Eliten-Jobs: Ostdeutsche weiterhin massiv unterrepräsentiert

Seite 2: Offizielle Ursachenforschung

Die Begründung in der Darstellung ihrer ersten Berichte konzentriert sich auf zwei Zeitpunkte. Zum einen die Wiedervereinigung, bei der "Gesetze, Abschlüsse und auch informelle Qualifikationen für die Führung von Betrieben fast gesamt aus der BRD übernommen" worden.

Diese damaligen Entscheidungen findet auch Oschmann in einem Interview mit der Berliner Zeitung nachvollziehbar.

Anfang der 90er gab es eine große Berufungswelle an den ostdeutschen Universitäten, einen Elitenwechsel, und das war richtig, um dieses Land zum Laufen zu bringen.

Dirk Oschmann, Berliner Zeitung

Der zweite Zeitpunkt der Erklärung des Eliten-Monitors sind die letzten Jahre.

Denn selbstverständlich hätte man auf den ersten Blick eine schrittweise Zunahme der Repräsentation Ostdeutscher annehmen dürfen, da – wie die Erklärung des Eliten-Monitors lautet:

" (...) mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung sollten genug Ostdeutsche Qualifikationen erworben und Laufbahnen abgeschlossen haben, um in Elitenpositionen aufzusteigen. Gleichzeitig sollten die Westdeutschen, die damals diese Stellen angetreten haben, nun in den Ruhestand gehen. Demnach wäre ein Generationenwechsel erwartbar, durch den sich die Unterrepräsentation Ostdeutscher in Elitenpositionen verringern sollte."

Das Erstaunliche und Besorgniserregende aber: Diese Generationswechsel haben eigentlich nicht stattgefunden. 57 Prozent, deutlich mehr als die Hälfte, der damaligen Eliten sind seit dem Jahr 2018 aus ihrer Position ausgeschieden.

Aber von Westdeutschen eingenommene Positionen wurden nur von rund 8 Prozent mit Ostdeutschen neu besetzt. Von Ostdeutschen bis 2018 eingenommene Führungspositionen wurden hingegen mit knapp 54 Prozent mit Westdeutschen neu besetzt.

Oschmann liefert für dieses Phänomen im genannten Interview eine Erklärung:

Die Eliten aus dem Westen, Professoren, meist Männer, gut oder nicht gut, haben ihren eigenen Nachwuchs mitgebracht, Mitarbeiter, die dann entsprechend selbst wieder auf Professuren kommen konnten. Das ist ein sich selbst fortsetzendes System. Und es hat zur Folge, dass Nachwuchs aus dem Osten selten eine Chance hat, auf solche Stellen zu kommen.

Dirk Oschmann, Berliner Zeitung

Hinzufügen kann man, dass fehlende Netzwerke im Osten Deutschlands in der Tat ein Problem sind. Während es in den alten Bundesländern eine Vielzahl von Stiftungen, Förderwerken und privaten Stipendien gibt, um talentierte Studenten tatkräftig zu fördern, fehlen diese in den neuen Bundesländern weitestgehend.

Des Weiteren weist Oschmann darauf hin, dass im Osten in den Jahrzehnten der DDR aufgrund des einstigen Verbots zur Kapitalbildung kein Vermögen aufgebaut werden konnte – im Gegensatz zu der BRD – so dass in den ersten Jahrzehnten nach der Wiedervereinigung oftmals schlicht das Geld fehlte, um an der Universität zu promovieren. Vielmehr waren die meisten Studenten gezwungen, möglichst schnell Geld zu verdienen.

Daneben stellt sich die Frage, ob die konstatierte Unterrepräsentation auch durch eine mögliche Diskriminierung Ostdeutscher erklärt werden kann. Ein Vorwurf, der mehr oder minder unausgesprochen Oschmanns Buch durchzieht.

Auf eine entsprechende Anfrage von Telepolis antwortete Dr. Vogel:

Ob bewusste Diskriminierung stattfindet, ist wissenschaftlich schwer zu beobachten. Im Einzelfall mag das zutreffen und auch, dass das öffentlich gezeichnete Bild der Ostdeutschen oft, nicht immer, eines ist, das nicht zu einer Vorstellung von durchsetzungsstarken Eliten passt. Allerdings gehen wir davon aus, dass absichtliche Diskriminierung selten stattfindet.

Die Selbstrekrutierung der Westdeutschen geschieht eher auf Basis von teils auch subtilen Ähnlichkeiten zwischen Kandidaten und Rekrutierenden in Erfahrungen, Ansichten, Verhaltensweisen (Mimik, Gestik, Kleidung, Dialekt etc.). Aber auch hier gilt, dass dies nur eine Ursache unter mehreren ist. Darauf deuten insbesondere die Unterschiede zwischen den gesellschaftlichen Sektoren hin, die bei durchgängiger Diskriminierung nicht zu erwarten wären.

Lars Vogel