ET jagt nach extraterrestrischen Gravitationswellen

Seite 2: Streckende und stauchende Wellen

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Via Gravitationswellen wollen Physiker dieses Geheimnis nunmehr entschlüsseln. Gravitationswellen (GW) sind ein kosmisches Phänomen, das Albert Einstein in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie 1916 (ART) vorhersagte. Gemeinhin charakterisieren Wissenschaftler diese als Wellen in der Raumzeit, als Erschütterungen der Raumzeit, die den Raum selbst minimal strecken und stauchen.

Irritationen der Raumzeit stellen sich beispielsweise ein, wenn schwere Massen wie Schwarze Löcher oder Neutronensterne miteinander kollidieren. Da massereiche Objekte den Raum krümmen und zugleich die Raumzeit formen, kann sich ein Teil der Krümmung von dem Kollisionsbereich ablösen und "wie das Licht eines Sterns ins All vordringen", verdeutlicht der bekannte deutsche Astrophysiker Martin Bojowald, der an der Penn State University in Pennsylvania (USA) lehrt und forscht.

Computersimulation von zwei kollidierenden Schwarzen Löchern. Bild: AEI/ZIB/Benger

Laut ART verursacht jegliche Masse eine Delle in der Raumzeit. Je massereicher der Körper, desto stärker der Effekt. Gerät das Objekt zudem in Bewegung, breiten sich die Dellen ähnlich wie bei einer seismischen Welle langsam aber stetig in alle Richtungen aus. Da sich infolgedessen der Raum kurzfristig und rhythmisch staucht und dehnt, verändern sich auch die Abstände zwischen den kosmischen Körpern.

Das Passieren einer Gravitationswelle würde sich durch winzige periodische Änderungen in Abständen zwischen Objekten bemerkbar machen, da Gravitationswellen ja eine sich ausbreitende Störung der Raumzeit sind", erklärt Bojowald. "Wenn man Abstände sehr genau messen kann, stellt dies eine Nachweismöglichkeit für Gravitationswellen dar […].

Erste und zweite Generation

Seit 2005 versuchen deutsch-britische Forscher mit dem bei Hannover installierten Geo600-Gravitationswellen-Detektor die Erschütterungen der Raumzeit zu messen. Aber wie ihre Kollegen in den USA mit dem LIGO-Observatorium, dem Team in Italien mit VIRGO und den Forschern in Japan mit LAMA konnten sie mittels zahlreicher Abstandsmessungen noch keine Gravitationswelle direkt nachweisen. Immerhin konnten sie mit den Laserinterferometern der ersten Generation die angewandte Technik ständig verbessern und im Verbund zumindest indirekt Gravitationswellen nachweisen.

Gravitationswellen aus der Sicht eines Künstlers. Bild: NASA

Um die wellenartige Störungen der Raumzeitgeometrie aufzuspüren, nutzt das GEO600-Team um den Astrophysiker Karsten Danzmann ein klassisches Michelson-Interferometer, das aus zwei parallel laufenden 600 Meter langen Vakuumröhren besteht, in denen Laserstrahlen hin und her flitzen.

Indem man, so Danzmann, die Laserstrahlen überlagere und das entstehende Interferenzmuster studiere, lassen sich sehr präzise Änderungen in der Differenz zwischen den beiden Armlängen nachweisen. "Solche relativen Längenveränderungen sollten entstehen, wenn eine Delle in der Raumzeit vorbeiläuft und dabei den einen Arm leicht staucht, den anderen dehnt", erläutert Danzmann.

Eine Röhre der Geo600-Anlage. Bild: Albert Einstein Institute Hannover

Das größte Problem bei der Detektion der Gravitationswellen besteht darin, die extrem winzige relative Längenänderung der Vakuumröhre zu registrieren. Schließlich gilt es, Längenveränderungen zu erfassen, die sage und schreibe nur einem Tausendstel des Durchmessers eines Protons entsprechen. So nimmt es nicht wunder, dass die weltweit operierenden Gravitationswellen-Jäger die Empfindlichkeit ihrer Sensoren permanent erhöhen und zurzeit den Aufbau der zweiten Teleskop-Generation zügig vorantreiben.

Wenn das Advanced LIGO und die "Advanced VIRGO" 2015 ihre wissenschaftliche Arbeit aufnehmen, spricht vieles dafür, dass sie aufgrund ihrer 10-mal höhere Empfindlichkeit erstmals Gravitationswellen direkt nachweisen. Bei alledem könnte die neue Generation von LIGO und VIRGO zehn Mal weiter ins All horchen als jemals zuvor und somit auch weit entfernte massereiche miteinander kollidierende Schwarze Löcher oder Neutronensterne mühelos aufspüren.