EU-Mobilfunk-Roaming: Telefonieren wie zuhause?

Bild: Kai Hendry. Lizenz: CC BY 2.0

Mit dem seit Mitte Juni geltenden EU-weiten Roaming sollte Telefonieren in der EU so billig werden, wie zuhause - einige Fußangeln sind geblieben

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Dass es mit dem von der EU durchsetzten Mobilfunkroaming (″roam like at home″) in der Praxis dann doch nicht ganz so elegant funktionieren würde, wie die EU-Kommission angekündigt hatte, war durchaus zu erwarten. Das EU-weite Roaming gilt grundsätzlich nur innerhalb der EU und dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), das sind Liechtenstein, Norwegen und Island. Die Schweiz gehört nicht dazu - und das hat dann auch Konsequenzen.

Nicht alles, was sich der unbedarfte Nutzer unter dem kostenlosen EU-weiten Roaming vorgestellt hat, wurde auch realisiert. Manches wurde wohl schlicht übersehen oder bei der Umsetzung vergessen, anderes wurde so geschickt ins Kleingedruckte verschoben, dass es dem Nutzer erst einmal gar nicht auffällt. Und Manches ist eine Folge des ausschließlichen Blicks auf die Reisenden. Noch hatten die meisten Mobilfunkkunden keine Gelegenheit, sich ihre Rechnungen mit den Auslandsumsätzen vom Sommerurlaub genauer anzusehen.

Fallstricke, die es in sich haben

Zu den Spezialitäten zählen die Verträge mit sogenannten Community-Verbindungen zwischen Kunden des selben Anbieters. Die sind weiterhin nur im Heimatland kostenlos. Im EU-Ausland sind diese Verbindungen jedoch kostenpflichtig. Hier gilt das Modell ″roamen wie zuhause″ nicht. Wer sich über die jeweils aktuellen Tarife seines Anbieter vor der geplanten Reise informiert, kann sich ein böses Erwachen nach der Rückkehr vom Urlaub ersparen. Da sich die Tarife der jeweiligen Anbieter auch im Laufe des Jahres ändern können, ist es sinnvoll, sie vor jeder geplanten Auslandsreise zu überprüfen. So gelten beispielsweise beim Angebot der Tchibo Mobilfunk GmbH & Co. KG die aktuellen Roaming-Preise seit dem 17.07.2017. Hier zeigt sich auch, dass die Roaming-Preise bei Reisen in ferne Länder nicht gefallen sind. Knappe drei Euro pro Minute schlagen bei den meisten dieser Reisezielen zu Buche und da bekommt das alte Motto der Telefonabteilung der verflossenen Bundespost ″Fasse dich kurz″ wieder neue Bedeutung.

Telefonkunden wird bei Auslandsreisen empfohlen, die SMS ihres Anbieters genau zu lesen. Er muss sie auf diesem Wege über zusätzlich anfallende Gebühren informieren und Warnungen verschicken, wenn das Surfvolumen aufgebraucht ist. Leider gibt es in Deutschland auch Tarifangebote ohne SMS-Empfang. So kann ein Kunde, der mehrere Sim-Karten mit der gleichen Telefonnummer im Rahmen eines Multi-Sim-Angebots nutzt, SMS nur auf dem Mobilfunkgerät erhalten, für das die SMS-Funktion aktiviert ist. Diese Besonderheit führt dazu, dass der Kunde den Warnhinweis nur dann bekommt, wenn er mit dem aktivierten Smartphone unterwegs ist. Liegt das Hauptgerät mit dem aktivierten SMS-Empfang nun in Deutschland, wird die Nachricht auch dort nicht empfangen, da dieses Gerät sich ja nicht im Ausland eingeloggt hat.

Was fällt unter das EU-Roaming und was nicht?

Der türkisch besetzte Nordteil Zyperns wird ebenso wie ein Teil der EU betrachtet, wie dies auch bei französischen Überseedepartements gilt. Für Monaco oder den Vatikanstaat gilt das EU-Roaming jedoch nicht. Auch im Falle von Grönland muss man auf die Vorteile des EU-Roamings verzichten. Da der Fokus bei der Regulierung des Roamings auf den Reisenden lag, beschränkt sich die mobilfunktechnische europäische Integration auch auf diese.

Erfolgt ein Anruf beispielsweise aus Deutschland ins EU-Ausland handelt es sich nicht um Roaming und somit werden auch weiterhin die Gebühren entsprechend dem jeweils gebuchten Tarif berechnet. Um einen Missbrauch des EU-Roamings zu vermeiden, dürfen ausländische Sim-Karten nur im Rahmen einer Reise benutzt werden. Wenn jemand dauerhaft mit einer lettischen Karte im deutschen Netz telefonieren will, muss er sich mit seiner Karte regelmäßig ins Netz des lettischen Anbieter einloggen, sonst verliert er den EU-Roaming-Status.

Sonderfall Schweiz

Die Schweiz hat sich am EU-Roaming nicht beteiligt. Das führt auf der einen Seite dazu, dass für die in die EU reisenden Schweizer Mobilfunknutzer das Roaming nicht billiger wird. Auf der anderen Seite bieten Anbieter wie die Deutsche Telekom jedoch ihren Kunden auch in den Schweizer Netzen eine Regelung an, die dem EU-Roaming entspricht. Die Schweiz wird dann beispielsweise von der Deutschen Telekom wie ein Land der EU behandelt.

Doch Vorsicht: Dieses Angebot gilt nur für Kunden der Deutschen Telekom, deren MagentaMobil-Vetrag nach dem 16.4.2016 abgeschlossen wurde. Für alle anderen Verträge gelten die alten Konditionen. Ob es sich jetzt lohnt, auf einen neuen Tarif zu wechseln, muss der Kunde anhand seines Nutzungsverhaltens selbst entscheiden. Altverträge haben durchaus Vorteile, da bei diesen beispielsweise für einen Multisim-Vertrag je Karte lediglich eine einmalige Gebühr von 30 Euro pro Karte fällig wird. Schließt man einen neuen Vertrag ab, fallen pro Sim-Karte und Monat fünf Euro Gebühren an.

Doppel-Sim-Smartphones und Apps

Wer außerhalb des Gültigkeitsbereichs des EU-Roamings preiswert telefonieren will, kann sich im jeweiligen Land eine Prepaid-Sim-Karte kaufen, die vielfach mit einem Promotion-Startguthaben an Flughäfen angeboten werden. Man muss dazu einen gültigen Reisepass vorlegen und kann mit der Sim-Karte im Inland preiswert telefonieren. Auslandsgespräche sind jedoch wahre Gebührenfresser. Da öffentliches WLAN gerade in Asien weiter verbreitet ist als in Deutschland, kann man fürs Telefonieren auch auf Angebote wie das japanische Line umsteigen.