"Eklatantes Behördenversagen": schwere Vorwürfe nach Mord an 31-jähriger Frau in Berlin
Eine aus Afghanistan geflüchtete sechsfache Mutter wurde am Freitag auf offener Strafe von ihrem Ex-Mann erstochen. Zuvor soll sie mehrfach versucht haben, sich Hilfe zu holen
Nach dem Mord an einer sechsfachen Mutter am 29. April in Berlin-Pankow und der Festnahme ihres Exmannes sprechen Angehörige und Unterstützerinnen von Behördenversagen. Die aus Afghanistan geflüchtete Frau habe lange vor der Tat versucht, sich Hilfe zu holen, weil ihr Mann gewalttätig gewesen sei und mehrfach konkrete Drohungen ausgesprochen habe, erklärte am Dienstagabend die Berliner Frauenorganisation Zora. "Die Berliner Polizei hat ihre Hilferufe jedoch nicht ernstgenommen."
Rund 60 Menschen hatten am Montagabend an einer Gedenk- und Protestkundgebung am Tatort in Berlin-Pankow teilgenommen – die 31-Jährige war dort am Freitagvormittag auf offener Straße erstochen worden. Der Täter war zunächst geflohen, hatte sich aber kurz darauf der Polizei gestellt.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft erging gegen ihn am Samstag ein Haftbefehl – zunächst aber nur wegen Verdachts auf Totschlag, was bei einer Verurteilung in der Regel zu zeitlich begrenzten Haftstrafen führt, während für Mord nach formaljuristischer Definition grundsätzliche lebenslange Haft vorgesehen ist.
Hintergrund sind die Mordmerkmale "Heimtücke" und "niedrige Beweggründe" sowie deren Auslegung, die von Frauenrechtlerinnen häufig kritisiert wird, weil patriarchale Beweggründe oft nicht als "niedrig" anerkannt werden und körperlich starke Täter keine "Heimtücke" nötig haben.
Auf der Gedenkkundgebung für die getötete Zohra G. legte auch die Berliner Sozialsenatorin Katja Kipping Blumen nieder. Ihr Herz sei voller Trauer und Wut, schrieb Kipping in einem Tweet.
Zweierlei Maß zulasten von Migrantinnen?
Die Frauenorganisation Zora spricht von "eklatantem Behördenversagen", steht nach eigenen Angaben in engem Kontakt mit den Angehörigen. Eine Schwester von Zohra G. erhebt demnach schwere Vorwürfe gegen die Berliner Behörden.
Schutzbedürftigen Migrantinnen schlage Gleichgültigkeit ins Gesicht – im Ernstfall verharmlose die Polizei Femizide als "Beziehungsdramen", heißt es in der Übersetzung eines Schreibens der Schwester, die von der Organisation am Dienstagabend versendet wurde. Zohra G. sei "nicht das erste Opfer einer Schutzlosigkeit, die man nicht anders erklären kann als mit der zynischen Geringschätzung des Lebens von Frauen mit muslimischem Migrationshintergrund".
Eine konkrete Forderung der Hinterbliebenen lautet: "Die Berliner Behörden müssen ausnahmslos allen Frauen, die Schutz suchen, diesen in Einrichtungen gewähren, in denen die Frauen willkommen sind, auf Dauer und so lange sie diesen Schutz brauchen." Dazu müssten die Mittel für Frauenschutzeinrichtungen von der Politik aufgestockt werden.
Als Femizide werden Morde an Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts, aufgrund männlicher Macht- und Besitzansprüche oder eines patriarchalen Ehrbegriffs bezeichnet. Kippings Tweet und ihr Hinweis, dass Zohra G. vor zwei Jahren aus Afghanistan geflüchtet sei, lösten erneut eine Diskussion darüber aus, ob Herkunft und kulturelle Prägung in diesem Zusammenhang erwähnt werden dürfen, sollen oder müssen.
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