Donald Trump rastet aus

Seite 3: Eine "neue Art von Bürgerkrieg"?

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Inzwischen wird es einsam um den Präsidenten - während sein Stellvertreter Mike Pence sich als ein potenzieller Nachfolger in Stellung bringt. Ein Großteil der republikanischen Politelite distanzierte sich von den Äußerungen Trumps, die einem politischen Sprengsatz für die ethnisch und kulturell diverse amerikanische Gesellschaft gleichkommen.

Überdies verlassen immer mehr Führungsfiguren aus den Gewerkschaften und der Industrie die Beratergremien der Regierung Trump. Zuletzt verließ der Vorsitzende des Gewerkschaftsverbandes AFL-CIO den Wirtschaftsrat der Regierung. Zuvor sind vier Industrievertreter und zwei weitere Spitzengewerkschafter auf Distanz zur Regierung gegangen.

Dennoch könnten die Dämme brechen, die eine öffentliche und offene Befürwortung des allgegenwärtigen Rassismus in den USA bislang zumindest pro forma verhindern. Newt Gingrich, der Rechtsaußen der Republikaner, sieht in der Entfernung rassistischer Denkmäler eine "demagogische" Befriedigung der Wünsche schwarzer Bürger. Die Demonstranten, die gegen Rassismus und dessen Symbole protestierten, bezeichnete Gingrich gegenüber dem Sender Fox-News des berüchtigten reaktionären Milliardärs Rupert Murdoch als einen "Mob".

Überdies will die Kritik an dem Polizeiapparat während der Ausschreitungen in Charlottesville nicht verstummen, der durch eine bemerkenswerte Passivität gegenüber der rechten Gewaltorgie auffiel. Afroamerikanische Opfer der rechten Gewalt geben inzwischen an, dass die Polizeikräfte "indifferent" gegenüber den Gewaltakten waren, die sich mitunter direkt neben Polizeistationen ereigneten.

Der berüchtigte Rassismus amerikanischer Polizeikräfte, der sich in entsprechenden Todesstatistiken schwarzer junger Männer empirisch manifestiert, kam im Gefolge des rechten Terrors in Charlottesville auch explizit zum Vorschein. Die Polizei in Springfield, Massachusetts, muss sich beispielsweise mit Äußerungen eines Polizisten auseinandersetzen, der den Terrorakt bejubelte. Es sei ein "Disziplinarverfahren" eingeleitet worden gegen einen "guten Mann, der eine dumme Bemerkung" gemacht habe, hieß es seines der Polizeiführung vielsagend.

Angesichts dieser zunehmenden Polarisierung der krisengeschüttelten US-Gesellschaft, in der die weiße Mittelklasse einem beständigen sozioökonomischen Erosionsprozess ausgesetzt ist, fragte sich der New Yorker, ob das Land nicht am Rande einer "neuen Art von Bürgerkrieg" stehe.

Die Auseinandersetzungen um die Denkmäler des letzten Bürgerkrieges könnten den Funken für einen neuen Bürgerkrieg liefern, erklärte ein Experte gegenüber dem Ostküstenblatt: "Es ist wie in 1859. Jeder ist wütend über irgendetwas und jeder hat eine Waffe." Trump habe "Gewalt als ein Mittel der Politik" etabliert, so Keith Mines, der die Bürgerkriege in einem Dutzend zerfallener Staaten in den vergangenen Dekaden beobachtet und analysiert hat: "Wir sagen uns, dies kann bei uns nicht passieren, aber dann, verdammt, es kann doch so kommen."

Dabei würden die heutigen Bürgerkriege nicht durch Großschlachten und geografische Frontverläufe geprägt, so Mines. Es seien vielmehr oftmals Konflikte "niederer Intensität", ohne klare Frontverläufe, die durch "episodische Gewaltausbrüche" gekennzeichnet seien. Diese Definition "neuartiger" Bürgerkriege, wie sie etwa in Mittelamerika toben, könnte auch auf den Begriff des molekularen Bürgerkriegs gebracht werden, der zuerst von Enzensberger geprägt worden ist.