Ein bisschen FUD muss sein

Ein Kommentar zur Warnung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) vor ihrer Verbotsliste

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FUD, also "Fear, Uncertainty, Doubt" (Angst, Unsicherheit, Zweifel) ist ein beliebtes Mittel um das zu erhalten, was begehrt wird. Dabei wird es von diversen Gruppen genutzt. Exemplarisch seien hier Anwälte und Polizisten genannt: So setzen z.B. die "Pornoabmahnanwälte" auf die Angst der Angeschriebenen, innerhalb der eigenen Familie oder des Bekanntenkreises als Pornokonsument bekannt zu werden. Die Polizei, die Menschen zu einer Aussage bewegen will, setzt dabei gerne den Begriff "Vorladung" ein, obwohl die Einladung keineswegs mit einer offiziellen Vorladung (z.B. durch die Staatsanwaltschaft) zu vergleichen ist. Der Begriff "Vorladung" wird hier anscheinend genutzt, um die Angst vor Sanktionen bei Nichterscheinen zu wecken.

Gerade auch im Bereich der Listen, die von Providern zu blockierende Seiten enthalten, ist FUD ein gerne genutztes Mittel, um Menschen davon abzuhalten, sich allzu genau mit den Seiten zu befassen. Schnell wird suggeriert, dass der Besitz oder die Verbreitung der Liste (genauso wie das Ansehen der dort aufgelisteten Seiten) mit großen Gefahren wie z.B. Strafverfolgung verbunden ist. Die Angst vor solchen Maßnahmen soll offenbar dazu führen, dass die Listen weder angeschaut noch überprüft werden. Stattdessen soll in einer Art Kadavergehorsam einfach angenommen werden, dass die Verantwortlichen schon das Richtige tun.

Vorwurf der Verbreitung von Kinderpornographie als ultimatives Druckmittel

Es kommt so gesehen wenig überraschend, dass die BPjM auf dieses bewährte Mittel zurückgreift, um im Fall der veröffentlichten Blocklisten aktiv zu werden. Die Seite Netzpolitik.org, die die Liste verlinkte, wurde prompt mit der Androhung einer Anzeige wegen Verbreitung von Kinderpornographie unter Druck gesetzt, um die Verlinkung zu unterlassen. Netzpolitik.org kam dieser Aufforderung nach und begründete dies wie folgt:

Die KJM droht uns mit Strafanzeige - wegen Verbreitung von Kinderpornografie. Das ist ein schwerwiegender Vorwurf, der für mich als Autor des Beitrags und Markus als Verantwortlichen von netzpolitik.org nicht nur jahrelangen Stress durch Gerichtsverfahren, sondern im schlimmsten Fall auch eine Verurteilung und persönliche Haftung für eine der unangenehmsten Straftaten bedeuten könnte. Ach ja, und bis zu einer halben Millionen Euro Strafzahlungen - zusätzlich zu den Anwaltskosten. Und es ist durchaus möglich, dass Staatsanwälte und Gerichte das anders sehen als wir - und uns verurteilen. Aus diesen Gründen haben wir - entgegen unserer Überzeugung - beschlossen, den Link im Original-Beitrag herauszunehmen. Das hält natürlich keine einzige Person davon ab, die Seite trotzdem zu finden.

Auch wenn die Begründung nachvollziehbar ist, zeigt sie deutlich, wie stark die Berichterstattung durch die bloße Androhung, jemand könne wegen Verbreitung von Kinderpornographie angezeigt werden, eingeschränkt wird, da die möglichen Folgen zu negativ sein könnten. Das Prinzip von "FUD", hier insbesondere FU (Angst und Unsicherheit) funktioniert hier sehr erfolgreich. Andere Medien haben die direkte Verlinkung der Liste nicht mehr in Betracht gezogen. Diese ist jedoch weiterhin im Netz verfügbar.

Dabei ist das, was die BPjM behauptet, keineswegs eine unumstößliche Tatsache zu sehen. Vielmehr ist die Frage, ab wann die bloße Verlinkung einer Seite, auf der Links zu kinderpornographischen Inhalten sein könnten, eine Verbreitung von Kinderpornographie darstellt, alles andere als trivial. Die Meinungen der Juristen sind hier vielfältig. So urteilt beispielsweise der Lawblogger Udo Vetter, es sei zwar "durchaus riskant, direkt auf strafbare Inhalte - etwa kindepornografische Darstellungen - zu verlinken", aber das sei "hier nicht der Fall, da die Liste der Bundesprüfstelle in der veröffentlichten Form selbst schon gar keine klickbaren Links enthält, sondern nur die URLs in Textform".

Ebenso verhält es sich mit der Frage, ab wann der bloße Aufruf einer Webseite mit kinderpornographischen Inhalten strafbar ist. Udo Vetter weist darauf hin, dass gemäß § 184 b Abs. 4 Strafgesetzbuch nicht einmal die Tatsache, dass jemand zahlender Kunde eines Kinderpornogaphieanbieters ist, automatisch zur Strafbarkeit führt. In der Vorschrift heißt es wörtlich:

Wer es unternimmt, sich den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer die in Satz 1 bezeichneten Schriften besitzt.

Der Schluss, wer sich bei einer derartigen Seite angemeldet und sich die Inhalte angesehen hat, sei notwendig auch ein Straftäter, ist Vetters Meinung nach unzutreffend, weil umstritten ist, ab wann eine kurzfristige Speicherung z.B. kinderpornographischer Schriften im Cache als Besitz gilt. Gleiches gilt ihm zufolge für die Ansicht, schon allein die Anmeldung sei strafbar.

Die BPjM hat ein durchaus nachvollziehbares Interesse daran, dass die Auseinandersetzung mit der nunmehr im Internet verfügbaren Liste der zu blockierenden Seiten nicht allzu kritisch wird. Denn, wie auch Netzpolitik.org erläutert, werden beim Blockieren nicht nur ein, sondern gleich mehrere Fehler gemacht, die stets beim Thema "Filtern/Zensieren" moniert werden.

Webseitenblockade: zu viel, zu lang, zu inaktuell

So stellt sich zum einen die Frage, wieso beispielsweise eine Seite, die sich mit der Geeignetheit von psychischer Gewalt bei Kindern auseinandersetzt und dabei die Bibel anführt, geblockt wird. Doch auch jene Seiten, bei denen man die Blockade auf Anhieb nachvollziehen kann, zeigt sich, dass ganze Domains wegen einer Subdomain gesperrt werden, Seiten, die mittlerweile keine strafbaren Inhalte mehr zeigen, weiterhin gesperrt sind.

Nach §18 des Jugendschutzgesetzes verliert eine Aufnahme in die Liste erst nach Ablauf von 25 Jahren ihre Wirkung, was dazu führt, dass solche "Altlasten" in Zeiten von schnelllebigen Webseiten einfach weitergeführt werden und die Statistik schönen, ohne tatsächlich strafbare Inhalte aufweisen zu müssen. Es kommt auch vor, dass ganze Sammlungen wegen einzelner strafbarer Bilder oder Texte gesperrt werden. Das Überblicksurteil von Netzpolitik.org zur Verbotsliste lautet:

Die meisten Einträge der Liste können als eine der folgenden Kategorien eingestuft werden: normale Pornografie, Tierpornografie, Kinder-/Jugendpornografie, Suizid, Nazis oder Anorexie. Auf nur etwa 50-60% der Domains auf der Liste sind die fragwürdigen Inhalten noch zugänglich: Über 10% der Domains sind nicht registriert, weitere 10% sind geparkte Domains, und etwa 20% stellen überhaupt keine Inhalte zur Verfügung (entweder kein DNS-A-Eintrag, kein Webserver auf Port 80 oder eine Umleitung zu einer anderen Domain).

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