Endspurt der Kohlekommission

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Die Energie- und Klimawochenschau: Bürger wollen Klimaschutz, Ministerpräsidenten Strukturhilfe, Schüler den Klimawandel abwenden und Eisbären mehr Eis

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Nun soll es die Bundeskanzlerin also richten. Am Dienstagabend hat Angela die Ministerpräsidenten der Braunkohleländer Sachsen (Michael Kretschmer, CDU), Brandenburg (Dietmar Woidke, SPD), Sachsen-Anhalt (Rainer Haseloff, CDU) und Nordrhein-Westfalen (Armin Laschet, CDU) ins Berliner Kanzleramt einbestellt.

Auf der Tagesordnung steht der Kohleausstieg, den die Länder sich teuer abkaufen lassen wollen. Rainer Haseloff hatte die Forderung von 60 Milliarden Euro in den Raum gestellt. Mit am Tisch werden die beiden Vorsitzenden der Kohlekommission sitzen.

Umweltschützer haben Proteste angekündigt und verweisen auf Meinungsumfragen. Emnid habe ermittelt, dass 68 Prozent der Ostdeutschen befürchten, der Klimawandel könnte in ihrer Region vermehrt zu Dürren und Waldbränden führen. 52 Prozent der Befragten seien der Ansicht, dass die Landesregierungen der Braunkohle-Länder den Klimawandel nicht ernst genug nehmen.

63 Prozent gingen davon aus, dass die erneuerbaren Energieträger künftig für den Arbeitsmarkt wichtiger als die Braunkohle sein werden und 60 Prozent befürworten das Stilllegen von Kohlekraftwerken um das Klimaschutzziel 2020 noch zu erreichen.

Auf dem Treffen in Merkels Kanzler-Klotz an der Spree soll offensichtlich der Kohlekommission Beine gemacht werden. Diese diskutiert seit dem Sommer und hatte eigentlich bereits Ende November rechtzeitig vor der UN-Klimakonferenz Ergebnisse vorlegen sollen. Auf Drängen der Ostländer wurde daraus jedoch nichts. Nun heißt es, Anfang Februar werden die Verhandlungen abgeschlossen sein. Gesucht sind ein Ausstiegsplan aus der Kohleverstromung, der zugleich Hilfen für den Strukturwandel in den betroffenen Regionen anbietet.

Erst abschalten, dann Kohle

Noch gehen die Meinungen allerdings weit auseinander. Die Abschaltung der Kraftwerke müsse über alle Regionen fair verteilt werden und dürfe den Südosten nicht ausnehmen, meint Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) an die Adresse der ostdeutschen Ministerpräsidenten. Strukturhilfe dürfe es erst geben, wenn Kraftwerke vom Netz gehen.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung kann sich ein Abschalten erst irgendwann in den 2030er Jahren vorstellen, vermeldet derweil die Westfälische Rundschau. Doch dafür müsse ein zweistelliger Milliarden Betrag fließen, habe Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart von der FDP gefordert. Dabei macht sich der Liberale ausdrücklich für den Braunkohle- und Atomkonzern RWE stark, der entschädigt werden müsse.

Damit hat er sicherlich nicht unrecht. (Das lässt zumindest ein Blick in Artikel 14 und 15 Grundgesetz vermuten.) Allerdings ist schon auffällig, dass sich der Minister mit der Art, wie er seine Position vorträgt eher zum Fürsprecher des Konzerns macht und damit dessen Forderungen in die Höhe treibt.

Von einem Regierungsmitglied sollte man doch eigentlich erwarten, dass er dafür sorgt, diese gegebenenfalls niedrig zu halten. Artikel 15 ermöglicht übrigens Enteignung von Boden und Naturschätzen aufgrund politischer Entscheidungen. Dafür muss nicht einmal das überwiegende öffentliche Interesse nachgewiesen werden. Der Bundestag könnte also ohne Weiteres ein Gesetz beschließen, dass die Braunkohletagebaue in öffentliches Eigentum überführen würde.

Kohlekommission tagt

Ob die Kohlekommission mit ihren Vorschlägen so weit gehen wird? Ziemlich unwahrscheinlich. Das Hamburger Magazin Der Spiegel ist ja sogar der Ansicht, dass es sich bei der Kommission um ein Regierungsgremium handele. Da werden sich zumindest die Vertreter der Umweltverbände und der Tagebau-Anwohner doch ein wenig gewundert haben.

Die Kommission hat 31 Mitglieder, darunter neben den erwähnten auch Entsandte der Gewerkschaften der Industrie und der Landesregierungen der betroffenen Länder. Sie wurde im Sommer gebildet und soll ein Konzept erarbeiten, dass dann vom Bundestag in Gesetzesform gegossen werden muss.

Schulstreik fürs Klima

Am 25. Januar tritt die Kommission das nächste mal zusammen und wird vermutlich mit lautstarken Protest konfrontiert werden. Aus diversen Städten wollen Schüler und Studenten nach Berlin anreisen, um von der Versammlung im Bundeswirtschaftsministerium einen schnellen Ausstieg aus der Kohle zu verlangen.

Wir sind Schülerinnen und Schüler die für mehr Klimaschutz streiken. Wir sind damit Teil der weltweiten Bewegung Fridays for Future. Der Klimawandel ist längst eine reale Bedrohung für unsere Zukunft. Wir werden die Leidtragenden des Klimawandels sein. Gleichzeitig sind wir die letzte Generation, die einen katastrophalen Klimawandel noch verhindern kann. Doch unsere Politiker*innen unternehmen nichts, um die Klimakrise abzuwenden."

Webseite des #Schulstreiks

Man sei an keine Partei oder Organisation gebunden, heißt es weiter. Allerdings spielt in einigen Städten offenbar die Jugend im Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) eine Rolle bei der Organisierung. In zahlreichen Orten gibt es Gruppen, die sich meist über WhatsApp organisieren. Am kommenden Freitag will man sich schon mal warm laufen In bisher 48 Städte sind Schulstreiks geplant.

Wissenschaft unwichtig

Unterdessen beeinträchtigt inzwischen jenseits des Atlantiks in den USA die dortige Haushaltssperre offensichtlich schon die Wissenschaften und die Wettervorhersage. Das US-amerikanische National Snow and Ice Data Center vermeldet dieser Tage, dass man aufgrund der Haushaltssperre zur Zeit keinen Zugriff auf die Seiten der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) habe.

Daher könnten von dort keine Daten über Lufttemperatur und -druck bezogen werden. Zum Glück haben sich die Eis-Wissenschaftler, die das Geschehen an den beiden Polen täglich analysieren und unter anderem Karten mit der aktuellen Eisbedeckung der Meere herausgeben aber anderweitig helfen können.

Das Europäische Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersagen (European Center for Medium-Range Weather Forecasts, ECMWF) konnte für Ersatz sorgen. Im ECMWF arbeiten 34 Länder zusammen um unter anderem rund um die Uhr Wettervorhersagen für die Großregion und darüber hinaus zu erarbeiten und zur Verfügung zu stellen.

Wenig Eis

Auch wenn es die Verantwortlichen in den USA offensichtlich sehr wenig kümmert, ist der Zustands des Meereises in der Arktis nach wie vor schlecht. Wie unter anderem die an der Uni Bremen aufgearbeiteten Satellitendaten zeigen. Die Eisbedeckung des arktischen Ozeans liegt weiter erheblich unter dem Durchschnitt der Jahre 1981 bis 2010 und zur Zeit sind zum Beispiel die Gewässer rund um Spitzbergen immer noch weitgehend eisfrei, was extrem ungewöhnlich für diese Jahreszeit ist.

Die durchschnittliche Tagestemperaturen nördlich von 80 Grad Nord in Grad Kelvin für 2018. Die blaue Linie markiert den Gefrierpunkt. Der Nullpunkt der Kelvinskala liegt bei -273,15 Grad Celsius, ansonsten entspricht ein Grad Kelvin einem Grad Celsius. Bild: Danmarks Meteorologiske Institut

Dabei könnte es sogar noch schlechter aussehen. Wie obige Grafik der dänischen Meteorologen zeigt, ist die Lufttemperatur 2018 nördlich des 80. Breitengrades zwar oft überdurchschnittlich gewesen, aber nicht im späten Frühjahr und im Sommer. In der warmen Jahreszeit also, in der sich jedes Jahr das Eis zurückzieht, blieben die Temperaturen rund um den Nordpol relativ kühl, sodass nicht noch mehr Eis verloren ging.

Die vergleichsweise hohen Temperaturen in Frühjahr und Herbst führen allerdings dazu, dass sich weniger Eis nachbildet, als es in früheren Jahrzehnten die Regel war. Dadurch wird das Eis immer dünner. Das zeigen auch die Ergebnisse des US-amerikanischen Polar Science Center.

Dort berechnet man aus Satellitendaten einmal im Monat das Volumen des Eises auf dem Nordmeer. Für jeden Monat seit 1980 liegen die Werte vor und zeigen einen Trend von -3100 Kubikkilometer pro Jahrzehnt. Seit 1980 ist das Eis in jeweils zehn Jahren also um 3100 Kubikkilometer geschrumpft. Sollte sich dieser Trend ungebrochen fortsetzen, wäre der arktische Ozean bereits zu Beginn der 2030er Jahre im Sommer zeitweise eisfrei.

Eisverlust mit Folgen

Das würde eine regelrechte Kettenreaktion auslösen. Das Eis würde nun kein Sonnenlicht mehr ins Weltall reflektieren können. Vielmehr würden die Strahlen ins Meer eindringen und dieses erwärmen. Und so, wie auch in Westeuropa heute schon an den Küsten die Winter erheblich milder ausfallen als im östlichen Mitteleuropa oder gar in Russland, so würde dann auch der erwärmte arktische Ozean in den angrenzenden Regionen für erheblich milderes Klima sorgen.

Ein Ergebnis wäre, dass der dortige Permafrostboden noch schneller auftaut. Das wiederum bedeutet zum einen Erosion der bisher noch gefrorenen Küsten und massive Schäden an der Infrastruktur, die auf gefrorenen Boden gründet.

Zum anderen werden, wo der Boden auftaut, mit Kohlendioxid und Methan zusätzliche Treibhausgase freigesetzt. Je mehr auftaut, desto mehr Gase können entweichen und den Treibhauseffekt verstärken. Wissenschaftler nennen derlei, wie auch das Verhältnis von Eisbedeckung und offenem Meer, eine positive Rückkopplung.

Ein weiteres Ergebnis wäre, dass auf den arktischen Inseln Kanadas und vor allem auf Grönland die Gletscher schneller tauen. Da sie auf Land lagern aber ihr Schmelzwasser in den Ozean fließt, klettern dadurch die Pegelstände weiter nach oben. Der sommerliche Rückzug des arktischen Meereises lässt also zwar nicht direkt den Meeresspiegel steigen, sehr wohl aber indirekt.