Die syrische Sackgasse
Seite 2: Sind wieder Pipelines im geostrategischen Spiel?
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- Sind wieder Pipelines im geostrategischen Spiel?
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An diesem Krieg ist sicherlich so einiges "vorbereitet". So wurde etwa der Einsatz des französischen Flugzeugträgers "Charles de Gaulle" (der nun von einer deutschen Fregatte "beschützt" werden soll) schon vor den Terrorangriffen vom 13. November geplant. Das Schiff lief zwar fünf Tage nach den Anschlägen in Richtung östliches Mittelmeer aus, doch angeordnet hatte Präsident Hollande den Einsatz des Flugzeugträgers gegen den IS bereits eine Woche vor den Morden von Paris. Damit wurde auch eine Lücke der Amerikaner geschlossen, da der Flugzeugträger USS Theodore Roosevelt Mitte Oktober abgezogen worden war und der Ersatz, die USS Harry S. Truman, erst Anfang Dezember in das Mittelmeer eingefahren ist. Wenige Stunden vor den Anschlägen wurde der genaue Auslauftermin 18. November über die Nachrichtenagentur AFP gemeldet.
In Syrien geht es um so manches, aber vor allem auch um konkurrierende Transitrouten für Erdgas. Selbst das US-Elitenblatt "Foreign Affairs" gibt das inzwischen offen zu:
Die meisten der ausländischen Kriegsparteien im Krieg in Syrien sind Gas exportierende Länder, die Interesse an einer der beiden konkurrierenden Pipelineprojekte haben, welche das syrische Gebiet kreuzen.
Eine der geplanten Pipelines führt von Katar am Persischen Golf durch Saudi-Arabien, Jordanien und Syrien in die Türkei. Katar hatte diese Röhre 2009 geplant, war aber am Widerstand Assads gescheitert, der russische Interessen vertrat. Für Russland wäre diese Pipeline eine Konkurrenz zur eigenen Gasversorgung Richtung Europa. Die andere geplante Pipeline führt vom Iran über den Irak an die syrische Mittelmeerküste. Diese Röhre wurde 2011 geplant und wird von Russland favorisiert, das den Iran als strategischen Partner sieht.
Soweit die Grundkonstellation (zu der seltsamerweise noch keine Titelgeschichte im Spiegel oder anderswo in den Leitmedien erschienen ist). Der Bürgerkrieg in Syrien begann bekanntlich 2011. Durch die internationale Einigung beim Atomstreit mit dem Iran im Sommer diesen Jahres, in deren Folge auch wieder die Wirtschaftssanktionen gegen das Land gelockert werden sollen, was das Potenzial für große Gasexporte eröffnet, bekommt die Pipelinefrage nun neues Feuer und damit auch der Syrienkrieg.
Der Konflikt dort sollte zunächst als Stellvertreterkrieg geführt werden, mittels der Aufrüstung der Assad-Gegner, und wird nun, nachdem alle bis auf die Zähne bewaffnet worden sind und die Stellvertreter ihre eigene Agenda fahren, als direktes Gemetzel der Großmächte fortgeführt.
Geld an die syrische Opposition floss aus den USA bereits seit spätestens 2006. 2012 erschienen dann erste Berichte, denen zufolge die CIA direkt die Gegner Assads unterstützte und die USA gemeinsam mit den IS-Sponsoren Katar und Saudi-Arabien eine Kommandozentrale in der Türkei betrieben, von wo aus die syrischen Aufständischen angeleitet und beliefert wurden (von denen heute viele als IS-Mitglieder bekämpft werden). Auch in Jordanien gab es ein amerikanisches Trainingscamp für Anti-Assad-Kräfte, die später als IS firmierten.
Von 2012 stammt auch der inzwischen veröffentlichte (wenn auch stark geschwärzte) Bericht des US-Militärgeheimdienstes DIA, der glasklar die heutige Entwicklung voraussah und insbesondere die Bildung eines "Islamischen Staates" in Irak und Syrien ankündigte. Der US-Geheimdienst betonte in dem nunmehr drei Jahre alten Papier, dass die Unterstützer der Assad-Opposition - dort definiert als der Westen, die Golfstaaten und die Türkei - die Entstehung eines solchen salafistischen Staatengebildes ausdrücklich befürworten würden, "um das syrische Regime zu isolieren" und den Einfluss des Iran zurückzudrängen.
Der IS ist entstanden aus der mutwilligen Unterstützung einer terroristischen Gruppe als geopolitisches Werkzeug. An wesentlicher Stelle die Finger im Spiel hatte dabei der - bei "regime changes" offenbar unvermeidliche - John McCain. McCain, öffentlich bekannt vor allem als konservativer US-Senator und Präsidentschaftskandidat von 2008, ist de facto ein vielbeschäftigter Unterhändler für die außenpolitischen Ziele einer neokonservativen Elitenfraktion in den USA. Im Frühjahr 2013 traf er persönlich militante Assad-Gegner in Syrien. Noch 2014 beteuerte McCain auf der Münchner Sicherheitskonferenz, man habe "Gott zu danken" für die Saudis und "unsere Freunde aus Katar", welche bekanntlich den IS bzw. al-Nusra finanzierten, um gegen Assad zu kämpfen.
IS-Chef Baghdadi begann seine radikale Karriere 2004 als Insasse eines US-Knastes im Irak. Die New York Times schrieb 2014 über den Terrorboss:
In jeder Wendung wurde Baghdadis Aufstieg geformt durch die Verwicklung der Vereinigten Staaten im Irak. Die meisten der politischen Wandlungen, die seinen Kampf befeuerten oder zu seinem Aufstieg beitrugen, entstammten direkt amerikanischen Handlungen.
Mit anderen Worten: Der IS bildet die dunkle Seite und Fortschreibung der US-Politik im Irak. Die Bombardierungen des IS durch US-Militär seit dem Herbst 2014 sollten diese politische Kraft dann auch nicht völlig zerstören, sondern ihr lediglich Grenzen setzen, innerhalb derer die Terrortruppe dann weiter gegen Assad agieren konnte und sollte. Erst der Kriegseintritt Russlands im September dieses Jahres mischte die Karten neu und veranlasste den Westen zu hektischer Betriebsamkeit, um in Syrien "im Spiel" zu bleiben. In diesem Kontext sind die ungeklärten Paris-Anschläge zu betrachten.