Ein gestrandetes Geschäft
- Ein gestrandetes Geschäft
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Der Ölkonzern ExxonMobil warnt nach Produktionsrückgang und Gewinneinbußen vor bevorstehenden größeren Abschreibungen von Reserven
Als Ölreserven gelten jene Lagerstätten, deren genau bekannte Ölmengen mit heutiger Technik vor dem Hintergrund aktueller Rohstoffpreise wirtschaftlich förderbar sein sollen. Sind sie es nicht, gelten sie als Ressourcen. Viele von ihnen hat der hohe Ölpreis in der ersten Dekade des neuen Millenniums zu Reserven befördert - zwischenzeitlich. Mit dem Einbruch des Ölpreises werden sie nun wieder zu dem gemacht, was sie vorher waren. Für Anleger werden sie damit vorerst wertlos: sie sind "stranded assets".
Das weltweite Ölgeschäft hat angesichts der aktuell niedrigen Ölpreise mit Problemen zu kämpfen. Das bisherige Geschäftsmodell bestand meist darin, wenigstens soviel neues Öl zu finden, wie verkauft wurde, es dann unter künftige Verkäufe zu buchen und in die Suche nach neuen Reserven zu reinvestieren. Das funktionierte bei hohem Ölpreis, der 2008 bis auf 147 US-Dollar pro Barrel kletterte. Diese Logik zwang die Unternehmen in einen Teufelskreis, in dessen Folge immer teuere Lagerstätten angegangen wurden. Plötzlich waren auch nichtkonventionelle Vorkommen wie die kanadischen Ölsande attraktiv.
Doch jetzt ist alles anders. Die Anzahl der betriebenen Bohrtürme ist rückläufig. Von den noch 2014 allein in Texas operierenden mehr als 900 Fördertürmen waren im Oktober 2016 noch 250 aktiv. Die Zahl der Erkundungsbohrungen geht zurück. An anderen Stellen der Wertschöpfung kommt es ebenfalls zu Verwerfungen (Tanker-Stau auf den Weltmeeren).
Auch ExxonMobil steckt in einer ernsten Krise - zumindest einem Beobachter zufolge sei das Unternehmen in einem "unumkehrbaren Niedergang" begriffen. Die Profite bewegen sich auf einem 17-jährigen Tiefstand, die Aktien sind 17% weniger wert als noch 2014. Die jährlichen Einkünfte sind in den letzten fünf Jahren um 45% zurückgegangen, die langfristigen Verbindlichkeiten haben sich im gleichen Zeitraum auf 30 Milliarden US-Dollar vervierfacht.
Exxon hatte sich außerdem bei Ausgaben für Bohrungen und neue Erschließungen von Öl- und Gasfeldern zurückgehalten, um Geld für die fälligen Dividendenzahlungen von 9.2 Milliarden US-Dollar allein für die ersten neun Monate des laufenden Jahres aufbringen zu können. Erstmals seit der "Great Depression" hat Exxon in diesem Jahr sein AAA-Kredit-Rating verloren. Und erstmals seit 1992 hat das Unternehmen seine Öl- und Gasreserven vom letzten Jahr nicht vollständig ersetzt.
Ärger im Tschad
Im Oktober 2016 entschied das Hohe Gericht in N'Djamena, der Hauptstadt des Tschad, auf eine Rekordstrafzahlung von 74 Milliarden US-Dollar. Die Summe entspricht dem Fünffachen des tschadischen Bruttoinlandsprodukts. ExxonMobil soll seinen Verpflichtungen als Steuerzahler nicht nachgekommen sein, außerdem seien Lizenzgebühren fällig. Internationale Beobachter glauben nicht, dass der Tschad das Urteil durchsetzen kann. Sie deuten das Urteil eher als ein Signal zu Neuverhandlungen der Abmachungen als etwas, worüber sich Anteilseigner Sorgen machen sollten. Dafür spreche eine einstweilige Verfügung, in der zunächst 669 Millionen US-Dollar gefordert werden. Im schlimmsten Falle würde Exxon seine Vermögenswerte im Tschad verlieren. Doch im Konzern pocht man auf Vertragstreue, um die im Projekt erträumten Langzeitvorteile zu erreichen.
2006 gab es einen ähnlichen Fall mit den ebenfalls vor Ort aktiven Unternehmen Chevron und Petronas, die wegen nicht erfolgter Steuerzahlungen 24 Stunden Zeit hatten, das Land zu verlassen. Später wurde eine Einigung gefunden.
Der Tschad kämpft mit einer Wirtschaftskrise, da die Einnahmen aus dem Ölgeschäft wegen der gegenwärtigen Weltmarktpreise zurückgehen. Boko Haram behindert den Handel mit Nigeria und Kamerun, Haushaltskürzungen haben Streiks und Studentenproteste ausgelöst.
Exxon hatte 2001 mit Erkundungen im Tschad begonnen. Seit 2003 wird Öl gefördert und über die unternehmenseigene Pipeline nach Kamerun gepumpt, von wo aus es verschifft wird.