Ein großer Schritt für die Musikindustrie?

Erstmals bietet ein großes Plattenlabel eine unverschlüsselte MP3-Datei zum Herunterladen an

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Für die Musikindustrie mag es ja sehr wagemutig sein, gleichwohl war es längst an der Zeit, einmal ein Experiment zu wagen. Ob das aber so ängstlich ausgeführt tatsächlich ein aussagekräftiger Test werden wird, darf bezweifelt werden. Gerade einmal ein Remix von einem Song aus der demnächst erscheinenden neuen CD von Meshell Ndegeocello bieten Maverick Records und Vivendi Universal als unverschlüsselte MP3-Datei gegen 99 US-Cents zum Herunterladen auf verschiedenen VUNet-Websites wie mp3.com oder getmusic.com/ an.

Zu diesem Vorpreschen wollte die RIAA, wie Newsbytes berichtet, lieber nichts sagen. Lange Zeit hatte man nur zugesehen, versucht, Gesetze zu schaffen und Kopierschutztechniken zu entwickeln, um möglichst nichts verändern zu müssen, während man sich über die schamlosen Raubkopierer im Internet und die florierenden Tauschbörsen da draußen beklagte - letztlich also mit den Kunden unzufrieden war.

Der kleine Schritt für die Internetbenutzer mag gleichwohl ein großer Schritt für die Musikindustrie sein, den man sehr genau beobachten wird, ohne dass man daraus wirklich wird Schlüsse ziehen dürfen. Maverick preist vor allem an, dass damit dem bezahlenden Kunden die Möglichkeit angeboten wird, die Datei leicht brennen oder auf einem MP3-Player abspielen zu können. Interessant würde es für alle Seiten erst dann, wenn ein breites Angebot vorhanden wäre. Überdies wird sich auch die Musikindustrie darauf einstellen müssen, dass sich über das Internet die Distribution mitsamt den Verkaufsmöglichkeiten auf kurz oder lang verändern wird. Schließlich ist auch nicht gut kapitalistisch gedacht, wenn die Unternehmen, die Verluste fürchten, ihre Pfründe sichern wollen, indem sie sich gegenüber dem freien Markt verschließen, der doch ansonsten so hochgelobt wird, wenn die Gewinne fließen.

Ein großer Schritt auf ein unbekanntes Terrain also mag es für Plattenfirmen sein, die erstmals eine unverschlüsselte MP3-Datei anbieten. Sie nämlich wird dasselbe Schicksal haben wie alle anderen, mit dem Unterschied allerdings, dass jeder ohne jeden anderen Zwischenschritt die Datei kopieren und anderen übermitteln oder zum Herunterladen anbieten kann. Ob sich dafür viele Käufer finden lassen, darf aber nicht nur deswegen bezweifelt werden, schließlich lässt sich das Angebot eigentlich eher als Werbung für die neue CD "Cookie: The Anthropological Mixtape" verstehen, auf die man dadurch aufmerksam macht - und warum sollten viele für Werbung und einen Remix zahlen wollen? Für die CD und das darauf befindliche "Original" des Songs müssen die Interessierten noch einmal zahlen: absurd.

Als Experiment hätte man denn schon die gesamte CD als MP3-Dateien ins Netz stellen sollen - oder zumindest große Teile, so dass für Fans sich ein Kauf auch lohnen würde. Aussagekräftiger wäre es zweifellos auch, wenn es sich nicht um einen relativ unbekannten Musiker handeln würde, sondern um einen Star. Es müsste halt ein reelles Geschäft für beide Seiten sein, während man so eher den Eindruck gewinnen könnte, dass das angeblich wagemutige Experiment nur die Ängste der Musiklabels vor dem Internet bestärken soll - und ansonsten ja nicht viel verloren geht, wenn es schief läuft. Aber wer Angst hat, verfällt schnell in eine Starre, zumal wenn die Politiker noch eilends hinzuspringen, um die Vergangenheit mit neuen Gesetzen zu zementieren.