Die zwei Amris oder die Frage, wer den Tat-LKW gefahren hat

LKW, mit dem Anis Amri den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt verübt haben soll. Bild: Emilio Esbardo / CC BY-SA 4.0

Ermittlungserkenntnisse aus Italien zu den möglichen Tätern vom Breitscheidplatz werden von deutschen Behörden bewusst falsch dargestellt

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Wer steuerte den 40 Tonnen schweren Lastwagen am 19. Dezember 2016 auf den Weihnachtsmarkt in Berlin? Auf dem Breitscheidplatz an der Gedächtniskirche starben an jenem Tag zwölf Menschen, Dutzende wurden schwer verletzt. Diese Frage zieht zugleich die offizielle Festlegung in Zweifel, dass der 24jährige Tunesier Anis Amri der Fahrer war. Immer mehr Indizien sprechen dagegen. Anis A. war ziemlich sicher einer der Mittäter - aber wer war der Haupttäter?

Eine Ermittlungsakte aus Italien gibt darauf eine mögliche Antwort. Mit der Tat könnte der andere Amri in der Gruppe zu tun gehabt haben: Soufiane Amri, 25 Jahre alt, 1995 in Berlin geborener Deutsch-Marokkaner. Zwei Amris: Anis und Soufiane. Ist die Namensgleichheit nur Zufall? Warum stammen die Ermittlungserkenntnisse aus Italien? Und warum verwerfen die deutschen Sicherheitsbehörden sie wider besseren Wissens?

Die Geschichte beginnt zweieinhalb Wochen vor dem späteren Anschlag. Am 2. Dezember 2016 machten sich sechs Personen, die sich aus der Moschee des radikalen Fussilet-Vereins in Berlin kannten, auf den Weg in die Türkei. Sie reisten in zwei Gruppen und auf unterschiedlichen Wegen: Die eine bestand aus den vier Männern Emrah Civelek, Resul K., Feysel H. und Husan Saed H., die über die Balkanstaaten Kroatien und Serbien Richtung Türkei fuhren. Und zwar im Taxi von Civelek und K.. Die andere Gruppe bestand aus Soufiane Amri und Nkanga L., die mit Zügen, Fernbus und Schiff über Italien und Griechenland reisen wollten.

Beide Gruppen sollten, so die Vermutung der Ermittler, ein paar Tage später in der Türkei wieder zusammentreffen. Ihr weiterer Weg und ihre Pläne sind unklar. Wollten sie in der Türkei einen Anschlag begehen? Oder etwa weiter ins Kriegsgebiet des Islamischen Staates (IS) nach Syrien reisen? Genau dafür jedenfalls wurden Emrah Civelek, Resul K. und Soufiane Amri 2019 von einem Berliner Gericht zu Haftstrafen verurteilt. Feysel H. wurde in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.

H., deutscher Staatsbürger, war auf der Fahrt an der kroatisch-serbischen Grenze aufgehalten und zurück geschickt worden. Er hatte Ausreiseverbot aus Deutschland. Civelek und Resul K. kehrten selbständig aus der Türkei nach Berlin zurück. Einzig Husan Saed H. soll bis ins IS-Gebiet gekommen sein.

Soufiane Amri und Nkanga L. strandeten im italienischen Ancona. Ein Streik verhinderte ihre Weiterfahrt mittels Fähre. Die beiden waren von deutschen Behörden als "Gefährder" ausgeschrieben. Die italienische Polizei spürte sie in Ancona auf und nahm sie fest. Soufiane Amri, der deutscher Staatsbürger ist, wurde nach Mailand gefahren, dort in den Zug gesetzt und nach Berlin zurückgeschickt. Nkanga L., Jahrgang 1990, zwar ebenfalls in Berlin wohnhaft, aber kongolesischer Staatsbürger, kam in Italien in Abschiebehaft. Ab dem 5. Dezember 2016 saß er im großen Abschiebezentrum in Brindisi.

Dann am 19. Dezember 2016 der Anschlag in Berlin. Offiziell gilt der Tunesier Anis Amri als der LKW-Fahrer und alleiniger Täter. Das ist immer weniger haltbar. Immer mehr spielt stattdessen das Personengeflecht, in dem sich Anis A. bewegte, eine Rolle - darunter auch Civelek, Feysel H. sowie sein Namensvetter Soufiane Amri.

In Italien widmete sich nun der dortige Staatsschutz, die Abteilung DIGOS (Divisione Investigazioni Generali Operazioni Speciali), mit besonderer Aufmerksamkeit dem Fall. Eine eigene "Arbeitsgruppe Berlin" wurde eingerichtet. Unter den Todesopfern war auch die Italienerin Fabrizia Di L. Weil Nkanga L. in Berlin in Verbindung stand mit Personen, die zum Umfeld des angeblichen Attentäters gezählt werden konnten, erging gegen L. am 2. Januar 2017 in Italien sogar Haftbefehl. Er wurde als "internationaler Terrorist" eingestuft. Die DIGOS-Ermittler werteten nun sein Handy und seine Kommunikation aus und stießen auf Telefongespräche, die sie elektrisierten. Sie bilden den Inhalt jener besagten Ermittlungsakte, deren Ergebnisse den Deutsch-Marokkaner Soufiane Amri belasten, die aber die deutschen Strafverfolgungsbehörden missachten.

"Der Fuffy mit dem LKW!!"

Am 30. Dezember 2016 telefonierte Nkanga L. mit einer letztlich nicht eindeutig identifizierten Person, die sich mutmaßlich in der Türkei aufhielt, aber Kenntnisse der Szene in Berlin hatte. Die deutschen Ermittler meinen, es habe sich dabei um Husan Saed H. gehandelt. Sicher ist das nicht. In dem konspirativ gehaltenen Gespräch nennt sich die Person "Peter" bzw. "Peter Arbeit".

Die Gespräche drehen sich um den Begriff oder Namen "Fuffy". Die italienischen Staatsschützer sind überzeugt, dass dies der Spitzname für "Soufiane" war. Gleich mehrmals weisen sie in ihren Unterlagen darauf hin. Dennoch wollen die deutschen Ermittler einen Transkriptionsfehler erkennen. Sie bestreiten die italienische Darstellung. Nicht von "Fuffy" sei die Rede gewesen, sondern von "Vorfall". Das verschriftete Gesamtprotokoll belegt allerdings eindeutig die italienische Interpretation.

Nkanga L. berichtet in dem Dialog mit seinem Gesprächspartner "Peter Arbeit" von seiner Reise mit "Fuffy" nach Italien und ihrer Überprüfung in Ancona. Dass er, L., in Haft kam, hänge mit dem Anschlag in Berlin und der Rolle "Fuffys" zusammen. Er spricht an zahlreichen Stellen von "Fuffy". Das liest sich in der verschriftlichten Aktenversion so:

"Nkanga L.: Fuffy hatte recht... (Spitzname von Soufiane) [sic!]
Peter Arbeit: Wer?
L.: Dein Bruder!...
A.: Hey, Mann... du musst herkommen und alles kommt in Ordnung...
(...)
L.: (Anmerkung der Übersetzerin/A.d.Ü.: kurzes Stück unverständlich) Nein... nein wegen Fuffy... Wäre diese Sache mit Fuffy nicht passiert, wäre ich schon draußen. Der Fuffy in Berlin... Der Fuffy...
A.: Welcher Fuffy? Welcher Fuffy?
L.: Der Fuffy aus Berlin... Sag keine Namen sag keine Namen!!!
A.: Uh... Ah... Diese Sache?
L.: Der Fuffy mit dem LKW!!
A.: Ah!! - Der!! (A.d.Ü.: Er versteht)
L.: Wäre diese Sache nicht passiert, wären sie nicht zu mir gekommen, verstehst du?... Sie hätten gedacht... Der ist Berliner... einer von denen. (A.d.Ü.: Verwendet die Vergangenheitsform, nicht den Konditional)
A.: Ah... ah...
(...)
L.: Leider ist alles schief gelaufen und dazu kommt Fuffy und Amra... [sic!]
A.: Nein... Amri Amri sie sollten zusammen bleiben, da wo sie beide waren... sie haben versucht, aber anders gemacht, verstehst du?
L.: Wiederhole... wiederhole... was wolltest du sagen?
A.: Sie haben einen Fehler gemacht! Das ging daneben!"

An anderer Stelle kann man noch lesen:

"L.: Weil alles schiefgelaufen ist... Das war nicht der richtige Ort... So macht man die Dinge nicht...
A.: Die Straße war falsch...
L.: Dein Bruder... dein Bruder hatte Recht... Es gab keinen Plan... Es gab nichts... Das wurde gemacht und Schluss!!"

Die Kommunikation zwischen Nkanga L. und "Peter Arbeit" ging am 31. Dezember 2016 weiter. Auch da war von "Fuffy" die Rede:

"L.: Ich bin hier... aber hast du Kontakte mit Fuffi?... (A.d.Ü.: In der arabischen Sprache Spitzname für Soufiane)
A.: Ja!
L.: Ja!... Aber warum ruft er mich nicht an... Er hat gesagt, dass er mich anruft, aber er ruft nicht an...
A.: Vielleicht, weil deine Nummer manchmal nicht erreichbar ist... manchmal geht sie, manchmal geht sie nicht... wirklich...
(...)
A.: Ehre sei Gott... (A.d.Ü.: unverständlich) Dein Bruder Amin Amin wirklich...
L.: Weswegen?
A.: Du weiß, oder?... Berlin!
L.: Fuffy?
A.: Nein!... Der andere!
L.: Fuf... ah ok... ok... ok.
(...)
L.: Aber ich weiß nicht, ob Fuffi gesagt hat, dass er mit mir zusammen war oder so was Ähnliches... Das weiß ich nicht...
A.: Ich rate dir, mit ihm zu sprechen...
L.: Sag ihm, dass er mich anrufen soll... der bekommt immer Panik, der muss nicht übertreiben, das letzte Mal hat er aufgelegt…

Die Gespräche wurden in deutscher Sprache geführt. Die italienischen Ermittler haben sie ins Italienische übersetzen lassen und die italienische Fassung für die deutsche Rechtshilfeakte dann ins Deutsche rückübersetzt. Im Text finden sich Ausrufezeichen, Großschreibungen, Unterstreichungen und Fettungen. Offensichtlich haben die Ermittler Bewertungen vorgenommen.

Die Kommunikation ergibt eindeutig, dass "Fuffy" eine Person ist und dass dafür eigentlich nur Soufiane Amri in Betracht kommt.

Deutsche Behörden wollen "Fuffy" als "Vorfall" sehen

Dennoch behaupten Bundesanwaltschaft (BAW), Bundeskriminalamt (BKA), die Generalstaatsanwaltschaft von Berlin und das Landeskriminalamt (LKA) Berlin, "Fuffy" sei die falsche Übersetzung des Wortes "Vorfall" gewesen. Nkanga L. habe in dem Telefonat von "Vorfall" gesprochen. Das LKA Berlin erklärt sogar, es habe die Aufzeichnung des Gespräches "mehrmalig" abgehört. Dem BKA dagegen soll die Aufnahme nicht vorgelegen haben. Auch im Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Anschlag auf dem Breitscheidplatz ist eine Audiodatei der fraglichen Kommunikation bisher nicht bekannt.

Ein einfacher Test widerlegt die deutschen Behörden. Man muss im vorliegenden Gesprächsprotokoll zwischen Nkanga L. und "Peter Arbeit" nur an allen Stellen das Wort "Fuffy" durch "Vorfall" ersetzen, um zu erkennen, wie absurd die Behauptung ist, es sei von einem "Vorfall" die Rede gewesen und nicht von jemandem mit Spitzname "Fuffy". Ein solcher Eindruck kann nur entstehen, wenn man aus dem Protokoll einzelne Sätze isoliert herausnimmt, z.B.: "Welcher Fuffy/Vorfall? - Der Fuffy/Vorfall in Berlin".

Also noch mal das Ganze:

"Nkanga L.: Fuffy/Vorfall hatte recht...
Peter Arbeit: Wer?
L.: Dein Bruder!...
(...)
L.: Nein... nein wegen Fuffy/Vorfall... Wäre diese Sache mit Fuffy/Vorfall nicht passiert, wäre ich schon draußen. Der Fuffy/Vorfall in Berlin... Der Fuffy/Vorfall... A.: Welcher Fuffy/Vorfall? Welcher Fuffy/Vorfall?
L.: Der Fuffy/Vorfall aus Berlin... Sag keine Namen sag keine Namen!!!
A.: Uh... Ah... Diese Sache?
L.: Der Fuffy/Vorfall mit dem LKW!!
(...)
L.: Leider ist alles schief gelaufen und dazu kommt Fuffy/Vorfall und Amra... [sic!]
A.: Nein... Amri Amri sie sollten zusammen bleiben, da wo sie beide waren... sie haben versucht, aber anders gemacht, verstehst du?
(...)
"L.: Ich bin hier... aber hast du Kontakte mit Fuffi/Vorfall?...
A.: Ja!
L.: Ja!... Aber warum ruft er mich nicht an... Er hat gesagt, dass er mich anruft, aber er ruft nicht an...
(...)
A.: Du weiß, oder?... Berlin!
L.: Fuffy/Vorfall?
A.: Nein!... Der andere!
L.: Fuf.../Vorfall... ah ok... ok... ok.
(...)
L.: Aber ich weiß nicht, ob Fuffi/Vorfall gesagt hat, dass er mit mir zusammen war oder so was Ähnliches... Das weiß ich nicht...
A.: Ich rate dir, mit ihm zu sprechen...
L.: Sag ihm, dass er mich anrufen soll... der bekommt immer Panik, der muss nicht übertreiben, das letzte Mal hat er aufgelegt..."

Anfang März 2017 übermittelte Italien die übersetzte "Fuffy"-Akte an den Generalbundesanwalt (GBA), die oberste Ermittlungsbehörde der Bundesrepublik. Von dort ging sie am 23. März 2017 an die Generalstaatsanwaltschaft in Berlin mit der Bitte um Sichtung und Auswertung hinsichtlich des Breitscheidplatz-Verfahrens. Das richtete sich zu diesem Zeitpunkt nach wie vor gegen den toten Anis Amri, den abgeschobenen Bilel Ben Ammar und gegen "Unbekannt". Ergebnis der Auswertung: Nkanga L. habe nicht "Fuffy" gesagt, sondern "Vorfall". Es gebe keine Hinweise auf eine Tatbeteiligung von Soufiane A., Emrah C., Resul K., Feysel H. oder Husan Saed H.

Damit wurde eine bewusst falsche Auswertung offiziell veraktet und als "Ermittlungswahrheit" festgelegt.

Am 27. Juni 2019, zur letzten Sitzung vor der Sommerpause, lud der Untersuchungsausschuss des Bundestags den leitenden Ermittler der Bundesanwaltschaft in Sachen Breitscheidplatz, Oberstaatsanwalt Helmut Grauer, als Zeugen vor. Dabei kam die Abgeordnete Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) auch auf die von Italien gelieferten Erkenntnisse und eine "mutmaßliche Tatbeteiligung von Soufiane Amris" zu sprechen. Ihr lag lediglich der Vermerk der Generalstaatsanwaltschaft Berlin vor, in dem es wörtlich heißt:

Nach übereinstimmender Einschätzung aller in Berlin an der Auswertung Beteiligter sagt L.[...] an dieser Stelle "Vorfall" (statt "Fuffy"), so dass sich hieraus ein konkreter Verdacht an der Beteiligung des Beschuldigten am Anschlag derzeit nicht ergibt.

Generalstaatsanwaltschaft

Oberstaatsanwalt Grauer bestätigte das und erklärte, seine Behörde habe den Sachverhalt noch einmal zur Überprüfung an das BKA übersandt - mit ebenfalls "negativem Ergebnis". Soufiane Amri habe mit der Tat nichts zu tun.

Schon im Dezember 2018, kurz vor dem zweiten Jahrestag des Attentats, hatte der Sachverhalt um die italienische Akte auch ausgewählte Medien in Deutschland erreicht - und zwar offensichtlich mit eingebauter Sollbruchstelle. Denn das angebliche Missverständnis, aus "Vorfall" sei versehentlich "Fuffy" gemacht worden, wurde gleich mitgeliefert. Verschiedene Zeitungen berichteten über die italienischen Ermittlungen und werteten sie zugleich ab. Damit war das Thema durch, die Spur kaputt.

Wie ist die Aussage zu verstehen, es sei etwas schiefgelaufen?

Eineinhalb Jahre sind seither vergangen. Das inzwischen vorliegende komplette Wortprotokoll lässt die Sache nun in einem anderen Licht erscheinen. Mit "Fuffy" ist Soufiane Amri, Aktivist aus der früheren Fussilet-Moschee gemeint. Er kannte Anis Amri und soll mit dem Anschlag zu tun gehabt haben. Damit hätten wir eine vollkommen andere Ausgangslage.

Das Bild ist noch unscharf und rätselhaft. Was ist damit gemeint, die beiden Amris sollten zusammenbleiben? War die Namengleichheit Zufall oder war eine bestimmte Absicht damit verbunden? Wie ist die Aussage zu verstehen, es sei etwas schiefgelaufen, es habe sich nicht um die richtige Straße und den richtigen Ort gehandelt? Welche Fehler wurden gemacht? War die Tat am 19. Dezember die vorschnelle Reaktion auf die gescheiterte Reise Richtung Türkei? War vielleicht ein Anschlag in der Dimension von Nizza mit dem Vielfachen an Toten geplant?

Aus der Kommunikation lässt sich ableiten, dass es eine gemeinschaftliche Planung des Anschlags durch eine Gruppierung gegeben haben muss. Und dass den beiden Amris dabei möglichweise eine besondere Aufgabe zukam. Das widerspricht der Darstellung des BKA von der Tat des Einzelgängers Anis Amri.

Nkanga L. muss in Italien auch vernommen worden sein. Ob diese Vernehmungen den deutschen Ermittlern vorliegen, ob sie überhaupt angefordert wurden, ist nicht bekannt.

Auf dem Mobiltelefon des Kongolesen sicherten die italienischen DIGOS-Fahnder Fotos, die eine Ausspähaktion für den späteren Tatort zeigen könnten. Vor einem Laden am Kurfürstendamm 225 in Berlin ist eine Gruppe von Salafisten zu sehen, die etwas zu beobachten scheint, darunter Nkanga L. und Husan Saed H. Die Fotos wurden im November 2016 gemacht. Der Tat-LKW kam über die Hardenbergstraße. Der Ku'damm wäre aber auch eine mögliche Zufahrtsstrecke zum Breitscheidplatz gewesen.

Und welche Rolle spielten die anderen Aktivisten aus der Fussilet-Moschee? Auch Emrah Civelek und Feysel H. standen mit Anis Amri in Verbindung. Civeleks Telefonnummer war in dessen Handy gespeichert. Mit H. traf er sich vor dem Anschlag in den Moscheeräumen.

Nach dem Anschlag wurden gegen die Vier aus der Fussilet-Moschee wegen ihrer Reise von Anfang Dezember 2016 Strafverfahren eingeleitet. Im Januar 2017 kamen sie in U-Haft, im Februar 2018 begann vor dem Kammergericht Berlin der Prozess. Tatvorwurf war der Versuch, ins Kriegs- und Herrschaftsgebiet des IS zu gelangen. Das gilt als Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland.

Das Verfahren gegen Feysel H. wurde im Mai 2018 abgetrennt und eingestellt. H. wurde für schuldunfähig erklärt und in die Psychiatrie eingewiesen. Im März 2019 verurteilte der Staatsschutzsenat des Kammergerichts die drei anderen zu Haftstrafen von drei Jahren und zehn Monaten (für Soufiane Amri), drei Jahren und sechs Monaten (für Emrah Civelek) und drei Jahren (für Resul K.).

Civelek und Resul K., die beiden Taxifahrer, wurden im Oktober 2019 in die Türkei abgeschoben. Soufiane Amri müsste im Herbst 2020 wieder freikommen. Emrah Civelek, auch das steht in der einschlägigen Akte, war einst im Schengener Informationssystem (SIS) ausgeschrieben und in der nationalen deutschen SIS-Zentralstelle namens "Sirene" von deutschen Behörden 2015 mit dem Hinweis "vertrauliche Tätigkeit" eingetragen worden. Die "Sirene"-Stelle von Deutschland ist beim BKA in Wiesbaden angesiedelt.

"Vertrauliche Tätigkeit" - auch in der Fussilet-Moschee war Emrah C. Ansprechpartner für die Polizei gewesen. Verschiedene Sicherheitsbehörden hatten dort mindestens drei V-Personen platziert. War er eine davon?