Dient das Töten einem guten Zweck?

Bild: @ Leonine

Im Auftrag für die Nation, für den freien Westen und seine Werte: Der Film "Kandahar" ist ein Rambo für die Generation Schneeflocke. Doch zeigt er Wichtiges: Wahnsinn aus unmittelbarer Nähe.

Dies ist kein Actionfilm. Er wird zwar so beworben, und Gerard Butler spielt mit, aber die meiste Zeit des Films rennt Butler vor irgendetwas weg, anstatt zu etwas hin. Er rennt nach Kandahar. Denn "Wir müssen nach Kandahar." Das muss reichen.

Man weiß, was einen ansonsten erwartet, also erwartet man nichts Spektakuläres, sondern Explosionen und ein paar Orientalen, die "Allahu Akbar!!" schreien und dazu böse mit den Augen rollen. Dazu US-Amerikaner, die sie niedermetzeln, so ungefähr wie im Western die Indianer. Routinierter Dienst am Zuschauer.

Genauso ist es dann auch, obwohl Regisseur Waugh in seinen Charakteren bestimmte Nuancen herausarbeiten zu wollen scheint.

Peinlicher Versuch, den Bruch des Völkerrechts ein wenig aufzuhübschen

Die Eröffnungsszene, die als Einführung in die Charaktere dient, enttäuscht erst mal. Sie hat einen sehr herablassenden Ton gegenüber den "Bösewichten" des Films und sogar gegenüber dem Publikum. Es ist ein sehr typischer Fall, in dem der Held über eine unglaubliche Intelligenz, Gerissenheit und Gelassenheit verfügt, während die Gegner sich als dumme, dysfunktionale Kreaturen erweisen.

Nachdem er mal eben einen iranischen Atomreaktor erfolgreich in Grund und Boden gesprengt hat, beschließt der für den CIA arbeitende britische Agent Tom Harris (Gerard Butler), zu seiner Familie zurückzukehren. Harris lässt sich gerade scheiden und will seine Tochter im Teenageralter sehen.

Kandahar (10 Bilder)

Bild: @ Leonine

Dass die Vereinigten Staaten überall auf der Welt illegale Handlungen begehen, ist für niemanden eine Überraschung. Auf der Kinoleinwand werden in einem peinlichen Versuch, den Bruch des Völkerrechts ein wenig aufzuhübschen, dann oft dazu und so auch hier die armen Soldaten gezeigt, die nur ihre Familien im Kopf haben, zu denen sie doch ja so gern zurückkehren wollen.

Nur leider ist da noch der Auftrag für die Nation, für den freien Westen und seine Werte. Phrasen wie "Ich bin ein Patriot" und dergleichen, sollen die Handlungen des Protagonisten darüberhinaus rechtfertigen.

Dass auch diejenigen, die das Pech hatten, vom Helden gerade in die Luft gejagt zu werden, Familien haben, dass da jetzt Menschen um die Toten trauern, wird natürlich nicht gezeigt. Würde man allerdings auch nicht sehen wollen.

So wenig wie diese plumpe US-Propaganda.

Paradebeispiel für das Scheitern des Westens

Dummerweise fliegt die Identität von Harris auf, darum muss er möglichst schnell nach Kandahar fliehen, also ausgerechnet in die spirituelle Hauptstadt der Taliban. Begleitet wird er von seinem Übersetzer Mohammad Doud (Navid Negahban).

Nun ist der Vielvölkerstaat Afghanistan das Paradebeispiel für das außenpolitische Scheitern des Westens während der letzten Dekaden. Man darf hier das Scheitern der Sowjetunion getrost dazu zählen: in einer Mischung aus Inkompetenz und Ignoranz.

20 Jahre westlicher Intervention haben eine demokratische, laizistische Zivilgesellschaft keineswegs gesichert, sondern die Verhältnisse noch weiter destabilisiert. Nun regieren wieder die religiös verblendeten, politisch aber effizient agierenden Taliban.

Alkoholgeschwängerte Weinerlichkeit

Im Grunde ist das Hauptproblem des Films als Film, dass er alles Mögliche beginnt, aber nichts endet. Regisseur Waugh führt tausendundein Thema ein, aber keines davon kommt zu einem Schluss: Wer ist gut und wer ist böse? Inwieweit sind Gewalthandlungen gerechtfertigt? Dient Krieg einem guten Zweck? Was macht uns zu Menschen? Alles interessante Fragen.

Regisseur Waugh scheint seine Metaebene durchaus ernst zu meinen. Und man muss auch nicht die Aufrichtigkeit des Drehbuchautors Mitchell LaFortune bezweifeln, der das Drehbuch lose auf seinen eigenen Erfahrungen als ehemaliger Geheimdienstoffizier zurückführt und sehr offen seine zwiespältige Haltung gegenüber dem Schaden darlegt, den der Westen seinen östlichen Verbündeten zufügt.

Aber die Art und Weise, wie diese Gräueltaten in den Film eingebaut werden – in einer Szene als spätabendliches Eingeständnis am Lagerfeuer – wirkt obligatorisch und eher wie ein Anfall von alkoholgeschwängerter Weinerlichkeit als von Selbsterkenntnis:

"Ja, wir pflügen schon durch arabische Bazaare, richten dort nur Chaos an und jagen Menschen in die Luft, aber glauben Sie nicht, dass wir darüber sehr erfreut sind!"

Der Bass dröhnt unaufhörlich, während griesgrämige Männer mit gerunzelter Stirn sehr ernsthafte Gedanken über äußerst ernste Angelegenheiten flüstern.

Am Ende erscheint Regisseur Waugh eher wie die Mischung aus einem Billig-Coach – der am Schluss seiner Lektionen sagt: "Denken Sie darüber nach" – und einem hyperaktiven Jugendlichen, der sich nicht fünf Minuten auf ein Thema konzentrieren kann.

Und man hat trotz der vielen Actionszenen immer den Eindruck, dass es gar keine gibt. Der Film ist halbherzig. Immer wieder wird das unvermeidliche Rennen, Prügeln, Ballern von kaum erträglichem Emotionskitsch gebrochen.

Maskulinistische Außenpolitik

In seinen besten Momenten liefert dieser Kriegs-Thriller aber weniger Fragen und Antworten, sondern er zeigt etwas.

Er zeigt den Wahnsinn aus unmittelbarer Nähe. Kandahar legt offen, wie westliche Regierungen und ihre Geheimdienste Leben und Ressourcen verschwenden, auch die ihrer eigenen Leute, ohne jede Aussicht auf nachhaltige Erfolge.

Der Film zeigt Menschen aus dem Iran, aus Afghanistan, Pakistan, Tadschikistan, aus den USA und Großbritannien, die sich gegenseitig töten, obwohl alle sich dabei immer bewusst sind, dass ihr blutgetränktes Tun zu keinerlei konstruktivem Ergebnis führen wird, geschweige den eine echte Lösung bringen.

Bild: @ Leonine

Es geht nur um taktische Erfolge, augenblickliche Oberhand. Das ist vielleicht ein sehr realistisches Ergebnis, das uns auch etwas Grundsätzliches erzählt.

Er möchte uns auch etwas über Außenpolitik erzählen. Nicht über feministische Außenpolitik, nein keineswegs. Eher über maskulinistische, manche würden sagen "toxische" Außenpolitik. Aber solche Begriffe führen in die Irre. Besser, man spricht gleich über Interessen.

Die Botschaft eines unverfrorenen US-amerikanischen Imperialismus

Was daraus folgt, aber ist eindeutig. Und das ist das Interessanteste an diesem Film. Sie heißt: Wir Amerikaner werden weitermachen so wie bisher.

Wir sprengen Fabriken in fremden Ländern, wenn es uns passt. Wir töten Menschen, vor allem wenn es sich um Moslems in fremden Ländern handelt, und ein paar hundert Tote sind legitim, wenn sie "die Bösen" daran hindert, unsere Vormachtstellung streitig zu machen.

Diese Kollateralschäden sind für gerechtfertigt. Denn wir sind die Guten. Die Botschaft des Films ist die Botschaft eines unverfrorenen US-amerikanischen Imperialismus.

Es geht nun weniger darum, dass dies ein ziemlich kolonialistischer und herablassender Film ist, als dass es nur noch albern wirkt, wenn sich US-Amerikaner und Briten nach ihren mehrfachen katastrophalen Fiaskos in Afghanistan zu Superhelden aufschwingen, und sei es nur im Kino.

Zugleich hat Kandahar weder das Charisma noch die Schamlosigkeit eines typischen Chuck Norris-, Steven Seagal- und anderer plump reaktionärer Actionfilme, aber auch nicht den Tiefgang und die Bürgerlichkeit eines Jason-Bourne-Spionagethrillers.

Am ehesten ist dieser Film ein "Rambo" für unsere Zeiten.