Von Afghanistan bis zur Ukraine: Wie die westliche Geostrategie gescheitert ist
- Von Afghanistan bis zur Ukraine: Wie die westliche Geostrategie gescheitert ist
- 3. Kriegsverbrechen
- Die Rolle von Eliten und NGOs
- Literaturverzeichnis
- Auf einer Seite lesen
20 Jahre Krieg in Afghanistan haben ein zerstörtes und hungerndes Land hinterlassen. Strukturelle Ursache war das Scheitern der militaristischen Geopolitik des Westens. Der Ukraine droht ein ähnliches Schicksal.
Die Führung der USA und ihre Verbündeten wollten den Krieg in Afghanistan. An einem friedlichen Aufbau bestand nach der dortigen Niederlage der Sowjetunion (1979-1989) kein ernsthaftes Interesse. Neokonservative wie Zbigniew Brzeziński warben schon seit den 1980er-Jahren für eine US-Intervention (Rose 2012).
In Folge des Terroranschläge am 11. September 2001 verschob sich in den USA das innenpolitische Kräfteverhältnis. Unter dem propagandistischen Vorwand einer terroristischen Bedrohung begann unter dem US-Präsidenten George W. Bush die Umsetzung einer neuen Variante aggressiver Außenpolitik – der globale "Krieg gegen den Terror".
Ein zentrales Ziel war die Ausweitung des geostrategischen Einflusses der USA in Zentralasien. Großmächte wie China und Russland sollten eingedämmt, Mittelmächte wie der Iran destabilisiert sowie verbündete (Kleinst-)Staaten gestärkt werden. Das Primat dieser Strategie zeigte sich in Afghanistan vor allem in vier Punkten.
1. Ethnische Gewaltakteure
Den gesamten Krieg über förderte der US-geführte Westen substaatliche Gewaltakteure zur Erhöhung seines geostrategischen Einflusses. Ausgerüstet vor allem durch die USA sollten uigurische Milizen China unter Druck setzen und ethnische Warlords wie der Tadschike Achmed Schah Masud sowie der Usbeke Abdul Raschid Dostum Machtprojektionen in die Nachbarländer erleichtern.
Diese Kräfte bekämpften vorhandene staatliche Strukturen sowie alle Versuche einer nationalen Einigung. Sie bereiteten Umstürze gegen die Regierung vor, führten militärischen Aktionen gegen Nachbarländer sowie gegen innere Kontrahenten durch und betrieben ethnische Säuberungen. Diese gewaltsamen Auseinandersetzungen innerhalb Afghanistan konnte der Westen nie unterbinden. Es entstanden vielfältige Kriege im Krieg. "Frontlinien" lösten sich in einer umfassenden Bürgerkriegs- und Gewaltwirtschaft auf.
In Folge der von außen befeuerten Instabilität konnte der afghanische Staat mit einem Militäretat von weniger als 300 Millionen US-Dollar nicht einmal die innere Sicherheit garantieren. Eine geostrategische Machtprojektion nach Innerasien erwies sich als völlige Illusion. Die Reaktion des Westens war kein Überdenken des Einsatzes. Stattdessen schufen Propaganda und Korruption Geisterarmeen, um die Fata Morgana einer militärischen Sieghaftigkeit aufrechtzuerhalten (Kleinwächter 2021).
Notwendig wäre eine gemeinsame Sicherheitsstrategie gewesen. Gemeinsam mit Mächten wie China, Russland und Iran hätte Afghanistan stabilisiert werden können. Aber daran bestand zu keinem Zeitpunkt Interesse. Für den Westen war der Afghanistan-Krieg ein Instrument zur Schwächung dieser Staaten und kein Kooperationsprojekt.
2. Förderung der Drogenwirtschaft
Auf der Suche nach lokalen Verbündeten hofierte der Westen auch mit der Drogenwirtschaft verbundene Gewaltakteure. Der gemeinsame Feind waren die Drogen ablehnenden Taliban. Afghanistan, in dem die Taliban Anfang der 2000er-Jahre den Drogenanbau drastisch einschränkten, wurde (wieder) zum größten Opiumproduzenten der Welt. Das UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung schätzt den afghanischen Anteil am weltweiten Handel mit Opiaten und Heroin auf mehr als 80 Prozent (Thielicke 2021).
In gewissem Umfang stabilisierte die Drogenökonomie die Volkswirtschaft. Die (wenigen) alternativen Wirtschaftskonzepte scheiterten. Afghanistan wurde zu einem Drogenstaat mit Millionen von Süchtigen (Feroz 2015). Dabei reichten die Verflechtungen mit der Drogenwirtschaft bis in die höchsten Regierungskreise. Zugespitzt – der Staat war durchdrungen von der Drogenmafia.
Prägnantes Beispiel: Die Familie des von den USA eingesetzten Präsidenten Hamid Karzai kontrollierte Teile des Opium-Handels im Süden Afghanistans. Erste Berichte dazu tauchten spätestens 2006 auf. (Spiegel (Hrsg.) 2006) Karzai blieb jedoch bis 2014 im Amt. Seine Nachfolger waren genauso.
Andererseits dienten die Drogenkartelle zur Destabilisierung der Nachbarländer. So verliert der Iran jedes Jahr Hunderte Sicherheitskräfte in Auseinandersetzungen mit den Schmugglern (Amiri und Bendixen 2016). Ein gemeinsames Konzept mit dem Iran zur Grenzsicherung hat es nie gegeben. Warum auch? Für die Anti-Iran-Strömungen bedeutete der Drogenkrieg eine weitere Front im Regime-Change-Projekt.
Negative Folgen dieser Strategie wie ausufernde Korruption, Ausbreitung der Drogensucht in der (westlichen) Bevölkerung und anhaltende Gewalt wurden als "Preis der politischen Stabilität" akzeptiert.