Energiewende: Das Ende der Erpressbarkeit?
Versorgungssicherheit: Klimaschutz ist dringend nötig – aber nicht das einzige Argument für eine schnelle Transformation. Wo wir stehen und was zu tun bleibt, (Teil 1)
Dass die Erderwärmung stattfindet, ist mittlerweile allen klar – und nur wenige Unbelehrbare bestreiten, dass sie durch uns Menschen verursacht ist. Dabei gibt es zwei sich gegenseitig verstärkende Faktoren: Die Emission von riesigen Mengen Treibhausgasen, vor allem CO2, durch die Nutzung von fossilen Brennstoffen und die Abholzung von Wäldern, die das CO2 aus der Atmosphäre filtern und in ihrer Biomasse speichern. Beide Faktoren zusammen führen zu einem rasanten Klimawandel, der für uns alle sehr gefährlich ist.
Aber da Hamburg noch nicht überschwemmt ist, nehmen leider viele Menschen hierzulande die Gefahr immer noch auf die leichte Schulter und argumentieren, dass man da ja doch nichts machen kann, dass es schon nicht so schlimm kommen wird, alles nur Panikmache. Und dass Deutschland alleine den Klimawandel sowieso nicht stoppen kann.
Das letzte Argument stimmt sogar, Deutschland alleine kann die Welt nicht retten, das Klima auch nicht, aber das ist kein Grund, nichts zu tun. Deutschland muss seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten und seine Treibhausgasemissionen massiv reduzieren.
Unabhängige Energieversorgung dringend nötig
Und unabhängig vom Klimaschutz gibt es einen weiteren Grund, die Energiewende zu forcieren: Wir sind derzeit total von Importen fossiler Energieträger abhängig und damit erpressbar. Nach der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines sollte das jedem klar sein.
Und das gilt nicht nur für Pipeline-Gas aus Russland. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat zwar in Katar zwei Millionen Tonnen teures LNG pro Jahr vertraglich für Deutschland gesichert, aber das nützt uns gar nichts, wenn das Rote Meer und die Straße von Hormus durch Kampfhandlungen unpassierbar werden. Und die USA haben auch den Export von mehr LNG gestoppt: Präsident Biden hat angeordnet, keine weiteren Exportlizenzen für das Flüssigerdgas zu erteilen.
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Die einzige Möglichkeit, aus diesem Schlamassel heraus zu kommen, ist so schnell wie möglich auf bei uns produzierte regenerative Energie umzusteigen. Wir müssen weg von Gas und Öl, ebenso wie von Kohle und Uran.
Allerdings darf man dabei nicht vergessen: Politik ist die Kunst des Möglichen. Und eine, auch nur teilweise, Energieautarkie für Deutschland zu erreichen ist kurzfristig unmöglich. Die Energiewende ist nun mal kein Kurzstreckensprint, sondern ein Marathon. Und leider wurde in der Vergangenheit viel zu viel Zeit vertrödelt, die wir jetzt nicht kurzfristig aufholen können.
Kritische Infrastruktur: Auf Resilienz kommt es an
Aber wir stehen auch nicht komplett bei null. Wir sollten also zuerst einmal eine Bestandsaufnahme machen und dann überlegen, wie es weiter gehen soll. Und dabei sollten wir nicht nur grün-ökologische, sondern auch wirtschaftliche und finanzielle Gesichtspunkte sowie die Versorgungs- und Störsicherheit berücksichtigen.
Im vergangenen Jahr wurden erstmalig über 50 Prozent des Stroms regenerativ erzeugt. Das ist sehr positiv, reicht aber einerseits nicht aus und bringt andererseits große Probleme beim Stromtransport und der Netzsteuerung mit sich. Außerdem ist die Elektroenergie nur etwa ein Drittel der benötigten Gesamtenergie. Ein weiteres Drittel wird für Heizzwecke und das dritte Drittel für die Mobilität benötigt. Und da sieht es trübe aus.
Natürlich gibt es Gebäude mit Wärmepumpenheizung, aber der größte Teil des Gebäudebestands wird nach wie vor mit Gas, Öl oder Fernwärme beheizt, wobei die Fernwärme dann meist auch wieder aus Öl oder Gas erzeugt wird, evtl. als Abwärme aus der Kraft-Wärme-Kopplung. Minister Habeck will das zwar ändern, aber sein Gebäudeenergiegesetz ist absoluter Murks.
Wenn wir wirklich CO2-neutral werden wollen, müssen wir konsequent auf Ökostrom umsteigen, alles andere ist Unsinn. Leider können wir in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren nicht genug Ökostrom erzeugen, um den gesamten Energieverbrauch abzudecken.
Sonne und Wind: Unverzichtbare Säulen der Energiewende
Wir müssen also einerseits die Ökostromerzeugung schnellstmöglich steigern und parallel dazu die Netze ausbauen (derzeit müssen 25 bis 30 Prozent des deutschen Offshore-Stroms abgeregelt werden, weil die Kapazität der Übertragungsleitungen nicht ausreicht), und andererseits den Ökostrom so verwenden, dass mit jeder Kilowattstunde möglichst viel fossile Brennstoffe eingespart werden.
Und wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir mit dem Umstieg auf Ökostrom bei Heizsystemen und Verkehr sehr viel abhängiger von der sicheren Stromversorgung werden, als das heute der Fall ist. Durch den starken Schneefall sind in diesem Winter in Bayern beispielsweise Stromleitungen gerissen und Strommasten umgebrochen, wodurch einige Dörfer teilweise tagelang von der Stromversorgung abgeschnitten waren.
Schon so übel genug. Aber wenn man dort auch noch Strom zum Heizen benötigt hätte, dann wäre der Schaden noch sehr viel größer geworden, da beim Ausfall der Heizsysteme meist sehr große Folgeschäden entstehen. Das darf nicht passieren und deshalb müssen wir bei unserer kritischen Infrastruktur auf Resilienz achten.
Im Zuge der immer stärkeren militärischen Konfrontation mit Russland wird neuerdings auch in Deutschland das Thema Resilienz, also Widerstandsfähigkeit der zivilen Infrastruktur gegen Angriffe und Schäden durch Sabotageakte, Katastrophen und hybride Kriegsführung in den Medien diskutiert. Allerdings sollte diese sehr wichtige Diskussion sinnvoll und sachlich richtig geführt werden.
Konventioneller Krieg in Deutschland unwahrscheinlich
Wenn der Chef des Deutscher Städte- und Gemeindebunds, André Berghegger, in einem Interview mit der Berliner Morgenpost Bunker und Schutzräume für die Bevölkerung fordert, weil in der Ukraine die Zivilbevölkerung russischen Bombenangriffen und Artilleriebeschuss ausgesetzt ist, muss man hinterfragen, wie weit ein solches Szenario auf die Bundesrepublik übertragbar ist.
Wenn die Bundesrepublik mit Bomben und Artillerie angegriffen wird, ist das der Dritte Weltkrieg. Und der würde vermutlich von beiden Seiten mit Kernwaffen geführt. Da helfen dann auch keine Bunker, das ist herausgeworfenes Geld.
Allerdings ist dies Szenario äußerst unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist eine hybride Kriegsführung. Diese kann entweder durch Sabotageakte wie an der Nord-Stream-Pipeline erfolgen, oder durch Krieg bzw. Bürgerkrieg in den Energieförderländern oder auf den Transportrouten.
Wahrscheinlicher: Blockierte Lieferwege für Energieträger
Die LNG-Lieferverträge mit Katar sind nicht erfüllbar, wenn die Straße von Hormus blockiert ist. Und wenn das passiert, können wir die Ausfälle auch nicht einfach durch Käufe bei anderen Anbietern kompensieren, weil dann Öl und Gas am Weltmarkt durch den Ausfall der Lieferungen aus der Golfregion extrem knapp und teuer werden.
Dagegen können wir nur zwei Dinge tun: Erstens müssen wir möglichst große Notfallreserven an Öl und Gas anlegen und zweitens müssen wir so schnell wie möglich aus der Nutzung dieser unsicheren Energieträger aussteigen.
Versorgungssicherheit: Sonne und Wind effizient nutzen
Die Notwendigkeit der Energiewende wird immer mit dem Klimawandel begründet, aber die Versorgungssicherheit ist angesichts der geostrategischen Lage ein sicher ebenso wichtiges Argument. Wir müssen Öl und Gas durch Sonne und Wind ersetzen, einen anderen Weg gibt es nicht, um unsere Energieversorgung langfristig zu sichern.
Leider ist das nicht in einer Hauruck-Aktion zu schaffen, sondern die vollständige Umstellung wird sicher mehr als zehn Jahre in Anspruch nehmen. Und inwieweit wir auf die fossilen Brennstoffe wirklich vollständig verzichten können, ist auch noch fraglich. Aber es ist sicher ein Unterschied, ob wir 100 Millionen Tonnen Öl im Jahr benötigen oder in Zukunft vielleicht nur noch eine Million Tonnen. Ähnlich sieht es beim Gas aus.
Technologiewandel und Energiesicherheit: Die Herausforderung
Das große Problem bei der Energiewende ist, dass wir nicht nur die Produktion des Solar- und Windstroms "auf Teufel komm raus steigen" und die Netze dafür ausbauen müssen, sondern gleichzeitig auch noch die Heiz- und Verkehrstechnologie von Öl und Gas auf Strom umstellen müssen. Das ist ein vollständiger Technologiewandel, der nicht nur die gesamte Industrie, sondern unsere gesamte Gesellschaft betrifft.
Und die Umstellung muss simultan verlaufen, denn weder können wir Elektroautos und Wärmepumpen betreiben, wenn wir dafür nicht genug Strom haben, noch können wir es uns leisten, große Ökostromerzeugungskapazitäten abzuregeln, weil wir den Strom nicht verwerten können (etwa ein Drittel des Offshore-Stroms in Deutschland wird derzeit abgeregelt, weil er mangels Übertragungsleitungen nach Bayern und Thüringen nicht genutzt werden kann). So etwas können wir uns nicht leisten.
Lösungsansätze für Ökostrom-Speicherprobleme
Aber auch wenn es die Übertragungsleitungen gibt, wird es immer eine Herausforderung bleiben, die aktuelle Ökostromerzeugung mit dem momentanen Verbrauch zu synchronisieren. Da der Ökostrom unregelmäßig anfällt, wenn Sonne und Wind liefern, muss man ihn dann auch verbrauchen. Das geht nur, wenn wir bei einem Überangebot von Strom Speicher zuschalten und laden.
Dazu benötigen wir aber neben Speichern auch noch eine Steuerung und Regelung, die diese genau dann zuschaltet, wenn es notwendig und sinnvoll ist.
Als Speicher kommen neben stationären Akkuspeichern und den Batterien der E-Autos auch die in großer Zahl vorhandenen elektrischen Warmwasserspeicher in Betracht. Diese haben zwar pro Gerät nur zwei bis drei Kilowatt Anschlussleistung, aber es dauert meist ein bis zwei Stunden, bis ein entleerter und mit kaltem Wasser gefüllter Speicher wieder voll aufgeheizt ist.
Und bei Millionen im Netz vorhandenen Speichern sind das dann schon einige Gigawattstunden Heizstrom. Mit fortschreitender Verbreitung von E-Autos kommen auch noch wachsende Mengen Ladestrom für diese hinzu.
Für den Übergang zur Elektromobilität und Wärmepumpenheizungen müssen die Stromnetze stark ausgebaut werden. Da ist es sinnvoll, die Kapazität nicht nur durch neue Leitungen zu erhöhen, sondern auch die Auslastung der vorhandenen Leitungen zu verbessern. Die Leitungen eines Netzes müssen grundsätzlich auf Spitzenlast ausgelegt sein.
Warum meist weniger Strom als möglich fließt
Wird diese überschritten, kommt eine Sicherung und der Stromkreis wird abgeschaltet. Aber die meiste Zeit fließt viel weniger Strom als maximal möglich. Wenn man den zusätzlichen Strom in diesen Zeiten transportiert, kann man sich viele neue Leitungen sparen. Das setzt allerdings ein intelligentes Netzmanagement voraus.
Der erste Schritt dazu wurde mit dem Gesetz zum Smartmeter-Rollout gemacht. Jede Wohnung und jede Verbrauchsstelle, die an das öffentliche Stromnetz angeschlossen ist, muss für die Abrechnung einen geeichten Stromzähler haben. Dieser muss nach bestimmten Zeiten ausgetauscht werden, da die Gültigkeit der Eichung abläuft.
Dabei werden ab sofort bei Häusern mit PV-Anlagen, Wärmepumpenheizungen und/oder Wallboxen für E-Autos fernabfragbare digitale Zähler, sogenannte Smartmeter, verbaut. Diese messen laufend den aktuellen Stromverbrauch und senden die Daten automatisch an den Netzbetreiber. Dieser kann dann in Notsituationen entscheiden, dass die Wärmepumpe bzw. die Wallbox gedrosselt oder abgeschaltet wird, um eine Überlastung des Netzes und dadurch einen Blackout zu vermeiden.
Angstszenario Stromrationierung
Gegen diesen Smartmeter-Rollout wurde und wird von Gegnern der Energiewende Stimmung gemacht, indem behauptet wurde, dass man damit Stromabschaltungen, also quasi eine Stromrationierung vorbereitet. Das ist Unsinn. Eine Stromrationierung wäre theoretisch auch heute sofort möglich durch Stromsperren beziehungsweise Flächenabschaltungen.
Das wird gegenwärtig aber nur im Katastrophenfall durchgeführt, wenn zum Beispiel bei Überschwemmungen die Verteilerkästen geflutet werden. Allerdings fällt dann die gesamte Stromversorgung in dem abgeschalteten Gebiet aus, was zur Folge hat, dass auch das Telefonnetz und das Internet ausfällt und auch sämtliche Kühlschränke und Kühltruhen nicht mehr arbeiten, wenn sie nicht über eine Notstromversorgung verfügen. Die Folgeschäden dürften jedem klar sein.
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