Energieversorger in der Bredouille

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Die steigenden Energiepreise haben erste Billig-Anbieter vom Markt gerissen. Inzwischen droht auch größeren Anbietern die Zahlungsunfähigkeit und der Staat muss einspringen - "whatever it takes"?

Trafen die Pleiten zu Beginn in erster Linie Anbieter, deren Seriosität man durchaus bezweifeln konnte, wurden in der Folge auch Grundversorger bedroht, welche gezwungen waren, Kunden die plötzlich ohne Stromanbieter dastanden, zu übernehmen und den dafür benötigten Strom teuer einzukaufen.

Die Börsenpreise für leitungsgebundene Energie kannten schon vor dem Krieg in der Ukraine nur eine Richtung: nach oben. Die größten Probleme drohen der Energieversorgung inzwischen nicht von einer unzulänglichen Technik und einem drohenden technischen Blackout, sondern von einem Markt, der inzwischen gerade mal auf eine Geschichte von zwanzig Jahren zurückblicken kann.

Am 24. April 1998 trat das Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftrechts in Kraft. Bis dahin war der Strom- und Gasverkauf ein Geschäft, das von Versorgern vor Ort betrieben wurde. Mit dem neuen Gesetz wurde die Energieversorgung entflochten ("unbundling"), und der Energiekunde konnte sich seinen Lieferanten weitgehend frei wählen.

Mit der Liberalisierung der Energiemärkte wollte man dafür sorgen, dass der Markt im Wettbewerb niedrigere Konsumentenpreise bietet. Die Erwartungen, die Liberalisierung würde zu sinkenden Strompreisen führen, erfüllten sich nach dem Start nur für etwa zwei Jahre. Seitdem sind die Tarifpreise kräftig gestiegen, wie die Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK) zwanzig Jahre nach der Energiemarkt-Liberalisierung bilanzierte:

Musste ein durchschnittlicher Haushalt nach Zahlen des Branchenverbands BDEW 1998 umgerechnet gut 17 Cent pro kWh zahlen, so sind es aktuell (April 2018; Einf. d. A.) fast 30 Cent. Preistreiber sind Steuern, Abgaben und Umlagen sowie die Netzentgelte, die private Verbraucher zuzüglich zum eigentlichen Kilowattstundenpreis zahlen müssen. Sie machen inzwischen rund 78 Prozent der Tarifkundenpreise aus.

ZfK

Der aktuelle Wettbewerb beim Strompreis steckt nur in der Vertriebsmarge, die aber einen sehr kleinen Anteil des Strompreises ausmacht und sich auf den Haushalts-Endkunden-Preis somit kaum auswirkt.

Der steigende Börsenstrompreis schlägt auf die Energieversorger durch

Schon vor dem Krieg in der Ukraine sind die Preise an den Energiebörsen schlicht explodiert. So droht einer wachsenden Zahl von Unternehmen die Zahlungsunfähigkeit, weil sie sofort Milliarden Euro für Termingeschäfte nachschießen müssen. Will die Bundesregierung einen wirtschaftlichen Kollaps der Energiemärkte verhindern, bleibt nur die Hilfe mit gewaltigen Krediten, die über die Kreditanstalt für Wiederaufbau ausgereicht werden.

Nach Uniper hat inzwischen der Braunkohlekonzern Leag staatliche Hilfen beantragt, wie an dieser Stelle berichtet wurde: Krieg in der Ukraine: Konfusion am Energiemarkt. Es handelt sich dabei um ein KfW-Darlehen in Höhe von 5,5 Milliarden Euro mit kurzer Laufzeit.

Auch die EnBW-Tochter Verbundnetz Gas (VNG) will sich mit einem Milliardenkredit von der KfW für den Notfall absichern. Befürchtet wird bei VNG offensichtlich ein Gaslieferstopp, der die Preise weiter explodieren lässt.

Auch wenn derzeit eine Verstaatlichung der leitungsgebundenen Energieversorgung nicht zur Diskussion steht, nehmen die Forderungen nach Steuersenkungen und einer Abschirmung der Energieunternehmen zu. Und für durchschnittliche Haushalte können die Mehrbelastungen im Energiebereich mehrere Tausend Euro betragen.

"Klares öffentliches Bekenntnis nötig"

Markteingriffe wie Preisdeckel will man derzeit noch vermeiden und setzt auf staatliche Unterstützung durch Steuersenkungen und finanzielle Hilfen für private Energiekunden, die die aktuellen Strompreise nicht mehr bezahlen können.

Da neben großen Versorgern und Energiehändlern auch Stadtwerke systemrelevant sind, müssen sie gemeinsam gegen Schieflagen aufgrund kurzfristiger Preisausschläge geschützt werden. Dabei geht es vor allem um Liquiditätsabsicherungen, damit unter widrigen Umständen erhöhte Preise für Rohstoffmengen bezahlt, Ausfallverpflichtungen übernommen und Terminhandelsgeschäfte mit Sicherheiten belegt werden können.

Notwendig sind dafür zunächst Liquiditäts- und Überbrückungsdarlehen von KfW und Landesförderbanken und ein klares öffentliches Bekenntnis dazu – whatever it takes. Nur so können die Stadtwerke gerade angesichts der Risiken für die Versorgungssicherheit ihre Leistungen für die Daseinsvorsorge erbringen.

Verband kommunaler Unternehmen, VKU

Energieintensive Industriebetriebe vor dem Aus?

Während man bei Haushaltskunden durch Abschmelzen von Steuern und Abgaben für eine gewisse Entlastung sorgen kann, schlagen die Preisverwerfungen früher oder späten mit voller Wucht auf die Industriekunden durch, die von vielen Abgaben befreit sind.

Energieintensive Industriebetriebe aus der Glas- und Papier- sowie Kartonagenherstellung sind damit inzwischen ebenfalls akut gefährdet.

In der Praxis zeigt sich dies schon jetzt an steigenden Papierpreisen, welche beispielsweise Druckereien in beträchtliche Schwierigkeiten bringen, weil Papier nicht nur knapp, sondern auch immer teurer wird.

Welche Rettungsmöglichkeiten für energieintensive Industriebetriebe zur Auswahl stehen, ist derzeit noch unklar.