Donald Trump und eine neue Weltordnung

Seite 4: Ein politischer Raum öffnet sich

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Stattdessen kündigt sich eine ganz andere, eine unbeabsichtigte Wirkung der Trumpschen Großmachtorientierung an. Mit seinem Nationalismus, seiner Abwendung von den global orientierten Hegemonialstrategien, öffnet Donald Trump einen politischen Raum für die Gestaltung einer neuen internationalen Ordnung. Er macht den Weg frei für diejenigen, die globale Verantwortung übernehmen wollen.

So paradox es auch klingen mag: Eine von Trump herbeigeführte nationalistische Wende der US-Politik bietet dem Rest der Welt eine Chance, die multipolare Welt demokratischer zu gestalten und die großen globalen Probleme gemeinsam anzupacken: die Regulierung der wirtschaftlichen Globalisierung, den globalen Umweltschutz, die Verbesserung der Situation und Perspektiven der 60 Millionen Flüchtlinge weltweit, ein international abgestimmtes Vorgehen gegen den radikalislamischen Terrorismus.

Einen Vorgeschmack darauf gab es bereits vor der Amtsübernahme des gewählten Präsidenten. Auf dem Klimagipfel in Marrakesch im vergangenen November herrschte nach den US-Wahlen und der Ankündigung Trumps, aus dem Pariser Vertrag auszusteigen, zunächst große Ratlosigkeit. Bis der Vertreter Pekings ankündigte, China werde weiter mitarbeiten. Indien, Brasilien und Russland schlossen sich dem an und retteten so das Gipfeltreffen. Erik Solheim, der Chef des UN-Umweltprogramms, sprach daraufhin von einer "neuen Weltordnung". China und andere Schwellenländer hätten "die Führung in der Klimapolitik übernommen."

Wofür China und die anderen BRICS-Staaten bei der Gestaltung der globalen Wirtschaftsbeziehungen stehen, bleibt abzuwarten. Bis jetzt gehört es jedenfalls nicht zum Stil der Chinesen, andere Länder wirtschaftlich zu erpressen, sie dazu zu zwingen, ihre Zölle abzubauen oder grundlegende Dienstleistungssektoren für die ausländische Konkurrenz zu öffnen, wie es beispielsweise die "demokratische" EU mit den afrikanischen Staaten vorexerziert.

China hat in den internationalen Organisationen immer wieder die Anliegen der Gruppe der 77 unterstützt, in der sich die Länder des globalen Südens zusammengeschlossen haben. Als Argentinien vor ein paar Jahren von amerikanischen Hedgefonds attackiert und infolgedessen zahlungsunfähig wurde, waren es die Chinesen, die dem lateinamerikanischen Land mit großzügigen Krediten und Währungsswaps über die Runden halfen, während das US-Finanzministerium im Sinne der "Geierfonds" interveniert hat.

Die BRICS-Staaten fordern seit langem eine Modernisierung von UN-Organisationen und - etwa bei IWF und Weltbank - deren Demokratisierung. Es sind - auch das ein Paradox - undemokratisch regierte Länder wie China und Russland, die die Globalisierung demokratischer regulieren wollen, während die Vertreter des Westens, die ständig ihre "westlichen Werte" vor sich her tragen, auf globaler Ebene an undemokratischen Strukturen festhalten.

Ein demokratischer Neustart der Weltpolitik würde nicht nur die Machtbalance zugunsten der Schwellenländer verschieben. Auch die Länder des Südens hätten eine bessere Chance, ihre Anliegen wie Ernährungssicherheit, Umweltschutz oder eine grundlegende Gesundheitsversorgung höher zu gewichten als die Freiheit des Handels und der Investoren. Über die Gestaltung der Globalisierung würde in internationalen Organisationen offen diskutiert, statt - wie bei TTIP, TPP und Ceta - in Geheimverhandlungen, in denen die Interessen der globalisierten Konzerne diskret bedient werden können.

Es gibt hier nun vor allem ein Problem: All das ist nur möglich, wenn Europa mitzieht. Und bis jetzt sieht es nicht so aus, als seien in der EU die Zeichen der Zeit erkannt worden. Hier wird eisern daran festgehalten, dass niemand anderes als die westlichen Industrieländer die Regeln der Globalisierung definieren soll. In einer Mischung aus Trotz und Größenwahn wollen die Europäer in den Fußstapfen Obamas weiterwandeln. "Die EU ist eine Supermacht", verkündete Frederica Mogherini wenige Tage nach der US-Wahl. Und der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sekundierte: "Wir sind eine Supermacht."

So sieht sich die EU nun als Hauptmotor des globalen Freihandelsregimes. Von den "Wirtschaftspartnerschaftsabkommen", die afrikanischen Staaten aufgezwungen wurden, befinden sich die meisten noch im Ratifizierungsprozess. In Lateinamerika strebt die EU neue Abkommen an. Nachdem in Brasilien und Argentinien die alten, reaktionären Eliten die Macht wieder an sich reißen konnten, stehen die Chancen gut, sich mit dem südamerikanischen Wirtschaftsbündnis Mercosur auf ein Freihandelsabkommen zu verständigen. Gleich im Frühjahr sollen die Verhandlungen beginnen. Um das möglich zu machen, wurde das widerspenstige Venezuela bereits aus dem Mercosur ausgeschlossen.

Ceta soll nun zum Goldstandard für alle künftigen Freihandelsabkommen werden. Denn ähnlich wie für TTIP geplant, bietet Ceta eine besondere Gerichtsbarkeit für ausländische Investoren sowie eine "Regulierungskooperation", die es Wirtschaftslobbyisten ermöglicht, neue Gesetzesvorhaben bereits im Vorfeld abzublocken.

Ceta hat indessen noch einen besonderen Clou. Da fast alle US-Konzerne Tochterfirmen in Kanada haben, können auch sie von den Vorteilen dieses Abkommens profitieren. US-Unternehmen würden durch Ceta besseren Zugang zu den europäischen Märkten bekommen, zu Dienstleistungssektoren, zu öffentlichen Ausschreibungen, mit allen dazugehörigen Klagemöglichkeiten, ohne dass europäische Unternehmen im Gegenzug in den USA dieselben Rechte hätten. Ein perfekter Deal für Donald Trump.