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Droht der Bundesregierung nun auch noch eine F-35-Affäre?

Szene aus dem Handyvideo.

Themen des Tages: Freund-Feind-Denken funktioniert nicht mehr. Gaspreisdeckel ist drauf, aber nicht dicht. Und ein Handyvideo lässt den nächsten Rüstungsskandal vermuten.

Liebe Leserinnen und Leser,

1. Die EU will auch für Gas eigene Preise bestimmen. Kann das funktionieren?

2. Besuche in Minsk und Riad weisen auf geopolitische Bewegung hin.

3. Und auf Seite 2 lesen Sie: Warum die Puma-Panzerpleite wohl nicht der letzte Rüstungsskandal ist und was das mit einem Amateurvideo aus den USA zu tun hat.

Doch der Reihe nach.

Gas gedeckelt – oder?

Nach wochenlangen Debatten haben sich die Energieminister der 27 EU-Länder auf einen Preisdeckel für Erdgas geeinigt, schreibt heute Telepolis-Autor Bernd Müller [1]. Der sogenannte Korrekturmechanismus soll ab dem 15. Februar greifen und für ein Jahr gelten:

Er tritt in Kraft, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Eine Voraussetzung ist, dass der TTF-Preis an mehr als drei Tage in Folge über dem Wert von 180 Euro pro Megawattstunde liegt. Die zweite Voraussetzung ist, dass der Preis für mehr als drei Tage mehr als 35 Euro über dem Weltmarktpreis für Flüssigerdgas (LNG) liegt.

Zum Besuch von Putin bei Lukaschenko

Über den Besuch von Russlands Präsidenten Wladimir Putin bei seinem belorussischen Amtskollegen Alexander Lukaschenko am Montag berichtet heute Telepolis-Autor Roland Bathon [2]. Angesichts des Besuchs habe es viele Mutmaßungen über die Hintergründe gegeben:

Daran ist der Kreml-Chef nicht ganz unschuldig. Seit Lukaschenko nach der Niederschlagung der Proteste im eigenen Land in Abhängigkeit von Russland geriet, fanden alle Gipfeltreffen – und das waren sehr viele – stets so statt, dass der Minsker Herrscher Putin seine Aufwartung in Russland machen musste. Außer man traf sich "zufällig" am Rande von multilateralen Terminen.

Komplexe Allianzen: China und Saudi-Arabien

"Während hierzulande die Propaganda-Klischees immer gröber werden, die man dem Publikum zur Erklärung der Weltlage anbietet, wird diese immer komplexer", heißt es heute in einem Beitrag von Telepolis-Autor Wolfgang Pomrehn [3].

Da besucht der Chef der größten dem Namen nach kommunistischen Partei des Globus, der über die bald größte kapitalistische Volkswirtschaft gebietet, einen autokratisch und mit archaischen Methoden und Gesetzen regierenden Monarchen, der auf einem gewaltigen Erdölschatz sitzt, und gleich zwei andere Akteure, die unterschiedlicher nicht sein könnten, sind verschnupft.

Milliarden für Rüstungsschrott?

Viel wird jetzt wieder gelacht und viele schütteln den Kopf über die amtierende Verteidigungsministerin Christine Lambrecht von der SPD. Zuletzt war bekannt geworden, dass 18 von, nun, 18 "Puma"-Schützenpanzern aus der Rüstungsschmiede Krauss-Maffei bei einer Gefechtsübung ihren Kampfgeist aufgegeben hatten. Kaputt. Unbrauchbar. Weder gegen die Russen verwendbar, noch gegen andere Bösewichte.

Da hatte aber wohl kein Putin seine Hand im Spiel, das waren die Deutschen selbst. 18 Mal 17 Millionen teurer Hightech-Schrott – und das nächste Drama könnte der im Amt glücklosen Sozialdemokratin Lambrecht bevorstehen.

Denn die zumindest verbal kriegsbereiten Ampelkoalitionäre haben unlängst ja erst zehn Milliarden Euro aus dem Scholz'schen Zeitenwendebudet freigegeben, um 35 US-Atombomber des Typs F-35 zu kaufen. Die werden von Lockheed Martin Aeronautics produziert, einem US-Unternehmen, bei dem – ähnlich Krauss-Maffei – die Öffentlichkeitsarbeit offenbar effizienter arbeitet als die Produktentwicklung.

Das Ergebnis hier zeigte sich im norddeutschen Manöver, jenseits des Atlantiks wenig später in Texas. Dort filmte ein Autofahrer die jüngste Errungenschaft der Bundesregierung beim Landen. Und, na ja, was soll man sagen: Das sah nicht gut aus. Die F-35 neigte sich nach vorn, kippte und katapultierte den Piloten mit Schleudersitz aus.

Nun muss man fairerweise anmerken, dass es sich um eine Sonderentwicklung der F-35 [4] zum Starten von und Landen auf Flugzeugträgern handelte. Wer das Video aber sieht [5], fühlt sich unmittelbar an die Starfighter-Affäre in der ehemaligen Bundesrepublik erinnert.

Von den Jets aus dem Hause Lockheed stürzten in den 1960-er Jahren binnen eineinhalb Jahren 44 Maschinen ab. Insgesamt gingen von den gut 900 F-104 ein Drittel zu Boden, 116 Piloten starben.

Viel scheint sich dann nicht geändert zu haben. Damals wie heute wird eine adäquate Qualitätskontrolle dem unbedingten Willen zur Aufrüstung untergeordnet; damals unter dem Eindruck des Kalten Krieges, heute unter dem des Ukraine-Krieges. 100 Milliarden Euro – das ist offenbar ein riesiger Selbstbedienungstopf.

Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für die USA. Dort bewilligter der Senat unlängst 850 Milliarden US-Dollar für die Aufrüstung, 50 Milliarden mehr sogar, als von der schon nicht aufrüstungsunwilligen Biden-Regierung gefordert worden war. Viele Aufträge, so wird in der US-Presse kritisiert, würden ohne Ausschreibung vergeben.

Passt zu Weihnachten: Ein Riesenbescherung für die Rüstungsindustrie und ihre Lobbyisten. Das Geld aber wird vielerorts fehlen. In Kinderkrankenhäusern, der Pflege, dem Gesundheitswesen allgemein, der inländischen Produktion fehlender Arzneimittel, krisenbelasteten Privathaushalten, Schulen, nachholender Unterstützung von Kindern nach den Corona-Lockdowns, dem Ausbau regenerativer Energien, dem Waldschutz, der Verkehrswende, günstigen Bahntickets …

Artikel zum Thema:

Jürgen Wagner: Bundeswehr-Sondervermögen: Aufrüstung als Konjunkturpaket [6]
Peter Mühlbauer: Europäische Verteidigungsminister kaufen zunehmend lieber in den USA [7]
Peter Mühlbauer: Puma-Panzer kosten doppelt so viel wie geplant [8]
Karl-Heinz Peil: Milliardengrab Kampfjet F-35 – auch für Deutschland [9]


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7433719

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/tp/features/EU-Energieminister-einigen-sich-auf-Gaspreisdeckel-7432777.html
[2] https://www.heise.de/tp/features/Russland-und-Belarus-gleiche-Weltsicht-andere-Interessen-7432901.html
[3] https://www.heise.de/tp/features/China-baut-Beziehungen-zu-den-arabischen-Staaten-aus-7398522.html
[4] https://www.marinecorpstimes.com/news/your-marine-corps/2022/12/15/pilot-ejects-after-f-35b-crashes-on-texas-runway/
[5] https://www.youtube.com/watch?v=t9GBHNaYzcs
[6] https://www.heise.de/tp/features/Bundeswehr-Sondervermoegen-Aufruestung-als-Konjunkturpaket-7132552.html
[7] https://www.heise.de/tp/features/Europaeische-Verteidigungsminister-kaufen-zunehmend-lieber-in-den-USA-4595382.html
[8] https://www.heise.de/tp/features/Puma-Panzer-kosten-doppelt-so-viel-wie-geplant-4475642.html
[9] https://www.heise.de/tp/features/Milliardengrab-Kampfjet-F-35-auch-fuer-Deutschland-7339496.html