Die unsichtbare Frau hinter Einstein
Zu schlau für Albert? Das Leben von Mileva Einstein
Die Welt feiert seit Monaten den 125. Geburtstag des Genies, der die Relativitätstheorie schrieb, Albert Einstein. Seine erste Frau, die intensiv mit ihm zusammenarbeitete und wahrscheinlich an den Theorieentwürfen beteiligt war, wird nach wie vor nicht gewürdigt. Einsam starb sie 1948 in Zürich, selbst ihr Grab wurde eingeebnet.
Albert Einstein ist der unumstrittene Superstar der Naturwissenschaften, ein Idol, eine Ikone, ja sogar eine Marke. Er gilt als sympathischer Exzentriker, als etwas weltfremder Forscher, den nicht nur die Physiker verehren. Sein Bild mit heraus gestreckter Zunge gehört zur Populärkultur, die Frauen schwärmen für ihn, selbst Marilyn Monroe meinte, er wäre der Mann, den sie auf eine einsame Insel mitnehmen wollen würde.
Nicht ganz in das positive Bild passt seine erste Frau Mileva Einstein-Maric – vielleicht hat die Welt sie deshalb so nachhaltig vergessen, obwohl sie ihn als Wissenschaftlerin an seiner Seite auch fachlich unterstützte.
Bis ans Ende der 80er Jahre galt sie den Einstein-Biografien nur als die serbische Bauerntochter, die mit ihrer Schwermut dem jungen Einstein das Leben zur Hölle machte. Er selbst sprach kaum über dieses Kapitel seines Lebens. Als er von ihrem Tod erfuhr, sagte er: "Nur ein für andere gelebtes Leben ist lebenswert."
Die Naturwissenschaftlerin Desanka Trbuhovic Gjuric war die erste, die sich für das Leben von Mileva Einstein-Maric interessierte, die eine der ersten Mathematikstudentinnen in Europa war und die Frau hinter dem großen Mann, der die Relativitätstheorie schuf (Im Schatten Albert Einsteins). Seit den 90erer Jahren wird zumindest hin und wieder mit mehr als einem Halbsatz auf ihre Existenz hingewiesen, nachdem auf einem Einstein-Kongress 1990 in New Orleans die Debatte entbrannte, ob die revolutionären Physik-Theorien des jungen Einstein nicht im Grunde beiden Ehepartnern zugeschrieben werden müssten ("Die Eltern" oder "Der Vater" der Relativitätstheorie?).
Hinter jedem großen Mann steht eine Frau
Geboren wird Mileva Maric als Tochter einer vermögenden Familie auf einem Gut in Serbien, das damals zu Ungarn gehörte. Ihre Intelligenz wird von den Eltern gefördert, sie schicken sie aufs Gymnasium und danach auf die höhere Töchterschule in die Schweiz. Frauenstudien sind Ende des 19. Jahrhunderts noch rar, sie geht nach Zürich, wo Frauen zu den Prüfungen zugelassen sind und schreibt sich dort für Medizin ein (Frauen an den Hochschulen), wechselt jedoch rasch an die eidgenössische polytechnische Schule, die spätere ETH. Von 1896 bis 1901 studiert sie dort ale einzige Frau in ihren Jahrgang Mathematik und Physik. Einer ihrer Kommilitonen ist Albert Einstein (1879-1955), die beiden begegnen sich und verlieben sich ineinander. Sie schreiben sich Liebesbriefe (Am Sonntag küss‚ ich dich mündlich) und beginnen eine Affäre. Sie studieren zusammen und diskutieren natürlich über ihre Wissenschaft. 1901 schreibt er in einem Brief an sie:
Wie stolz und glücklich werde ich sein, wenn wir beide zusammen unsere Arbeit über die Relativbewegung siegreich zu Ende geführt haben. Wenn ich so andre Leute sehe, da kommt mirs so recht, was an Dir ist!
Vor lauter Leidenschaft besteht er 1900 sein Diplom nur mit mittelmäßigem Resultat und sie fällt knapp durch.
Als sie das zweite Mal zur Prüfung antreten muss, ist sie ungewollt schwanger. Ein uneheliches Kind ist zu dieser Zeit eine Unmöglichkeit, die den noch anstellungslosen Jungwissenschaftler die Karriere kosten kann. Mileva Maric reist zu ihren Eltern nach Serbien und bringt dort im Januar 1902 eine Tochter zur Welt, der sie den Namen Lieserl gibt. Das Kind ist wahrscheinlich geistig behindert, sein weiteres Schicksal bis heute unklar. Entweder stirbt es nach einer Scharlachinfektion im zweiten Lebensjahr, oder es wird zur Adoption frei gegeben (Das letzte Geheimnis im Leben eines Genies gelüftet). Sicher ist, dass der Vater Albert das Kind nie gesehen hat. Sie reist so oft sie kann zu ihrem Kind, das zumindest das erste Jahr bei ihren Eltern lebt, er bleibt in Zürich.
Gegen den Willen der Familie heiraten Albert und Mileva 1903 in Bern, wo er als "technischer Experte dritter Klasse" am Patentamt angestellt ist. Im selben Jahr sagt er: "Ich brauche meine Frau. Sie löst alle meine mathematischen Probleme". Er schreibt an seiner Dissertation.
Glück, Wunderjahr und Unglück
Der Verzicht auf eine eigene Karriere ist für Mileva der klare Preis für ihre Liebe und ihre Ehe. Ihren Ehrgeiz widmet sie nun ihrem geliebten Mann. Natürlich unterstützt sie ihn, wo sie kann, zudem besorgt sie den Haushalt, betreibt im Haus eine kleine Pension für Studenten, um Albert finanziell zu unterstützen und bringt 1904 ihren ersten Sohn, Hans Albert, zur Welt. Wie sie mit dem Verlust ihrer Tochter zurecht kommt, ist unbekannt.
1905 ist Einsteins Wunderjahr, er veröffentlicht insgesamt fünf Artikel, die die Naturwissenschaft revolutionieren (100 Jahre Wunderjahr Albert Einstein). Mileva berichtet einer Freundin:
Wir haben eine wichtige Arbeit vollendet, die meinen Mann weltberühmt machen wird.
Tatsächlich erregen die Aufsätze sehr viel Aufsehen. 1909 wird Albert Einstein Professor in Zürich. Er hat Affären mit anderen Frauen – sein ganzes Leben lang bleibt er dem weiblichen Geschlecht gegenüber sehr offen. Seine zweite Frau wird das später tolerieren, Mileva dagegen wird immer schwermütiger. Der zweite Sohn Eduard wird 1910 geboren, er ist sein Leben lang geisteskrank.
Die Einsteins übersiedeln 1911 nach Prag, er ist der gefeierte Professor, sie ist total unglücklich. Noch bevor die Familie 1912 wieder umzieht, beginnt die Liason von Albert mit seiner Cousine Elsa Löwenthal. Mileva weiß davon und versucht den Umzug 1914 nach Berlin zu verhindern, wohin Albert von der Preußische Akademie der Wissenschaften berufen wird, aber auch Elsa lebt. Albert stellt seiner Frau schriftlich klare Bedingungen für eine Fortsetzung der Ehe:
A. Du sorgst dafür
1. dass meine Kleider und Wäsche ordentlich imstand gehalten werden.
2. dass ich die drei Mahlzeiten im Zimmer ordnungsgemäß vorgesetzt bekomme.
3. dass mein Schlaf- und Arbeitszimmer stets in guter Ordnung gehalten sind, insbesondere dass der Schreibtisch mir allein zur Verfügung steht.
B. Du verzichtest auf alle persönlichen Beziehungen zu mir, so weit deren Aufrechterhaltung aus gesellschaftlichen Gründen nicht unbedingt geboten ist.
Insbesondere verzichtest Du darauf
1. dass ich zu Hause bei Dir sitze.
2. dass ich zusammen mit Dir ausgehe oder verreise.
C. Du verpflichtest Dich ausdrücklich, im Verkehr mit mir folgende Punkte zu beachten:
1. Du hast weder Zärtlichkeiten von mir zu erwarten noch mir irgendwelche Vorwürfe zu machen.
2. Du hast eine an mich gerichtete Rede sofort zu sistieren, wenn ich darum ersuche.
3. Du hast mein Schlaf- bzw. Arbeitszimmer sofort ohne Widerrede zu verlassen, wenn ich darum ersuche.
D. Du verpflichtest Dich, weder durch Worte noch durch Handlungen mich in den Augen meiner Kinder herabzusetzen.
Nach wenigen Monaten kehrt Mileva mit ihren Söhnen in die Schweiz zurück, ihr Mann bleibt in Berlin.
Nobelpreisgeld für Mileva
Während des Ersten Weltkriegs ist die Familie in Zürich, der Vater in Berlin, wo er mit Elsa zusammenlebt. 1916 fordert er per Brief die Scheidung. Für Mileva bricht eine Welt zusammen, sie hat manifeste gesundheitliche Probleme und finanzielle Schwierigkeiten. Aber es bleibt ihr nichts anderes übrig, als letztlich in die Scheidung einzuwilligen, die 1919 ausgesprochen wird. Sie verlangt von ihm das Preisgeld des Nobelpreises, denn sie ist sich sicher, dass er diese Auszeichnung bekommen wird. Er willigt ein und sie erhält die Summe, nachdem er den Preis 1921 tatsächlich erhält.
Aber das Glück hat sie verlassen. Die Behandlung für ihren Sohn Eduard, der in einer Anstalt leben muss, verschlingt das Geld. Sie verdient sich ihren Lebensunterhalt mit Mathematik- und Klavierstunden. Ihr älterer Sohn Hans Albert wandert mit seiner Frau und Kindern in den 30er Jahren in die USA aus.
Mileva Einstein-Maric bleibt in der Schweiz, um sich um ihren kranken Sohn zu kümmern. Sie lebt sehr zurück gezogen und stirbt 1948 in einem Krankenhaus in Zürich. Wie viel Anteil sie an Einsteins wissenschaftlichen Veröffentlichungen des Wunderjahrs 1905 tatsächlich hatte, bleibt im Schatten der Geschichte verborgen. Das sollte aber kein Grund sein, ihre Rolle komplett zu unterschlagen.
Albert Einstein lebt zu diesem Zeitpunkt längst in Princeton. Seine zweite Frau Elsa, heiratet er 1919, obwohl er von der Institution Ehe nicht viel hält, wie er deutlich formuliert:
Die Ehe ist der erfolglose Versuch, einen Zufall zu etwas Dauerhaftem zu machen.
Seine zweite Frau versteht nichts von Physik und das findet er gut, denn "die erste tat’s nämlich!", wie er klar stellt. Von ehelicher Treue hält er nicht viel und Elsa, die an seiner Seite großbürgerlich repräsentiert, nimmt das klaglos hin. Das "einsame Genie" hat eine Affäre nach der anderen, aber er ist kein echter Frauenverehrer, in einem Brief an einen Freund schreibt er:
Verglichen mit diesen Weibern ist jeder von uns ein König, denn er steht halbwegs auf eigenen Füssen, ohne immer auf etwas außer ihm zu warten, um sich daran zu klammern. Jene aber warten immer, bis einer kommt, um nach Gutdünken über sie zu verfügen.
Trotzdem bleiben ihm die Frauen treu, sie verehren ihn weiter und nach dem Tod seiner Frau kümmern sich bis zu seinem Tod 1955 seine Stieftochter Margot Löwenthal und die langjährige Sekretärin Helene Durkas konstant um ihn.