egal wie lange die Verbindung dauert. Fast 1,4 Milliarden Euro haben die Konsumenten 2004 für Telefonsekunden bezahlt, die sie nicht vertelefoniert haben. Seit 1999 sind das gut sieben Milliarden Euro.

Das sei einzigartig in Europa, sagen Verbraucherschutzorganisationen, und klagen gegen diese Gebühren. Die stellen einen „Missbrauch“ gegenüber den Verbrauchern und eine „versteckte Gebührenerhöhung“ dar. Nach einem Aufschrei und einer neuen Klage hat die Telefónica gerade den Versuch zurückgenommen, das lukrative Aufrunden auch ab der zweiten Minute einzuführen. Statt dann sekundengenau abzurechnen, wollte sie den 30-Sekunden Takt einführen. Die Rücknahme gilt aber nur für Vertragskunden und nicht für die vielen Pre-Paid-Karten.

Erfolgreich könnten auch die Klagen gegen die hohen Preise für Telefonate vom spanischen Festnetz zu spanischen Handys ausgehen. Die liegen absurderweise oft über den Preisen für den Anruf eines ausländischen Handys, sagen die Verbraucherschützer. In allen Fällen könnten der Telefónica bei einem positiven Richterspruch große Einnahmequellen wegbrechen.

Interessant dürfte auch eine andere Entwicklung werden. Denn Spanien drohen millionenschwere Sanktionen wegen ihres besonderen Einflusses auf die ehemaligen Staatsbetriebe, weil es trotz Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) die EU-Richtlinien nicht umsetzt. Der Gerichtshof hatte geurteilt, dass die Staatsbetriebe den freien Kapitalverkehr behindere. Die EU-Kommission hat Spanien im Juli ultimativ aufgefordert, endlich die Vorgaben über die Privatisierung ehemaliger Staatsfirmen umzusetzen. Denn noch übt die Regierung einen speziellen Einfluss über Goldene Aktien (golden share) in den großen Firmen aus, die weit über den Anteil der normalen Aktionäre hinausgeht. Neben der Telefónica, dem Ölmulti Repsol, dem Energieversorger Endesa und der großen Bank Argentaria-BBVA betrifft das auch die Tabakfirma Tabacalera, die nach der Fusion mit Seita nun Altdadis heißt und die César Alierta privatisiert hat.

Diesen Einfluss hatte der (EuGH) schon 2003 für „illegal” erklärt. Die Kommission hatte nun erneut erklärt, die Änderungen durch die ultrakonservative Volkspartei (PP) im Dezember 2003 seien nicht ausreichend gewesen. Seit der Machtübernahme im März 2004 haben die Sozialisten das Problem liegen lassen, obwohl Brüssel sie schon im April 2004 auf das Problem hingewiesen hatte.

Interessant dürfte auch der Prozess gegen den Telefónica-Chef César Alierta wegen Insidergeschäften werden, als der Erzkonservative noch Tabacalera-Chef war. Die Ermittlungen verliefen nämlich nicht „vor zwei Jahren im Sande“, wie die Finacial Times Deutschland behauptet. Der mutige Ermittlungsrichter Santiago Torres will das mündliche Verfahren gegen einen der mächtigsten Männer Spanien demnächst ansetzen. Gegen seine Entscheidung im September ist kein Widerspruch möglich. Fünf Millionen Euro mussten der Alierta, sein Frau und sein Neffe im Juli an Kaution hinterlegen, um in Freiheit zu bleiben. Die Beweise gegen Alierta sind so erdrückend, dass der Anti-Korruptionsstaatsanwalt Alejandro Luzón vier Jahre und sechs Monate Haft für Alierta fordert.