Dreifache Kernschmelze
Seite 2: Fukushima Daiichi
Die um die Welt gehenden Bilder waren dramatisch, doch was sich in der Folge im AKW Daiichi abspielte, ließ viele den Atem anhalten. Drei der sechs Reaktoren liefen zur Zeit des Bebens und schalteten sich wie vorgesehen automatisch ab, als das Erdbeben registriert wurde.
Abschalten bedeutet bei einem AKW zunächst, dass die Kettenreaktion unterbrochen und die Stromproduktion eingestellt wird. Von zentraler Bedeutung ist aber, dass die Kühlung des Reaktordruckbehälters weiter funktioniert, denn die radioaktiven Zerfallsprozesse hören nicht sofort auf. Die Spaltprodukte des Urans erzeugen hohe Mengen sogenannter Nachwärme, die abgeführt werden muss. Dafür gibt es verschiedene Kühlsysteme, die einander notfalls ersetzen können, wenn eines ausfällt.
Angetrieben werden die Pumpen der Kühlung entweder mit dem Eigenstrom des Kraftwerks, solange dies im Betrieb ist, oder durch Strom aus dem Netz.Doch beides fiel in Fukushima aus. Strom wurde wegen der automatischen Abschaltung nicht mehr selbst erzeugt und die Verbindungen zum Netz waren durch Erdbeben und Tsunami zerstört.
Für diesen Fall hatte das AKW Fukushima Daiichi wie die meisten anderen auch mit Diesel betriebene Notstromaggregate, doch diese wurden durch das eindringende Wasser außer Gefecht gesetzt.
Das vor dem Bau eigens abgetragene Kraftwerksgelände befindet sich rund zehn Meter über dem Meeresspiegel aber der Tsunami hatte an dieser Stelle noch eine Höhe von 13 bis 14 Metern. Genug also, um die Reaktorgebäude zu fluten.
Eine Zeitlang liefen noch einige Pumpen, die mit einem Rest von im Kraftwerk erzeugten Dampf betrieben werden konnten. Außerdem wurde versucht, Notstromaggregate zum Kraftwerk zu bringen.
Doch die Dampfpumpen schliefen langsam ein und auf den Straßen war kaum durchzukommen. Als schließlich rund sechs Stunden nach dem Tsunami die ersten Generatoren eintrafen, gelang es wegen des Wassers nicht, die Pumpen an die Stromversorgung anzuschließen. Hätte man die kritische Infrastruktur in der Halle höher angebracht, statt auf den nun überfluteten Boden zu stellen, wäre was nun geschah vermutlich noch zu verhindern gewesen.
Kernschmelze
Wenn die Kühlung eines Reaktordruckbehälters ausfällt, erhitzt sich das in ihm befindlich Wasser immer weiter, verdampft und wird schließlich aufgrund des gewaltigen Drucks in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt.
Das ist das Knallgas, das jeder aus dem schulischen Chemieunterricht kennt. Doch was im Experiment des Lehrers harmlos verpufft, kann bei den in einem Reaktor entstehenden Mengen gewaltige Kräfte entfalten.
Es kommt also nach Ausfall der Kühlung früher oder später zur sogenannten Wasserstoffexplosion, die den Druckbehälter sprengt und große Mengen des radioaktiven Materials hinausschleudert. Der zurückbleibende Reaktorkern schmilzt derweil aufgrund der großen Hitze zusammen.
Genau das ist in Fukushima schließlich geschehen. Drei Reaktordruckbehälter wurden durch Explosionen zwischen dem 12. und 15. März zerstört. Ihre Reaktorkerne schmolzen in der Folge so stark, dass vermutlich die Uran-Kettenreaktion wieder in Gang gesetzt wurde. Aufgrund der großen Hitze haben sich die geschmolzenen Kerne durch den Boden der Reaktordruckbehälter gefressen und in einem Fall eventuell auch in den darunter liegenden Beton.
Genaueres ist aber schwer zu ermitteln, da die Unglücksstellen aufgrund der starken Strahlung nicht zugänglich sind. Selbst ferngesteuerte Roboter haben mehrfach versagt. Erst 2017 konnte erstmalig ein solcher zu einem der Havaristen vordringen. Seitdem gibt es Bilder, die den geschmolzenen Kern des zweiten Reaktors unter dem Druckbehälter liegend zeigen.
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