Ein Drittel der Deutschen glaubt, in Scheindemokratie zu leben

Allensbach-Umfrage zeigt: Viele Deutsche sind nicht nur unzufrieden mit der Demokratie, sie fordern auch ein anderes politisches System. Linken-Politiker gibt Corona-Politik eine Mitschuld.

Viele Deutsche glaubt nicht mehr an das demokratische System in Deutschland. Eine aktuelle Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag des SWR ergab, dass ein Drittel der Bundesbürger davon ausgeht, in einer Scheindemokratie zu leben, "in der die Bürger nichts zu sagen haben".

Auffällig an den Ergebnissen ist der Ost-West-Unterschied. Während in Westdeutschland "nur" 28 Prozent diese Auffassung teilen, waren es in Ostdeutschland 45 Prozent. Rund 28 Prozent aller Befragten gab an, dass das demokratische System in Deutschland "grundlegend geändert" gehöre.

Für den ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Linken im Bundestag, Jan Korte, ist das Umfrageergebnis zwar besorgniserregend, aber nicht überraschend. Gegenüber Telepolis erklärte er, "dass auch bei uns französische Verhältnisse alles andere als undenkbar sind".

Der Neoliberalismus habe "über Jahrzehnte hier wie dort mit der Prekarisierung der Beschäftigung und seiner gnadenlosen Wettbewerbsideologie den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft nachhaltig zerstört", so Korte. Seit längerem sei gerade in den ärmsten Teilen der Bevölkerung eine rasante Entpolitisierung zu beobachten. Außerdem hätten viele kaum noch Hoffnung, die Lebensverhältnisse politisch verändern zu können; deshalb hätten sie "sich aus dieser Gesellschaft abgemeldet".

Das Allensbach-Institut hatte die Umfrage im Auftrag des SWR für die Dokumentation "Story im Ersten: Mord an der Tankstelle – Vom Protest zur Gewalt?" vorgenommen, die am Montag in der ARD ausgestrahlt werden sollte.

Der Sender hatte herausfinden wollen, inwieweit rechtsradikale Gesinnung, Verschwörungstheorien und demokratiegefährdende Meinungen im Zusammenhang mit dem Protest gegen die Corona- Maßnahmen verbreitet seien.

Im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein war im September ein Tankstellenmitarbeiter erschossen worden. Dieser Vorfall erregte bundesweite Aufmerksamkeit – und wird als bisher schwerste Straftat im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gesehen. Ein 50-Jähriger soll dabei sein 20-jähriges Opfer nach einem Streit um die Maskenpflicht erschossen haben.

Nach Bekanntwerden der Umfrageergebnisse äußerte sich auch der Deutsche Journalistenverband (DJV) besorgt über den Zustand der Demokratie. Wer der Meinung sei, lediglich in einer "Scheindemokratie" zu leben, der halte "auch das Grundrecht der Pressefreiheit für verzichtbaren Luxus", sagte der DJV-Bundeschef Frank Überall. Politiker müssten den Menschen Entscheidungsprozesse besser erklären.

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