Eine Rechnung, die nur auf dem Papier funktioniert
Aufsichtsratsvorsitzender der FAZ fordert grundsätzliche Kostenpflichtigkeit der Online-Angebote von Zeitungen
Nach dem großen Internet-Goldrausch 2000 kommt jetzt auch bei ins Netz gestellten Angeboten von Zeitungen die große Ernüchterung. Man hatte gedruckte Zeitungen euphorisch und vorschnell schon zum Auslaufmodell erklärt und muss wie der Aufsichtsratsvorsitzende der FAZ Hans-Wolfgang Pfeifer erkennen, dass der erhoffte Profit durch Zeitungen im Netz auf sich warten lässt. Jetzt sollen möglichst die gesamten Internet-Angebote von Zeitungen Nutzungsgebühren kosten. Pfeifer fordert dabei eine mehr an das elektronische Medium angepasste journalistische Machart.
"Nach einer Weile werden die Menschen sehr genau überlegen, was ihnen das Internet bietet und was nicht. Sie werden feststellen, dass das Internet eine tiefere Information nicht bringen kann und auch nicht bringen will." Zitat Hans-Wolfgang Pfeifer, seines Zeichens Vorsitzender des Aufsichtsrats der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und altersweiser Prophet. Allerdings hat er das nicht schon vor zwei oder drei Jahren gesagt, sondern aktuell in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur.
Eine Erkenntnis, die für Internet-Angebote von Zeitungen, die mit teilweise hohen Investitionen gestartet sind, ziemlich spät kommt. Mit Bannerwerbung funktioniert die Refinanzierung der Ausgaben nicht, wie man zähneknirschend feststellen musste. Und so wundert es kaum, dass nun daran gedacht wird, die aufgelaufenen Schulden mit Handaufhalten für jeglichen Service zu tilgen. Das wird so aber leider nicht klappen. Zeitungen sind in erster Linie immer noch etwas, was man am Kiosk erwirbt oder von der Fußmatte aufklaubt - und etwas anderes als ein Newsticker. Wer eine gedruckte Zeitung liest und nicht nur überfliegt, der lässt sich auf eine andere Art von Journalismus ein, als es der User tut. Denn der klickt und scrollt sich meist geschwind durch Textmengen und hat dabei überwiegend auch im Kopf, dass der Gebührenzähler mitläuft. (Vgl.Die Zukunft des Lesens)Hinter gefalteten großen Blättern kann man sich als Morgenmuffel am Frühstückstisch außerdem viel besser vor einer unerträglich kommunikativen Partnerin verstecken als hinter einem windigen Laptop. Auch in der vollen S-Bahn oder in der Touristenklasse eines Jumbos macht die papierene Lektüre wesentlich mehr Spaß.
Nein, es ist ganz einfach so, dass man die Idee der virtuellen Zeitung stark überschätzt hat. (Vgl. Web-Träume nochmal überschlafen) Internet-User brauchen keine langen Textstrecken, sondern kompakte, prägnante Artikel mit weiterführenden und weiterbildenden Links. Insofern hat Pfeifer nicht unrecht, wenn er das Abbilden gedruckter Artikel in unveränderter Form auf der Webseite kritisiert. Es muss sicherlich auch nicht die gesamte Ausgabe im Netz sein, wie es bei der FAZ oder der Rhein Zeitung in Koblenz gemacht wird. Aber Pfeifer irrt sich gewaltig, wenn er glaubt, ein kostenpflichtiges Angebot solcher Texte würde den informationshungrigen Usern gleich scharenweise das Geld aus der Tasche ziehen, bloß weil es sich um die ehrwürdige Frankfurter Allgemeine handelt. Wer derzeit auf die digitalisierten FAZ-Artikel zugreifen will, muss ein Abonnent der papierenen Ausgabe sein, zahlt also dafür auch jetzt schon mit. Und wer von der FAZ nicht so begeistert ist, wird mit Sicherheit nicht zukünftig für die Nachrichten ihrer Online-Redakteure Geld ausgeben wollen. Dafür gibt es zu viele kostenlose Alternativen im Netz, gegen die auch eine Zeitung von Welt nicht ankommt. Man könnte übrigens eingedenk der neuesten Boris-Becker-Pleite auch einmal eine Analogie vom Text zum Bild ziehen, zu den Online-Portalen von Medienunternehmen. Diese haben ebenfalls stark mit dem New-Economy-Backlash zu kämpfen. Wer braucht schon für den Download aufbereitete Inhalte, wenn er dasselbe jeden Tag im Fernsehen bequemer und kostenlos haben kann. Sportgate ist nur das neueste Beispiel für geplatzte Blütenträume. Und so wie das World Wide Web das Fernsehen nicht verdrängen wird, hat auch die gedruckte Tageszeitung in den Zeiten der globalen Vernetzung mit Informationen von jedem für jeden noch längst nicht ausgedient. Auch wenn genau das ein eigentlich kluger alter Herr wie der amerikanische superreiche Investor Warren Buffet neulich mal wieder prophezeit hat. Kostenlose Internet-Angebote der Zeitungen sind in entsprechender Form ebenfalls gut und nützlich, liebe Leser. Kostenpflichtige Angebote dürften es jedoch ziemlich schwer haben, Leute mit zuviel Geld zu finden.