Entspannungszeichen zwischen Indien und Pakistan

Gurdwara Darbar Sahib Kartapur. Foto: Xubayr Mayo. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Die beiden Länder haben sich auf einen Grenzkorridor im Pandschab geeinigt, der Sikhs einen visumsfreien Zugang zu einem Heiligtum gewährt

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Gestern unterzeichneten Vertreter der indischen und der pakistanischen Staatsführung ein Abkommen, das es täglich etwa 5.000 indischen Sikhs ab dem 10. November ermöglicht, visafrei zu ihrem fünf Kilometer hinter der pakistanischen Grenze gelegenen Gurdwara Darbar Sahib Kartapur pilgern zu können - zum "Tor zum Guru Darbar Sahib", an dem der Religionsstifter und Stadtgründer Guru Nanak im 16. Jahrhundert die erste Sikh-Gemeinde um sich sammelte. Guru Nanaks 550. Geburtsjubiläum wird am 12. November gefeiert - zwei Tage nach der Eröffnung des Korridors.

Der von ihm ins Leben gerufene Glaube gilt als Kontaktreligion, der vom Hinduismus die Wiedergeburtslehre und vom Islam den Monotheismus übernahm. Ihr geographisches Zentrum ist der Pandschab, in dem sie von 1799 bis zur Annexion der Briten 1849 die Macht innehatte. Bei deren Abgang knappe hundert Jahre später wurde die Region in eine moslemisch-pakistanische und eine indische Hälfte geteilt (vgl. Teile und herrsche), wobei das Gurdwara Darbar Sahib Kartapur knapp auf der pakistanischen Seite landete, aus der damals Millionen Hindus und Sikhs gewaltsam vertrieben wurden.

Pakistanischer Geheimdienst ISI unterstützte früher heimlich Sikh-Separatisten

Auf der indischen Seite trennte man den verbliebenen Pandschabteil 1966 in einen von Sikhs dominierten Pandschab und die beiden von Hindus dominierten Bundesstaaten Haryana und Himachal Pradesh. Sikh-Separatisten, die ein unabhängiges "Khalipur" anstrebten, waren damit allerdings nicht zufrieden und bewaffneten sich mit heimlicher Unterstützung des pakistanischen Geheimdiensts ISI, was 1984 in eine gewaltsame Erstürmung des von ihnen besetzten Harmandis Sahibs mündete - des "Gottestempels" in Amritsar, der in deutschen Medien meist "Goldener Tempel" genannt wird. Dabei kamen neben 83 indischen Soldaten auch 1.592 Sikh-Milizionäre ums Leben, was die damalige indische Premierministerin Indira Ghandi, die sich von Sikh-Soldaten bewachen ließ, vier Monate später das Leben kostete.

In den 1990er und 2000er Jahren entspannte sich das Verhältnis zwischen Sikhs und Hindus dann wieder. Es entspannte sich sogar so sehr, dass der Sikh Manmohan Singh 2004 indischer Premierminister wurde und das ein Jahrzehnt lang blieb. Aber auch nach dessen Abgang und der Amtsübernahme durch den dezidierten Hindu Narendra Modi wurde es nicht wieder so schlecht wie in den 1970er und 1980er Jahren. Auch Modi setzte sich für den Gurdwara-Darbar-Sahib-Korridor ein, an dem vor allem die Sikhs ein Interesse haben.

Solche, die zum Gurdwara Darbar Sahib Kartapur pilgern wollen, können sich dafür seit gestern online registrieren. Das kostet allerdings 20 US-Dollar. Eine Gebühr, die die pakistanische Seite mit aufwendigen Renovierungs- und Bauarbeiten sowie mit Personalkosten rechtfertigt und die der indische Parlamentsabgeordnete Manish Terawi als "Dschizya" kritisierte: als islamische Kopfsteuer für Angehörige anderer "Buchreligionen" aus dem Koran (zu denen die Sikhs streng genommen aber nicht gehören).

Kaschmir

Die Unterzeichnung des Abkommens zum Gurdwara-Darbar-Sahib-Kartapur-Korridor war schon seit dem letzten Jahr geplant, galt aber als unsicher, seit sich die Kaschmirkrise 2019 wieder verschärfte (vgl. Abschüsse und Verkäufe und Verfassungsänderung via Eildekret). Dass sowohl Indien als auch Pakistan trotzdem an der Entspannungsmaßnahme festhielten, deutet darauf hin, dass sich auch die Gefühlswogen zur umstrittenen Hochgebirgsregion wieder etwas gelegt haben.

Möglicherweise war Islamabad die offiziell kritisierte Abtrennung des buddhistischen Ladakh durch Indien im August auch gar nicht so unrecht. Vielleicht hofft man durch diese Teilung sogar inoffiziell, dass sie eine weitere Teilung näher bringt: Die zwischen einen hindudominierten Jammu und einem moslemischen Kaschmir. Letzterer könnte dann vielleicht neue und umfassendere Autonomierechte erhalten - oder vielleicht sogar die Unabhängigkeit (vgl. Kaschmir: Gestrichene Zugverbindung statt "militärischer Reaktion").

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