Einseitig und antiamerikanisch

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz wird von konservativen Kreisen als parteiisch kritisiert, das Pentagon soll schon Ende Dezember von Misshandlungen in Abu Ghraib gewusst haben

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Der Bericht des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, der dem Pentagon vorwirft, ein System in Guatanamo eingerichtet zu haben, das eine "Form der Folter" sei, stößt in den konservativen Kreisen der USA auf Kritik. Obgleich nicht das IKRK den vertraulichen Bericht veröffentlicht, sondern die New York Times diesen erhalten hat, wird nun der internationalen Organisation Einseitigkeit und Antiamerikanismus vorgeworfen.

Das IKRK wirft der US-Regierung in dem Bericht, der nach einer der Besichtungen des Lagers verfasst wurde, vor, dort ein System eingerichtet zu haben, in dem die Häftlinge unter psychischen und körperlichen Zwangsmaßnahmen zu Aussagen gezwungen würden (Ein System der Folter in Guantanamo). Ähnlich hatte das IKRK bereits die Zustände in Abu Ghraib kritisiert. Das Pentagon hatte dort der Organisation zunächst den Zugang ebenso verweigert wie zu Guantanamo. Auch der Umgang mit den Gefangenen in Guantanamo wurde von der Organisation schon mehrmals gerügt, allerdings taucht nun erstmals der Begriff der Folter explizit in dem Bericht auf.

Das Internationale Komitee hat sich der Neutralität verpflichtet. Berichte nach dem Besuch von Kriegsgefangenen, wie sie von den Genfer Konventionen vorgesehen sind, werden nur den jeweilig zuständigen Regierungen vertraulich übermittelt. Daran will man beim IKRK auch weiter festhalten, weswegen die Aussagen des an die Öffentlichkeit gedrungenen Berichts auch nicht bestätigt oder abgestritten werden.

In einer Pressemiteilung teilte das Komitee mit, dass seit 2002 Inspektionen des Lagers in Guantanamo stattgefunden haben, um zu überprüfen, ob die Gefangenen gemäß den internationalen Abkommen behandelt werden. Die Besuche hätten auch den Zweck, dass die Gefangenen einen Kontakt mit ihren Familien herstellen können. Man halte weiterhin an den vertraulichen Berichten fest, in denen die jeweilige Regierung auf Missstände hingewiesen werden, weil dies auch für die Gefangenen am besten sei. Nur deswegen habe man auch in Guantanamo wiederholt Zugang zu den Gefangenen erhalten und mit diesen sprechen können. Im Pentagon habe man kürzlich eine Abteilung für Angelegenheiten von Häftlingen eingerichtet, mit dem das IKRK die Probleme besprechen könne. Ganz zufrieden scheint man damit aber nicht zu sein. Auch wenn das IKRK nicht auf einzelne Vorwürfe eingeht, so wird doch allgemein noch einmal die Sorge ausgedrückt, dass "wichtige Probleme im Hinblick auf die Haftbedingungen und die Behandlung in Guatananmo Bay nicht angemessen angegangen worden sind".

Konservative und Republikaner nutzen die Veröffentlichung des vertraulichen Berichts nun, um die internationale Organisation ebenso wie die Vereinten Nationen zu diskreditieren, da sie einseitig sei. Andrew Apostolou von der konservativen, kurz nach dem 11.9. 2001 gegründeten Foundation for Defense of Democracies wirft dem IKRK vor, angeblich noch niemals eine andere Regierung so hart kritisiert zu haben. Die Organisation mit Sitz in Genf wende einen "doppelten Maßstab" ab und habe derartige Maßnahmen niemals gegen "offensichtliche Menschenrechtsverletzer" eingesetzt. Das IKRK stehe unter Druck von Menschenrechtsorganisationen, die seit dem 11.9. dem "sehr ablehnend gegenüberstehen, was die USA gemacht haben".

Die konservative, ebenfalls der Bush-Regierung zuneigende Washington Times nahm sich denn auch dieses Themas an und zitiert einen der üblichen Pentagon-Berater, die niemals genannt werden dürfen. Es gebe beim Roten Kreuz die Einstellung, sagte dieser, dass "al-Qaida moralisch gleichwertig mit den USA ist. Sie schenkten niemals dem Vertrauen, was wir sagten." Und natürlich ist er der Meinung, dass Antiamerikanismus in der Organisation vorhanden sei, wobei Kritik an der Bush-Regierung mit Antiamerikanismus gleich gesetzt wird.

Auch Frank J. Gaffney der Präsident des Center for Security Policy, das ebenfalls dem konservativen Netzwerk an Stiftungen und Think Tanks angehört, erklärt, dass das IKRK "seit einiger Zeit zu einer Agitationsoperation gegen die amerikanischen Interessen geworden ist". Es sei daher nicht verwunderlich, dass es in seiner Arbeit "amerikanische Sicherheitsmaßnahmen" ablehnt oder gar verurteilt. Ironisch sei es, dass das IKRK ausgerechnet "die Rechte von al-Qaida-Terroristen verteidigt, obgleich es die Aufgabe des Roten Kreuzes ist, Zivilisten in Kriegszeiten zu schützen". Das IKRK, so Frank J. Gaffney, "schützt und fördert die Interessen der Menschen, die selbst nicht am Schicksal von Zivilisten interessiert sind".

Auch das Pentagon weist alle Vorwürfe weiter zurück. Es verweist auf die Gefährlichkeit der Häftlinge. Manche der Entlassenen hätten in Afghanistan wieder gegen die Amerikaner gekämpft. Und Brigadegeneral Jay Hood versichert:

Wir haben nicht Hunderte von unschuldigen Zivilisten vom Schlachtfeld weggeholt. Wenn man jeder Geschichte zuhört, dann wird man ein normales Gejammer dieses Menschen hören, der einem erzählt, er sei nur ein Teppichhändler oder so etwas gewesen. Ich denke, das ist alles Teil der Absicht, andere in die Irre zu führen und zu täuschen.

Offiziell behauptet das Pentagon, dass es "keinen glaubwürdigen Hinweis auf eine Misshandlung von Gefangenen" gebe. Insbesondere wird abgestritten, dass das medizinische Personal an Misshandlungen bei Verhören beteiligt sei, was das IKRK behauptet hat. Das Personal habe Gefangenen nicht medizinische Behandlung vorenthalten, um Aussagen zu erzwingen, es gebe auch keine "glaubwürdigen Informationen" darüber, dass medizinische Informationen von Pentagon-Mitarbeitern benutzt wurden, um "einen Gefangenen psychisch oder körperlich während der Haft oder Verhören unter Druck zu setzen. Das Pentagon würde solche Vorwürfe ernst nehmen und "alle glaubhaften Berichte" überprüfen.

Offenbar ist der Bericht des IKRK für das Pentagon nicht glaubhaft. Das wird auch von Lawrence Di Rita, dem Sprecher des Pentagon, bestätigt. Zu dem IKRK-Bericht sagte er: "Das ist deren Sicht." Auch er stritt ab, dass es glaubhafte Hinweise auf die beanstandeten Misshandlungen gebe. Auf Einzelheiten wollte er nicht eingehen, der Bericht sei schließlich vertraulich. Überdies strich er heraus, dass die US-Regierung das Recht habe, verdächtige "feindliche Kämpfer" bis zum Ende des Kriegs gegen den Terrorismus einzusperren. Sie stünden auch nicht unter dem Schutz der Genfer Konventionen.

Der Abwehrstrategie des Pentagon dürfte aber nicht förderlich sein, was die Washington Post heute berichtet. Schon vor Bekanntwerden des Folterskandals in Abu Ghraib hatte der pensionierte Oberst Stuart A. Herrington in einem vertraulichen Bericht an das Pentagon darauf hingewiesen, dass die Sonderheit Task Force 121 Gefangene im Irak misshandelt und ein Geheimgefängnis betreibt. Zumindest könnten die angewendeten Methoden, so Herrington vorsicht, "technisch" illegal sein. Das war im Dezember 2003, während das Pentagon angeblich erst Ende Januar von den Vorgängen in Abu Ghraib Kenntnis gehabt haben will.

Nach seinem Bericht musste es dem Pentagon bekant sein, dass sich Misshandlungen nicht nur in Abu Ghraib ereignet haben. Das Pentagon hat stets versucht, den Skandal auf einige "bad apples" und auf Abu Ghraib zu beschränken. Gefangene hätten, so schrieb Herrington in dem Bericht, der der Washington Post zugespielt wurde, Verletzungen gehabt, die von Schlägen verursacht wurden. Der Sondereinheit müssten beim Umgang mit den Gefangenen Schranken gesetzt werden, empfahl Herrington.