Ecuadors Präsident Correa kündigt nach Vereidigung Staatsreform an

US-Luftwaffe soll das Land spätestens 2009 verlassen

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"Alerta, alerta, alerta que camina la espada de Bolívar por América Latina", hallt es durch die Straßen, wenn in Venezuela die Anhänger von Präsident Hugo Chávez demonstrieren: "Achtung, das Schwert Bolívars zieht durch Lateinamerika". Es ist eine durchaus realistische Metapher. Denn nicht nur Caracas orientiert sich an dem Antikolonialismus General Simón Bolívar, der im 19. Jahrhundert gegen die Spanier gekämpft hatte. Immer mehr Staaten der Region schwenken auf den Kurs der Linksallianz von Bolivien, Kuba und Venezuela ein. Seit Montag gehört auch Ecuador zu dem Bündnis (Neue ecuadorianische Regierung setzt auf Runderneuerung der Politik). Bei der Vereidigung von Rafael Correa zum Präsidenten des Andenstaates überreichte ihm sein venezolanischer Amtskollege Chávez daher ein symbolträchtiges Geschenk: eine Nachbildung des Schwertes von Simón Bolívar.

Der 43-jährige Wirtschaftswissenschaftler ließ an der Übereinstimmung mit Chávez keinen Zweifel. Gleich nach dem „Dekret Nummer 1" seiner Vereidigungsurkunde unterzeichnete Correa eine Anweisung an die Wahlbehörde. Sie soll bis zum 18. März eine Volksabstimmung über die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung ausrichten. Ecuador, so kündigte der frisch angetretene Staatschef vor rund 1.200 internationalen Gästen an, stehe vor einer "Bürgerrevolution", in deren Verlauf die Macht der traditionellen Parteien deutlich zurückgedrängt werden solle. In Ecuador herrsche bislang ein "perverses System, das unsere Demokratie, unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft zerstört hat".

Auseinandersetzungen wie in Bolivien und Venezuela

Correa sucht die Konflikte mit dem Establishment damit schneller, als es mancher Beobachter erwartet hat. Der Vergleich zu Bolivien und Venezuela liegt nahe. Auch dort sind die traditionellen Parteien durch die soziale Krise der vergangenen Jahre diskreditiert. Auch in Bolivien und Venezuela sind mit Evo Morales und Hugo Chávez parlamentarische Außenseiter auf der Basis breiter sozialer Bewegungen an die Staatsspitze gelangt. Und wie in den beiden Ländern soll auch in Ecuador der Staat von oben und mit der massiven Unterstützung von unten erneuert werden. Daran ließ Correa schon am Vortag der offiziellen Vereidigung kein Zweifel.

"Die bittere Nacht des Neoliberalismus ist zu Ende gegangen", hatte er seinen Anhängern in dem Indiodorf Zumbahua zugerufen. Nun würden die Bevölkerung an die Macht zurückkehren. Und man stehe am Beginn eines "freien, souveränen und sozialistischen" Lateinamerikas. Solche Sprüche könnten als populistische Rhetorik abgetan werden, wären sie nicht von konkreten Erklärungen begleitet. So lehnt Correa das Freihandelsabkommen ALCA der USA entschieden ab, weil es "Landwirtschaft, Arbeit und Infrastruktur" zerstören würde. Er weiß, wovon er spricht: Correa hat Wirtschaftswissenschaften in den USA und Europa studiert. Im Jahr 2005 war er kurzzeitig Wirtschafts- und Finanzminister seines Landes, bis er aus Protest gegen die Regierung unter Alfredo Palacio zurücktrat, weil er eine Abkehr von der neoliberalen Wirtschaftspolitik nicht durchsetzen konnte.

Dass sich das nun ändern könnte, ist vor allem der Opposition im Land klar. In der Tagespresse wetterte sie gegen die erste Entscheidung des Präsidenten. Mit der Ausrichtung eines Volksentscheids umgehe er das Parlament, das einer verfassunggebenden Versammlung mehrheitlich zustimmen müsste. Das Kräftemessen zwischen Parlament und Bevölkerung kann sie aber nicht gewinnen, weder moralisch, noch realpolitisch. So mussten die Correa-Gegner rund zwei Monate nach der Wahl mit ansehen, wie Parlamentspräsident Jorge Cevallos dem politischen Gegner den Amtseid abnahm. Cevallos, der zu der „Institutionellen Erneuerungspartei Nationale Aktion" des unterlegenen Amtsanwärters Gustavo Noboa (Ecuador auf dem Weg zur Bananenrepublik?) angehört, hatte sich zuvor geweigert, Correa die Präsidentenschärpe überzustreifen. Dies übernahm schließlich der parteilose Vorgänger Palacio.

Gemeinsamer Gegner: die USA

Zu erwarten ist, dass die wirtschaftspolitischen Maßnahmen Boliviens und Venezuelas auch in Ecuador umgesetzt werden. Neben einer Reform des Staatsapparats kündigte Correa am Montag bereits an, die Verträge mit den internationalen Ölkonzernen neu verhandeln zu wollen. Statt wie bisher ausschließlich auf den Export von Rohstoffen und einfachen Agrarprodukten zu setzen, will er die Binnenwirtschaft stärken. Die Mehrwertsteuer soll gesenkt werden. Wahrscheinlich ist auch eine Eingliederung in den alternativen Wirtschaftsverband ALBA, das als Gegenmodell zu dem US-dominierten ALCA-Projekt von Venezuela und Kuba gegründet wurde. Die internationalen Gäste überraschte Ecuadors neuer Präsident mit einem unkonventionellen Vorschlag: Er plädiere dafür, ein internationales und unabhängiges Tribunal zu schaffen, das über die Schulden der Staaten der so genannten dritten Welt entscheidet.

Die große Gemeinsamkeit ist neben der sozialen und wirtschaftlichen Reformpolitik die Ablehnung der traditionellen US-Dominanz in der Region. Correa hat nach Amtsantritt erneut bekräftigt, dass ein 1999 mit der US-Regierung geschlossener Pachtvertrag für den Flughafen in der westecuadorianischen Stadt Manta nicht verlängert wird. Die dortige US-Luftwaffenbasis muss demnach in zwei Jahren geräumt werden. Die Verweigerung der Vertragsverlängerung ist ein Bestandteil Correas' Regierungsziels, die US-Hegemonie in der Region zurückzudrängen. Immerhin griff das Südkommando der USA von der Luftwaffenbasis aus mehrfach direkt in den sozialen und bewaffneten Konflikt in Kolumbien ein. Im Interview mit dem südamerikanischen Nachrichtensender Telesur hatte Correa den USA im Dezember ein Kompromissangebot unterbreitet: Er sei bereit, den Vertrag für den Flughafen in Manta zu verlängern, wenn die US-Regierung einwillige, dass Ecuador eine Luftwaffenbasis in Miami im US-Bundesstaat Florida errichtet.

Ausdruck fand der US-kritische Charakter der neuen Linksallianz aber auch in den Gästen. An der Vereidigung Correas nahm nicht nur der Präsident der von Marokko besetzten Demokratischen Arabischen Republik Sahara, Abdelkader Taleb Oumar, teil, sondern auch der saudische Machthaber Abdullah bin Abd Al Aziz - und der iranische Staatschef Mahmud Ahmadinedschad. Letzterer hatte zuvor mit Venezuela rund ein Dutzend wirtschaftlicher Kooperationsverträge unterzeichnet. Die USA, sagte er, befänden sich „im Krieg mit der Welt". Iran und die fortschrittlichen Staaten Lateinamerikas seien für den Frieden.