Energiekrise und Stromkosten: Wenn die ersten Dominosteine fallen

Für die kommunalen und regionalen Energieversorger und Stadtwerke wird es richtig eng. Die ersten Grundversorger müssen aufgeben. Offensichtlich hat die Bundesregierung die Lage nicht im Griff.

Sowohl Versorgungsunternehmen mit über 100-jähriger Tradition als auch jüngst erst rekommunalisierte Versorger oder Stromhändler, die nach der Energiemarktliberalisierung gegründet wurden, müssen inzwischen aufgeben, weil die Strombeschaffungskosten höher sind als die vertraglich festgelegten Bezugspreise der Endverbraucher.

Von der Öffentlichkeit noch weitgehend unbeachtet, spitzt sich die Lage bei der Endkundenversorgung im Strom- und Gasbereich inzwischen drastisch zu. Was sich vor einem Monat als möglicher Notfall abzeichnete, kommt jetzt immer schneller in der Realität an.

Zuerst haben verschiedene Stromhändler aufgegeben, die infolge der Energiemarktliberalisierung vor der Jahrtausendwende entstanden sind und jetzt die stark steigenden Beschaffungskosten aufgrund längerfristiger Kundenverträge nicht weitergeben können. Sie berufen sich bei der Aufgabe der Grundversorgung auf §36 des geltenden Energiewirtschaftsgesetzes.:

Die Pflicht zur Grundversorgung besteht nicht, wenn die Versorgung für das Energieversorgungsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.

Aktuelle Beispiele für die Beendigung der Grundversorgung

Die kommunalen Eigenbetriebe Stadtwerke Laufenburg haben inzwischen beschlossen, ihr Geschäft aufzugeben und es zum 1. Januar 2023 auf die am gleichen Ort ansässige EnBW-Beteiligung Energiedienst AG zu übertragen. Diese übernimmt die Kunden und die aktuell gültigen Tarife, wobei damit zu rechnen ist, dass diese in Bälde an die Tarife der Energiedienst angepasst werden.

Ein weiterer kommunaler Eigenbetrieb, die nördlich von Freiburg angesiedelten Stadtwerke Elzach, werden ebenfalls zu 31. Dezember 2022 ihren Stromvertrieb aufgeben. Neuer Grundversorger ist hier die EnBW in Karlsruhe. Das private Elektrizitätswerk C. Ensinger, das auf eine wasserkraftbetriebene Getreidemühle in Owen zurückgeht und einer der regionalen EVU-Pioniere ist, wirft ebenfalls zum Jahresende das Handtuch bei der Stromversorgung.

Mit den Gemeindewerken Schutterwald gibt ein weiteres Urgestein der regionalen Stromversorgung zum Jahresende auf. Neuer Grundversorger ab 01.01.2023 wird die Vattenfall Europe, die offensichtlich die zweitmeiste Tarifkundenzahl in diesem Netz hatten.

Im Falle des ebenfalls alteingesessenen privaten Versorgers Ziegler im baden-württembergischen Kappelrodeck, wo das 2012 gegründete Energiewerk Ortenau (EWO) mit Jahresbeginn 2022 die Grundversorgung übernommen hatte, konnte selbst die Beteiligung der größeren Versorger E-Werk Mittelbaden und Badenova an der EWO die Situation nicht retten.

Zum 1. Januar wird EWO den Strom- und Gasvertrieb einstellen. Wer dann die Grundversorgung übernimmt, steht noch nicht fest, weil das Unternehmen erst noch ermittelt werden muss. Grundversorger wird immer das Unternehmen, das in den vergangenen drei Jahren die meisten Tarifkunden in dem jeweiligen Netz hatte. Wenn dieses aufgibt, geht die Grundversorgung auf den Versorger über, der in der Reihe der Versorger nachfolgt. Der neue Grundversorger muss nicht aus der gleichen Region stammen.

Auch die Stadtwerke Herrenberg, südlich von Stuttgart, ziehen die Reißleine. Sie haben allen Stromkunden gekündigt und kündigen an, dass sie nur etwa 45 Prozent davon im Rahmen der Grundversorgung beliefern können.

Für Kunden, die von den Stadtwerken Herrenberg nicht mehr beliefert werden, scheint EnBW als Grundversorger einzuspringen, wenn die Kunden entsprechend aktiv werden, sonst fallen auch sie in die teure Ersatzversorgung. Bei den Gaskunden hat man nicht selbst gekündigt, sondern hofft, dass die Kunden die angekündigte Preiserhöhung zum Anlass nehmen, ihren Liefervertrag zu kündigen. Beim Gas ist die EnBW Grundversorger.

Risiko von Einschränkungen beim Stromvertrieb

Telepolis hat beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU) nachgefragt, ob das Risiko besteht, dass sich noch mehr Versorger aus der Grundversorgung zurückziehen. Ein VKU-Sprecher antwortete wie folgt:

Wir können nicht ausschließen, dass das passieren kann. Aber wir gehen aktuell nicht davon aus, dass es zu flächendeckenden Problemen kommt, auch wenn die Unternehmen unter Druck stehen und sich verständlicherweise Sorgen machen. Stadtwerke sind im Kern gesunde Unternehmen. Und wenn die Preisbremsen greifen, wird das nicht nur den Verbrauchern, sondern auch den Versorgern helfen, weil das Risiko hoher Zahlungsausfälle sinkt.

Neben diesen Lieferverpflichtungen gegenüber ihren Kunden sind Stadtwerke natürlich auch abhängig von ihrem Vorlieferanten und damit von der Entwicklung der Preise an den Märkten. Exorbitant gestiegene Preise und Zwischenfinanzierungsaufwände erhöhen den Liquiditäts-Bedarf massiv.

Zudem fordern Importeure und Großhändler immer höhere Sicherheitsleistungen im außerbörslichen Handel, der dadurch auszutrocknen droht. Um alle Risiken auszuschließen und die Daseinsvorsorge uneingeschränkt zu gewährleisten, fordern wir deshalb einen Schutzschirm.

Wir begrüßen, dass Bund und Länder den Handlungsbedarf erkannt und einen Schutzschirm für Stadtwerke angekündigt haben. Dass Stadtwerke vorübergehende Liquiditätsbedarfe über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), andere Förderbanken oder vergleichbare Einrichtungen decken können, ist sinnvoll und hilfreich. Aber: Der Absichtsbekundung müssen schnell konkrete Maßnahmen folgen. Es fehlt unter anderem ein Garantierahmen für den außerbörslichen Handel, dem wichtigsten Handelsplatz für Stadtwerke. Bislang gibt es nur Liquiditätshilfen für Sicherheiten im Börsenhandel, die die Stadtwerke nicht sinnvoll nutzen können.

Sprecher des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU)

Die Dezember-Entlastung hat mehrere Konstruktionsfehler

Der Bundesrat hat am 14. November den Weg frei gemacht für eine Entlastung bei den Abschlagszahlungen im Dezember 2022. Haushaltskunden und kleinere Unternehmen mit einem Jahresverbrauch bis zu 1.500 Megawattstunden Gas werden durch die einmalige Soforthilfe von den dramatisch gestiegenen Kosten entlastet.

Diese dienen als Überbrückung, bis im kommenden Jahr die geplante Gaspreisbremse wirkt. Für Mieterinnen und Mieter, die keine eigenen Verträge mit den Energielieferanten haben, sondern über Nebenkostenabrechnungen betroffen sind, sind differenzierte Sonderregeln je nach Vertragsgestaltung gegenüber der Vermieterseite vorgesehen. Ziel ist es, auch diese Haushalte zeitnah von den Kostensteigerungen zu entlasten.

Im Zweifelsfall greift diese Entlastung erst bei der Jahresabrechnung der Nebenkosten. Richtig kritisch wird jedoch die geplante Erstattung über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), denn die Gas- und Wärmeversorgungsunternehmen können sich die ausgefallenen Dezemberzahlungen über die KfW erstatten lassen. In welchem Zeitrahmen diese Erstattung jedoch erfolgt, wird erst die Zukunft zeigen.

Für manchen Versorger, dessen Finanzlage schon angespannt ist, dürfte die Wartezeit auf die KfW-Zahlung das ertragbare Maß übersteigen und er muss sich aus der Versorgung zurückziehen. Für seine Kunden, die dann nicht aktiv die Versorgung beim neuen Grundversorger vertraglich sichern, wird der vorgeschriebene Weg teuer werden, denn er fällt ohne eigenes Zutun für drei Monate in die sogenannte Ersatzversorgung. Hier gelten nicht die veröffentlichungspflichtigen Grundversorgungstarife, sondern ein aktueller Preis, der sich am aktuellen Börsenpreis orientiert.