Die spanische Regierung beginnt mit der Aufarbeitung der Franco-Diktatur
Statuen des Diktators werden abgebaut und Kriegskinder entschädigt, offen ist, ob auch die Verfahren der Kriegsgerichte überprüft werden, die Zehntausende zum Tod verurteilten
Die Regierung rudert zwar zurück, aber an einer Revision der Unrechtsurteile während der Diktatur geht bei deren Aufarbeitung kein Weg vorbei. Diese Woche hat Generalstaatsanwalt Cándido Conde Pumpido halbherzig dementiert, dass die Urteile überprüft werden: "Die Generalstaatsanwaltschaft hat keinesfalls vor, in generalisierter Form die Kriegsgerichtsprozesse zu überprüfen." Sie "kann und will" nicht alle Verfahren überprüfen, "die über 40 Jahre durchgeführt wurden", wie ein "Kommunikationsmedium aus Madrid" geschrieben habe.
Das schwache Dementi der Staatsanwaltschaft bezog sich auf einen Artikel der Zeitung El Mundo. Es werde die Möglichkeit geprüft, hieß es dort, die Verfahren zu revidieren, die während der Zeit des Regimes mit "Zehntausenden Exekutionen durch die Franquisten" endeten. Deshalb habe man Gutachten bestellt, um festzustellen, welche Kammer am Obersten Gerichtshof zuständig und welche Gesetzesänderungen nötig seien. Statt einer "generellen" Prüfung also nur eine "individualisierte", wenn es "Tatsachen oder Beweise" gäbe, die das Urteil in Frage stellen.
Doch auch so würde es viele Verfahren geben, weil es bei den meist summarischen Todesurteilen oft keinerlei Möglichkeit zur Verteidigung gab. Mit der Meldung dürfte die Regierung einen Testballon gestartet haben, um die Reaktionen zu testen. So schrieb ABC, das ehemalige Sprachrohr der Diktatur, die Gesetze ließen eine Überprüfung gar nicht zu. Doch Gesetze kann man ändern und genau davor drückt ABC die Sorge für die aus, die nie für ihre Verbrechen bestraft wurden. Doch das zu fordern, traut sich in Spanien ohnehin kaum jemand. El Pais, das den regierenden Sozialisten nahe steht, hat einen weiteren Testballon gestartet. Ein Artikel legte am Donnerstag nahe, dass es keine Annullierung der Urteile geben werde, sondern nur eine moralische Rehabilitierung der Opfer geben solle. Doch die Opfervereinigungen fordern weiter die Annullierung der Urteile.
Die Vizeregierungschefin Teresa Fernández de la Vega hatte dies versprochen. Sie kündigte vor fünf Monaten, zum 64 Jahrestag der Erschießung des katalanischen Regierungschefs Lluís Companys, die "dringliche Ausarbeitung" eines Gesetzes an, das die Annullierung der Urteile erlaube, erklärte sie . Die Suche nach dem juristisch schwierigen Weg wurde von den Forderungen der Opfervereinigungen angetrieben (Die spanische Vergangenheitsbewältigung des Faschismus kommt spät in Gang). Diese stehen der Vereinten Linken (IU) nahe. Von deren Stimmen sowie von den Stimmen der linksnationalistischen katalanischen ERC, ist die Minderheitsregierung der PSOE abhängig (Lügen haben kurze Beine, auch in Spanien). Die ERC hat für die Duldung erreicht, dass gegen den erbitterten Widerstand der Volkspartei (PP) geraubte Dokumente an die Katalanen zurückgegeben werden. Der Gesetzesentwurf hat das Kabinett am 15. April passiert. Diese Dokumente hatte Franco nach dem Fall Kataloniens 1939 mitgehen lassen. Sie liegen noch heute im Archiv von Salamanca.
Rechte Gruppen, angeführt von der PP, warnen vor der "Zerschlagung des Archivs". Sie erklären, man könne die "Geschichte nicht aufteilen". Ohnehin ist die Rechte in Aufruhr, weil die Sozialisten zaghaft die Aufarbeitung der Franco-Diktatur beginnen, die sie in ihrer Regierungszeit von 1982 bis 1996 rechts liegen ließen. Nun legt sich die PSOE mit der starken Rechten an, die sich wie die PP nie vom Putsch oder der Diktatur distanziert hat. Statt die Versöhnung zu fördern, finanzierte die PP in acht Jahren Regierung lieber die faschistoide Franco-Stiftung (Im Bett mit Franco). Statt Zehntausende Gegner des Regimes zu identifizieren, die noch immer in Massengräbern verscharrt sind, sorgte sie dafür, die Reste der Soldaten nach Spanien zu holen, die an der Seite von Nazi-Deutschland die Sowjetunion überfallen haben (Spanische Regierung zeigt erneut, wo sie steht).
Die Rechte geht auch gegen die Demontage von Franco-Statuen auf die Barrikaden. Waren es bisher linke oder linksnationalistische Gruppen, die sich an deren Umgestaltung oder Demontage übten, holte die PSOE im März zum amtlichen Schlag aus. Sie ließ in einer Nacht- und Nebelaktion die Reiterstatue des Diktators in der Hauptstadt Madrid beseitigen. Angekündigt und am Tag hätte es wohl eine massive Konfrontation mit Faschisten gegeben. Tausende demonstrierten gegen die Entfernung der Statue in der Hauptstadt. Dabei kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.
Nun werden überall im spanischen Staat Denkmäler, die an den Caudillo oder die Diktatur erinnern, beseitigt. Es wird aber noch lange dauern, bis man in Dörfern und Städten nicht mehr über Straßen und Plätze stolpert, die nach Franco benannt sind. Überlegt wird derzeit auch, was mit dem "Valle de los Caidos" geschehen soll. Das Tal in der Nähe von Madrid ist Wallfahrtsort der europäischen Rechten. Hier ist der Diktator und dessen Vorgänger Primo de Rivera begraben. Das Mausoleum wird vom höchsten freistehenden Kreuz der Welt überragt. Während die einen die Einrichtung einer Gedenkstätte befürworten, wollen andere das Symbol des Faschismus schleifen.
Bescheidene symbolische Ansätze zur Wiedergutmachung gibt es auch. So erhalten nun die "Kriegskinder" eine Rente. Sie sind nun mindestens 70 Jahre alt, die Mehrzahl von ihnen lebt in Russland. Die Höhe der Rente beläuft sich seit März auf etwa 500 Euro monatlich. Nach dem Militärputsch 1936 waren knapp 40.000 Kinder, zumeist aus dem Baskenland oder Asturien, auf Bitte der republikanischen Regierung evakuiert worden. Nach der Bombardierung der baskischen Stadt Guernika durch Hitlers Legion Condor wurde das Projekt voran getrieben. Viele Eltern sahen darin die einzige Chance, ihre Kinder zu retten. Symbolisch ist der Akt deshalb, weil nur noch 500 von ihnen leben, die bisher aber meist mit schmalen 50 Euro auskommen mussten.
Die Aufarbeitung der Diktatur ist nicht nur wichtig, um viele noch offene Wunden in Spanien zu schließen, sondern auch, um die Konflikte über die Staatsform mit den Katalanen, Basken und Galiziern lösen zu können. Nur so kann aus den kleinen Gesten zur Bewegung im baskischen Konflikt (Kleine Gesten bringen Bewegung in den baskischen Konflikt) ein Friedensprozess werden, an dem der spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero immer deutlicher Interesse zeigt.