Eine Pille zur Verlängerung des Lebens
Bei Fadenwürmern hat es bereits geklappt: nach Einnahme der Medikamente lebten sie 50 Prozent länger als die unbehandelten Würmer
Bislang sind es nur Würmer, die durch Pillen länger leben, aber natürlich erscheint die Möglichkeit vielversprechend in mancher Hinsicht zu sein, auf einfache Weise auch das Leben von Menschen verlängern zu können. Notwendig scheint nur die Einnahme von Pillen zu sein.
In ihrem Bericht "Extension of Life-Span with Superoxide Dismutase/Catalase Mimetics" schreiben die Wissenschaftler vom Buck Center for Research in Aging, der University of Manchester, dem Center for Molecular Medicine an der Emory University und von Eukarion, einem biopharamazeutischen Unternehmen, in Science (1. September 2000: 1567-1569), dass die Lebensspanne beim Fadenwurm C. elegans durch Medikamente um bis 50 Prozent im Vergleich zu unbehandelten Würmern verlängert werden konnte. Die Medikamente, bestehend aus künstlichen Enzymen, die Sauerstoffradikale binden, konnten auch die Lebensdauer von mutierten Würmern verlängern, die in ihren Mitochondrien geschädigt waren, was eine zunehmende Erzeugung von Sauerstoffradikalen und damit eine vorzeitige Alterung zur Folge hat.
Caenorhabditis elegans war übrigens der erste Mehrzeller, dessen Genom mit 19000 Genen vor zwei Jahren vollständig sequenziert wurde. Der gerade mal einen Millimeter lange und aus 1000 Zellen bestehende Wurm hat auch seine eigene Homepage. Wie bei den Menschen entwickelt er sich von einem Embryo zu einem Erwachsenen, und er hat einen Verdauungstrakt, Nerven, Muskeln, Haut: 40 Prozent seiner Gene sind mit den unsrigen eng verwandt. "Sie sind wie Miniaturmenschen", schwärmt John Sulston, der Direktor des Sanger Centre in Cambridge, an dem die Gensequenzierung zusammen mit dem amerikanischen Genome Sequencing Centre in St. Louis mit der Unterstützung des Medical Research Council und dem National Institute of Health durchgeführt wurde.
Schon letztes Jahr (Ein Wurm auf dem Weg zur Unsterblichkeit) stellten Wissenschaftler der New Yorker Columbia Universität eine C. elegans-Mutante vor, die bis zu vier Mal länger lebt als ihre normalen Artgenossen, deren Lebenserwartung unter günstigen Ernährungsbedingungen gerade mal drei Wochen beträgt. In den genetisch veränderten Würmern fanden die Forscher große Mengen eines Enzyms, das die Zellen vor oxidativen Prozessen schützt und auf diese Weise den Alterungsprozess verlangsamt. Das Enzym, eine Katalase, wurde in dieser Form bisher "ausschließlich in Pflanzen und Pilzen gefunden, in tierische Zellen noch nie".
Angeblich seien die jetzt von den Wissenschaftlern verwendeten Enzyme künstliche Versionen von Dismutasen und eben Katalasen, die auch natürlicherweise zur Bekämpfung von oxidativem Stress gebildet werden, viel effektiver als andere Anti-Oxidantien wie Vitamin E, da sie katalytische Medikamente sind, die Sauerstoffradikale in Wasser verwandeln und sich dann wieder herstellen, um weiter die die Zellen angreifenden Sauerstoffradikale abzubauen.
Für die Wissenschaftler spielen die Mitochondrien beim Alterungsprozess eine wichtige Rolle. Der Metabolismus der Mitochondrien lässt als Nebenprodukt Sauerstoffradikale entstehen, die die Funktion von diesen beeinträchtigen und deren DNA schrittweise schädigen: "Wenn man ein Kraftwerk hat, das Kohle verbrennt, wird man Energie erhalten, aber auch giftigen Rauch", erklärt Douglas Wallace von der Emory University. "Man kann die Toxizität des Rauchs durch Filter im Kamin herabsetzen. In diesem Fall bringen wir eine katalytische Medizin ins Spiel, die wie eine Bürste die Sauerstoffradikale entfernt. Wir sind der Meinung, dass dies die Mitochondrien und die Zelle vor dem Risiko schützt, von den toxischen Nebenprodukten der Mitochondrien geschädigt zu werden, was ihnen ermöglicht, eine viel längere Zeit normal zu funktionieren."
Alterungsprozesse spielen bei vielen Krankheiten wie Alzheimer; Parkinson, Diabetes oder Herzerkrankungen eine Rolle. "Diese Ergebnisse sind der erste wirkliche Hinweis, den wir haben, dass Alterung eine Situation ist, die durch eine geeignete medikamentöse Therapie behandelt werden kann", verheißt Simon Melov vom Buch Institute. "Weitere Untersuchungen bei höheren Organismen in der nahen Zukunft werden es uns ermöglichen, die Frage zu beantworten, ob wir das Altern als Schicksal verstehen müssen oder nicht." Vom Fadenwurm bis zum Menschen ist es allerdings noch ein weiter Weg.