Ein rechtsextremer farbiger Christ?

Seite 4: Zufall oder System?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Bis jetzt dürfte deutlich geworden sein, bei welchen politischen Positionen die Wikipedia besonders wachsam die Gesinnung öffentlicher Personen verfolgt. Ein Beleg mehr: Je stärker die Kritik an den USA das öffentliche Wirken einer Person bestimmt, umso abstruser fällt der Wikipedia-Artikel aus. Hier empfehle ich als Beispiel die Einträge über Friedensaktivisten wie Ken Jebsen oder den Sänger der Polit-HipHop-Band "Die Bandbreite", Marcel Wojnarowicz. Der Anteil an diffamierenden Äußerungen, die unter der Überschrift "Rezeption", "politische Aktivitäten" oder "Kontroverse" zusammengetragen werden, dürfte in beiden Fällen bei etwa siebzig Prozent liegen.

Ich habe mir daraufhin viele weitere Wikipedia-Artikel über öffentliche, lebende Personen angeschaut und festgestellt, in der Regel agieren die Wikipedia-Autoren sachlich und respektvoll. Diffamierende Äußerungen oder gar ganze Abschnitte, auf denen über die Gesinnung der jeweiligen Person gemutmaßt wird, gibt es extrem selten.

Nun mag man einwenden: Das liegt an der Natur der Sache. Menschen, die sich öffentlich politisch äußern, rufen eben auch mehr Widerspruch hervor.

Aus diesem Grund habe ich mir den Wikipedia-Artikel über das "Zentrum für politische Schönheit" (ZPS) angeschaut. Zu den Aktionen dieser Politaktivisten zählen ein vermeintlicher Transport von Flüchtlingsleichen oder die Entfernung der Gedenksteine der Berliner Mauertoten. Damit haben sie heftige Stürme der Entrüstung im deutschen Blätterwald verursacht. Doch man staune: Bei Wikipedia gibt es keine Kritik. Auf die Frage, warum das so ist, erhielt ein User die Antwort: "Wikipedia ist eine Enzyklopädie, keine Tageszeitung."

Mit dem Argument wären die Artikel über viele andere Friedensaktivisten nur noch halb so lang. Dem ZPS gestehen Wikipedia-Autoren sogar einen Abschnitt "Selbstverständnis" zu, zitieren also Primär-Quellen. Die ungleiche Behandlung ist mehr als offensichtlich. Und was ist das Selbstverständnis des ZPS? Der Kampf gegen eine vermeintliche hartherzige deutsche Bevölkerung mit "moralischen Hochdruckkammern". Doch kein Wörtchen Kritik an den Kriegen der USA. Glaubt da wirklich noch jemand an Zufall?

Verfolgt die deutsche Wikipedia, bzw. eine ihrer Untersektionen, am Ende sogar ein ähnliches Ziel wie das ZPS? Sieht sich die weltweite Enzyklopädie made in USA etwa als stille "moralische Hochdruckkammer", um öffentliche Personen abzustrafen, die an der gegenwärtigen Militärpolitik der NATO unter US-amerikanischer Führung öffentliche Zweifel anmelden. Die auffällige Häufung diffamierender Artikel spräche dafür.

So hätte man ein weiteres Mittel, um die öffentlich wirksame, intellektuelle Schicht in Deutschland unter Gesinnungskontrolle zu stellen. Dabei ist überhaupt nicht abzuschätzen, wie viele Publizisten, Gesellschaftswissenschaftler oder Künstler sich schon jetzt aus Angst vor Diffamierung einer Selbstzensur unterwerfen.