Düsseldorf trickst beim Kohleausstieg und ersetzt Umweltkriminalität durch Heimat
- Düsseldorf trickst beim Kohleausstieg und ersetzt Umweltkriminalität durch Heimat
- Die Methusalem-Reaktoren der Nachbarn
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Die Energie- und Klimawochenschau: Von bedrohten Dörfern und dem immer noch gefährdeten Hambacher Forst, von Uralt-Reaktoren in Westeuropa und von der künftigen E-Auto Metropole Sachsen
Wie wenig von einem Konsens beim Kohleausstieg die Rede sein kann, machen nicht nur die anhaltenden Schulstreiks für mehr Klimaschutz deutlich. Auch die schwarz-gelbe Landesregierung in Düsseldorf versucht, kaum ist die Tinte unter dem Bericht der Kohlekommission trocken, zu tricksen. Die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass die nordrhein-westfälische Regierung bis 2022 700 Megawatt (MW) weniger stilllegen will, als von der Kohlekommission gefordert.
Das gehe aus einer Mitteilung des Wirtschaftsministers Andreas Pinkwart (FDP) an den Wirtschaftsausschuss des Landtages hervor. Nach den Plänen der Kommission sollen bis 2022 im rheinischen Braunkohlerevier sieben große Kraftwerksblöcke stillgelegt werden, setzt sich hingegen Pinkwarts Vorschlag durch, so würden es nur sechs. Entweder in Niederaußem oder in Neurath würde dann ein Block weiter laufen. Niederaußem liegt am Tagebau Hambach. Würde dort ein Block länger betrieben, so hätte das unter Umständen auch Auswirkungen auf den umkämpften Hambacher Forst.
Das Blatt zitiert Rainer Priggen, der für die Grünen im Landtag sitzt und der Kohlekommission angehört hat. Dieser sieht "einen Fall von Zechprellerei". NRW bekäme vermutlich Strukturhilfen in Höhe von 15 Milliarden Euro wolle aber nicht seinen Beitrag leisten. Es werde die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Länder auf die Palme bringen, wenn dort nun ein Kraftwerk mehr abgeschaltet werden müsste.
Irgendwie passend zu einer derartig industriefreundlichen Politik hat die CDU-FDP-Koalition am Niederrhein gerade im Landesumweltministerium die Stabsstelle "Umweltkriminalität" zerschlagen, wie der WDR berichtet. Dabei nehme die Zahl der gemeldeten Straftaten zu. Aber dafür gibt es in Düsseldorf jetzt eine Stabsstelle "Heimat". Weniger Umweltschutz mehr Ideologie, scheint das Motto der Schwarz-Gelben im Kampf gegen den Wandel und für die Verteidigung überkommener Konzerne und Technologien.
Zerstörungen gehen weiter
Bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace, die ebenfalls in der Kohle-Kommission vertreten war, argumentiert man derweil, dass es in den Verhandlungen klar gewesen sei, dass im Westen bis 2022 drei Gigawatt (3000 MW) und nicht die jetzt von Pinkwart angekündigten 2,4 Gigawatt (GW) abgeschaltet werden sollen. Würden vor allem Blöcke in Neurath und Niederaußem abgeschaltet, müsse kein weiteres Dorf zerstört werden, rechnen die Umweltschützer vor.
Gemeinsam mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz BUND und dem Deutschen Naturschutzring DNR hatte Greenpeace am Montag die Bundesregierung aufgefordert, so schnell wie möglich eine Einigung mit RWE über die Stilllegung von drei GW in Neurath und Niederaußem auf den Weg zu bringen. Die ersten Abschaltungen müsse es bereits 2020 geben. "Die Bundesregierung muss jetzt verbindlich regeln, dass RWEs schmutzigste Braunkohlekraftwerke bis spätestens 2022 vom Netz gehen", meint Greenpeace Geschäftsführer Martin Kayser.
Der Bergbaukonzern LEAG schaffe in Ostdeutschland ebenso weiterhin Fakten wie RWE im Rheinland. Beide Unternehmen würden die Zerstörung von Dörfern vorantreiben. "Mit den Eckpunkten des Kohlekompromisses können die Dörfer in Ost und West gerettet werden", meint der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Die jeweiligen Landesregierungen müssten die weitere Zerstörung aufhalten und die Tagebauplanungen entsprechend ändern und sozialverträgliche Lösungen für alle von der Umsiedlung Betroffenen schaffen.
Außerdem verlangen die Verbände von der Bundesregierung bis Mai analog zur Gesetzgebung über den Strukturwandel auch Eckpunkte für ein Gesetz zum Kohleausstieg. "Strukturhilfen und Klimaschutz müssen verzahnt sein", fordert der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Das sei auch die Empfehlung der Kommission.
Kein Klimaschutzgesetz
Doch mit Klimaschutzgesetzgebung hat es die Bundesregierung noch immer nicht besonders eilig. Längst liegt ein Entwurf des Umweltministeriums für ein Klimaschutzgesetz vor, doch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) darf ihn nicht der Öffentlichkeit vorstellen, wie aus der Süddeutschen Zeitung zu erfahren ist.
In der Union habe man noch keine Position. Unter anderem tagt noch die Kommission "Zukunft der Mobilität" deren Ergebnis in den Prozess einfließen sollen, und der vom zuständigen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bereits "jeder Menschenverstand" abgesprochen wurde.
Noch schlechter hat sein Parteifreund Horst Seehofer gearbeitet, der die bei ihm angesiedelte Kommission "Klimaschutz in Gebäuden" noch nicht eingesetzt hat. Überhaupt sei nicht einmal sicher, ob diese überhaupt zustande komme, so die Zeitung. Heimatschutz heißt für den Minister eben vor allem, Menschen mit aller Gewalt in Kriegsgebiete abzuschieben, aber keineswegs Schutz vor den Folgen des Klimawandels. Das vergangene Jahr hatte zum Beispiel eine schwere Dürre zu einem der schlimmsten Waldbrandjahre der Geschichte gemacht, aber das berührt den "Heimatschutzminister" offensichtlich nicht weiter.
Gegen Wegwerf-Bekleidung
Großbritannien hat sich zwar erst letzten Freitag zum ersten Mal im größeren Rahmen an den Schulstreiks fürs Klima beteiligt, aber eine starke Umweltschutzbewegung gibt es dort schon lange. Eine größere, spektakuläre Aktion gab es zum Beispiel an einem Samstag im vergangenen November. Wie seinerzeit berichtet, legte die sogenannte Extinction Rebellion die Londoner Innenstadt zeitweise lahm. Das Anliegen: Auf das massive Artensterben aufmerksam zu machen, das unter anderem auch auf den Klimawandel zurückzuführen ist.
Am vergangenen Sonntag schlugen Anhänger der Extinction Rebellion erneut zu, wie die britische Zeitung Guardian berichtet. Straßen rund um die Veranstaltungen der Londoner "Fashion Week" wurden blockiert, um gegen "die wachsende Wegwerfkultur" in der Bekleidungsindustrie zu protestieren. Die Veranstalter wurden aufgefordert, einen "Klima-Notstand" auszurufen. Die Besucher der Messe haben nach dem Zeitungsbericht zum Teil sympathisierend auf die Aktionen der etwa 150 Protestierer reagiert.